Sonntag, 9. Dezember 2001

„Mühsame Arbeit widerspricht der deutschen Volksseele.“

Erich und Mathilde Ludendorff über die Arbeitsethik der heidnisch-germanischen Vorfahren


Ein Aufsatz, der im Jahr 2000 über den Kirchenvater Augustinus, sein Wirken und seine Zeit erschienen ist (1), fand sowohl Anerkennung wie - bezogen auf einzelne Teile desselben - Widerspruch (2). Über die „zumindest im Winter auf Bärenfellen faulenzenden Germanen“, denen die mittelalterliche und die neuzeitlich-protestantische Arbeitsethik gegenübergestellt worden war, wurde in einem Leserbrief geäußert: „Gegen diese Darstellung unserer Vorfahren haben wir uns doch nun oft genug wehren müssen.“ (2) Demgegenüber soll im folgenden dargestellt werden, daß auch in der Abwehr von unberechtigten Beschönigungen von Volkseigenarten unserer Vorfahren und gegebenenfalls unseres heutigen Volkes nicht nachgelassen werden darf. Und es soll dargestellt werden, daß in dieser Abwehr auch solche Autoren wie etwa Erich und Mathilde Ludendorff nicht nachgelassen haben. In diesem Sinne wird im ersten Teil der folgenden Ausführungen dargestellt, daß Mathilde Ludendorff sehr betont die Zuverlässigkeit eines römischen Geschichtsschreibers wie Tacitus herausgestellt hat. Im zweiten Teil wird dann dargestellt, welche Schlußfolgerungen Erich Ludendorff daraus zog, daß eben die Berichte des Tacitus als zuverlässig zu gelten haben.


Vertreibung aus dem Paradies - Fluch der Arbeit
(Michelangelo, Sixtinische Kapelle)

Im Herbst 1954 war das 1949/50 über Mathilde Ludendorff verhängte Schreibverbot aufgehoben worden. Im Jahr 1955 beschäftigte sich Mathilde Ludendorff in ihrem Aufsatz „Aus dem Orient kam das Licht“ (3) mit den Forschungen des Pastors Jürgen Spanuth (1907-1998) (Wiki) zur „Atlantisfrage“. Hierbei behandelte sie auch die Zuverlässigkeit der Berichte antiker Schriftsteller. Sie versuchte zu einer Einschätzung der Zuverlässigkeit des „Atlantisberichtes“ zu gelangen. Der „Atlantisbericht“ ist enthalten in einer Schrift des griechischen Philosophen Platon. Mathilde Ludendorff vergleicht die in dieser Schrift genau angegebene lange Überlieferungsgeschichte dieses „Atlantisberichtes“ mit der Überlieferungsgeschichte jener Berichte, die Tacitus in seiner „Germania“ über die Germanen seiner eigenen Zeit gibt.

Über den Weg der Überlieferung dieses „Atlantisberichtes“, der - nach Platon - von ägyptischen Priestern über den griechischen Gesetzgeber Solon und den Gesprächspartner des Philosophen Sokrates, Kritias, an einen eben solchen Gesprächspartner des Sokrates, nämlich Platon gelangt sei, schreibt Mathilde Ludendorff: „Statt des unmittelbaren Berichtes, den Tacitus über die Germanen gab, liegt hier ein für die Exaktheit an sich gefährlich langer Weg vor.“ (3, S. 1022)

Die „Germania“ des Tacitus


Hier sei ganz von den in diesem Satz angesprochenen Problemen der Atlantisforschung abgesehen. Mit diesem Satz hat Mathilde Ludendorff nämlich auch sonst etwas sehr Wesentliches ausgesagt: Sie hat die ungeheuer große Zuverlässigkeit der Berichte des Tacitus festgestellt und betont.

Eine solche Zuverlässigkeit der Berichte des Tacitus möchten auch solange viele Menschen gerne anerkennen, solange diese Berichte möglichst viel Positives über die Germanen enthalten. Dies ist ja nun auch durchaus in sehr umfangreichem Maße der Fall. Enthalten sie aber - was nun einmal mitunter in dem kleinen Büchlein „Germania“ auch geschieht - aus heutiger Sicht Negatives, so möchte man ihnen sofort keine Zuverlässigkeit mehr unterstellen. Ein solches Vorgehen wäre doch recht arge Widersprüchlichkeit.

Übrigens wird diese Widersprüchlichkeit aus der umgekehrten Position heraus auf genau die gleiche Weise getätigt: Wie oft ist von seiten der Althistoriker die Zuverlässigkeit der Berichte des Tacitus infrage gestellt worden, weil sich hierdurch so leicht seine Schilderungen über den sittlichen Hochstand der Germanen entwerten lassen würden! (Und wie wichtig mag das in früheren oder heutigen Zeiten so manchem Historiker gegenüber derartigen - vielleicht auch für die eigene Lebenshaltung unbequemen - Schilderungen sein.) Die Schilderungen des Tacitus seien nur ein „Idealbild“ gewesen, das Tacitus der verdorbenen römischen Gesellschaft als Spiegel habe vorhalten wollen. Mit der Wirklichkeit hätten sie nichts zu tun gehabt. Usw. usf.. Da fragt man sich aber ganz unwillkürlich: Warum hat er dann auch so abträgliche Dinge über die Germanen in seine Berichte hinein gesetzt? Etwa aus der noch schlechteren Motivierung heraus, hierdurch seinem Lesepublikum die Berichte glaubwürdiger zu machen? Man würde sich auf solchen Wegen in Widersprüche über Widersprüche verstricken.

Alle, die die Zuverlässigkeit des Tacitus - aus der einen oder anderen Richtung und aus zumeist recht vordergründigen und durchsichtigen Motiven heraus - an jeweils nur ihnen selbst wichtigen Stellen infrage stellen möchten, geraten in unlösbare Widersprüche, wenn sie dann erklären müssen, warum Tacitus an anderer Stellen wieder so arg zuverlässig sein soll. Dies mündet doch recht bald in einer endlosen und fruchtlosen Debatte. Wer bereit ist, in Tacitus einen in selbstverständlichster sittlicher, römischer Tradition stehenden Historiker zu sehen, der seine Wahrheitsliebe gerade nicht durch derartige, ihm unterstellte flache Motivierungen hat herabziehen lassen, der kann für sich keinerlei Gewinn aus derartigen Debatten ziehen.

So weiß jeder, der sie kennt, daß hier nicht geschwatzt und geschwindelt wurde!“


Es wird hier letztlich doch ein ganz anderer Ansatz zu verfolgen sein. Die römische Kultur hat in ihren höchsten Vertretern - und Tacitus gehörte zu ihnen - eine kühle, begeisternde Sachlichkeit, unbestechliche Wahrheitsliebe vertreten, die von keinem nachlebenden Historiker auch je ernstlich hat erschüttert werden können. Aber selbst für sehr kleine und feine Details der Schilderungen des Tacitus, die sich ja tatsächlich reichlich finden und ebenfalls einen Anhaltspunkt hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit geben, finden die Archäologen Belege im archäologischen Material. Dies gilt neuerdings sowohl hinsichtlich der Schilderungen des Tacitus (und anderer römischer Historiker) über die Varusschlacht (4), wie hinsichtlich einer Fülle von in der „Germania“ genannten Details (5).

Es muß ja hier auch einmal festgestellt werden, daß zum Beispiel für Historiker des Faches Völkerkunde die „Germania“ des Tacitus völlig unbezweifelt als eine der vollkommensten und gültigsten Darstellungen innerhalb der langen Geschichte dieses Faches gilt. Als solche hat sie über die Jahrhunderte hin immer wieder auf die Menschen gewirkt und ihre begeisterten Nachahmer gefunden (etwa, um nur ein Beispiel zu nennen: Friedrich Ludwig Jahn). Und sie ist doch wohl dennoch niemals wieder in ihrer einzigartigen römischen Knappheit, mit der so viel Wesentliches treffend charakterisiert wurde, erreicht worden.

Eine Erklärung hierfür läßt sich wohl - widerspruchslos - nur in zwei Dingen suchen: Zum einen in dem von Tacitus dargestellten Gegenstand, nämlich den freien germanischen Stämmen in ihrem kulturell geschlossenen, einheitlichen, konturenreichen Sein. Und zum zweiten im Berichterstatter über dieses Sein: einer ebenso in sich geschlossenen, einheitlichen Persönlichkeit, einem kulturell hochstehenden und konturenreichen Vertreter der großen antik-römischen Kultur.

Für Tacitus gilt das gleiche, was Mathilde Ludendorff für den griechischen Gesetzgeber Solon ausspricht: „Für seine Wahrhaftigkeit bürgt seine ganze Lebensleistung.“ Es gilt für ihn genau das gleiche, was sie über Platon sagt: „Dessen Ernst und Wahrheitwille sind uns auch gut verbürgt.“ Und es gilt für ihn, was sie über Sokrates aussagt: „Und was endlich die Dialoge des Sokrates betrifft, so weiß jeder, der sie kennt, daß hier nicht geschwatzt und geschwindelt wurde, sondern mit ernstem Willen die Wahrheit gesucht wurde.“ (3, S. 1022) Jedes all dieser Worte läßt sich sicherlich ohne Einschränkung auf die Lebensleistung des Publius Cornelius Tacitus angewenden.

In dem folgenden Zitat aus einer neueren Untersuchung (6) wird eine Stelle aus der „Germania“ des Tacitus zitiert, die in dem zur Erörterung stehenden Aufsatz (1) noch nicht angeführt worden war, da die Bedeutung derselben noch übersehen worden war. Zudem werden hier die Bemerkungen des Tacitus noch durch eine ähnliche Bemerkung von Caesar ergänzt. Es wird also hier aus der „Germania“ des Tacitus (26. Abschnitt) angeführt:

Die Germanen freuen sich, wenn sie viel Vieh haben, und das ist ihr einziger und der ihnen willkommenste Reichtum. Denn sie ringen nicht in mühevoller Arbeit um die Fruchtbarkeit und den Umfang ihrer Ländereien. Sie verlangen vom Boden nur, daß er die Getreidesaat aufgehen läßt.“ Die genannte Untersuchung fährt nach diesem Tacitus-Zitat fort: „Eine Abneigung der Germanen gegen mühsame Feldarbeit beschreibt auch Caesar in seinem De bello Gallico. Er meint, daß die Germanen ‚agriculturae non student‘. Sie kümmern sich nicht mit Eifer um den Ackerbau.“ (6, S. 32) (Die Arbeit, die diese Belege bringt, stellt die geringeren Bemühungen der Germanen im Ackerbau noch in einen weiteren geschichtlichen Zusammenhang, der aber hier nicht untersucht werden soll. Er braucht auch für die Zwecke des vorliegenden Aufsatzes gar nicht einmal für gültig angesehen werden [6].)

Das Dogma in sechs Worten.“


Es soll hier noch darauf hingewiesen werden, daß Mathilde Ludendorff in dem oben angeführten Aufsatz „das Dogma in sechs Worten“ - nämlich jenes: „Aus dem Osten kam das Licht“ - nur insoweit zu widerlegen versuchte, wie dies zu ihrer Zeit sachlich geboten erschien. Sie ging dabei keinen einzigen Schritt über die ihr vorliegenden sachlichen Grundlagen hinaus. So hat sowohl Mathilde Ludendorff wie auch Erich Ludendorff geurteilt, wie das weiter unten noch gezeigt werden soll. 

Wenn heute aufgrund von tausenden von naturwissenschaftlichen C-14- und anderen Datierungen von Siedlungsfunden und -befunden rund um die ganze Welt festgestellt ist, daß die Stämme und Völker des Vorderen Orient 5000 Jahre früher als die Stämme der norddeutschen Tiefebene und Skandinaviens zur Seßhaftigkeit und zum Ackerbau übergegangen sind und 9000 Jahre früher als die Völker Nordeuropas Städte gegründet haben, dann sind damit Tatsachen genannt, die als heutiger Stand der Wissenschaft eine Deutung finden müssen. Dafür ist es sinnvoll, sich zunächst von diesen Zeiträumen (5000 und 9000 Jahre) so gut es möglich ist, eine Vorstellung zu machen. Eine solche Vorstellung kann letztlich nur an ein Staunen über diese langen Zeiträume grenzen. Ein Staunen auch, aus dem heraus sich dann noch eine ganze Menge weiterer Folgerungen hinsichtlich unseres Geschichtsbildes ergeben, Folgerungen, deren Bedeutung sich die meisten Historiker und Archäologen selbst bis heute noch nicht bewußt gemacht zu haben scheinen. Das scheint auch der Grund zu sein, warum ihre Kenntnisse bisher so wenig innerhalb von „politisch konservativen“ oder „völkischen“ Kreisen Eingang gefunden haben und zum Nach- und Durchdenken angeregt haben.

Auch der Autor Helmut Schröcke ist in seiner sehr beachtenswerten Studie „Germanen - Slawen. Vor- und Frühgeschichte des ostgermanischen Raumes“ (7) ganz selbstverständlich von dem genannten heutigen archäologischen Forschungsstand ausgegangen. Welche Revolutionierung eines sogenannten traditionellen „völkischen“ Geschichtsbildes in diesem Forschungsstand enthalten ist, hat allerdings auch er leider nicht ausreichend herausgestellt. Es ist hier Gelegenheit, sich klar zu machen, daß ohne „Staunen“, ohne die Bereitschaft zu Ergriffenheit gegenüber einem, wenn auch zu Anfang recht „fremden“, „fremdartigen“ Tatsachen-Bestand die Gefahr besteht, sich in der Folgezeit wieder in die Widersprüche längst vergangener Weltbilder (oder jeglicher Abart para-wissenschaftlichen Unsinns) zu verheddern. Es gibt deshalb keinen Grund, sich zu sehr über den „parawissenschaftlichen“ Unsinn aufzuregen, wohl aber, sich tief - und ohne jede weiteren Zweckgedanken - hineinzuknien in den reichen Wissensstand unserer Zeit.

Jedenfalls kann man es für bemerkenswert halten, daß sich Mathilde Ludendorff auch heute noch ihrer Versuche der Widerlegung des „Dogmas in sechs Worten“ in ihrem Aufsatz „Aus dem Orient kam das Licht“ nicht zu schämen hat. Sie ging in ihren Ausführungen nämlich nie weiter, als der Stand des Wissens ihrer Zeit dies zuließ. - Im weiteren soll aber auch noch Erich Ludendorff zu diesen Fragen behandelt werden. Es mag nämlich erstaunlich sein, daß man selbst bei ihm klare und sachgerechte Ausführungen zu der Thematik des vorliegenden Aufsatzes finden kann.

Erich Ludendorff im „Kirchenkampf“ (1935)


Einige Erläuterungen vorweg: Im Jahr 1935 fühlte sich die katholische Kirche in Deutschland - nach wenigstens zwei Jahren „schwärzester pfäffischer Reaktion“ (Erich Ludendorff) - durch eine völlige Wende in der offiziellen Politik und in der religiösen Stimmung des deutschen Volkes sehr plötzlich - in fast jeder Hinsicht - sehr arg in die Enge gedrängt. Die sogenannte „Kirchenkampf“-Situation während des Dritten Reiches stand in ihrer Schärfe dem „Kulturkampf“ Bismarcks gegen die katholische Kirche 60 Jahr zuvor in keiner Weise nach. Wer ist sich dessen eigentlich heute noch bewußt? Dieser „Kirchenkampf“ von 1933 bis 1945 ist auch, soweit absehbar aus nichtchristlicher Sicht bisher noch nicht einmal in Ansätzen aufgearbeitet worden, während die christlichen Kirchen - natürlich gänzlich aus ihrer eigenen Sicht und Bewertung - eine Fülle von Material und Schrifttum hierzu zur Veröffentlichung ausgewählt haben.

In ganz energischen Stellungnahmen ging damals die katholische Kirche (wie auch die „bekennende“ evangelische Kirche Martin Niemöllers) gegen das sich ausbreitende „Neuheidentum“ innerhalb und außerhalb der nationalsozialistischen deutschen Arbeiter-Partei vor. Dabei wurde, um zum Sieg zu kommen, jede nur denkbare Argumentation dankbar entgegengenommen und ins Feld geführt.

In der Zeitschrift „Am Heiligen Quell Deutscher Kraft“ wies General Ludendorff regelmäßig und kraftvoll jede nur denkbare katholische Argumentation auf diesem Gebiet beharrlich zurück. Hier ging es auch zum Beispiel um die Frage, ob der Hexenglaube des Mittelalters und die mit ihm einhergehende Frauenverachtung mehr christlichen oder mehr heidnischen Ursprungs wäre. Damit wird schon sichtbar, auf welchen Gebieten sich die katholische Kirche damals zu verteidigen veranlaßt gesehen hatte.

Im Dritten Reich war mit dem 1. Mai als „Tag der Arbeit“ ein neuer Feiertag eingeführt worden. Der katholischen Kirche, die sich der Bedeutung von Festen und Feiern ja durch ihre ganze Geschichte hindurch immer stark bewußt gewesen ist, mußte sich natürlich auch hierüber ihre Gedanken machen. Es mußte ihr daran gelegen sein, diesen neuem Feiertag, der vom Ansatz her - wie so vieles damals - zunächst ganz unchristlich motiviert war, in der gewohnten Weise (wie alle anderen älteren heidnischen Feste) eine christliche Deutung zu geben.

Der „Tag der Arbeit“ und die katholische Kirche (1935)


In Folge 5 vom 5. Juni 1935 entgegnete Erich Ludendorff auf solche Versuche in der katholischen Presse (S. 189f):

„Die römische Presse in Deutschland ist bekanntlich Meister darin, alles so zurechtzustutzen, wie es für Papst und Christenlehre vorteilhaft ist. Deutsche, die die Bibel nicht kennen, arbeiten ihr Hand in Hand, was natürlich Rom freudig begrüßt. Wir lesen in der“ (katholischen) „‚Märkischen Volkszeitung’ vom 1. 5. 35 in ‚Vom Ethos der Arbeit’:
Wir freuen uns sehr, gerade am heutigen Tage feststellen zu können, daß die Tatsache Anerkennung gefunden hat, daß das Christentum den sittlichen Wert der Arbeit, auch der körperlichen Arbeit, im Gegensatz zur vorausgegangenen Zeit betont und verteidigt hat. Die >Märkische Volkszeitung< hat am 6. April d. J. in Nr. 97 in zustimmender Weise aus dem >Handbuch für den Beamten im nationalsozialistischen Staat< die Schrift von Professor Dr. Laum >Deutsche Wirtschaftsgeschichte< zitiert. Wir wiederholen heute aus dieser Broschüre folgende Sätze: >Nichts zeigt deutlicher als diese Verknüpfung (des Ora et labora), wie hoch die körperliche Arbeit gewertet wurde. Griechen und Römer verachteten die Handarbeit. Nicht anders der freie Germane der Vorzeit. Durch das Christentum wird sie wieder geadelt. Jesus und seine Jünger stammen aus handwerklichem Milieu. Sie verkünden den sittlichen Wert der Arbeit. (...) Kein Zweifel - fährt Laum fort -, daß wir Arbeitsehre und Arbeitsordnung dem Christentum verdanken, daß das Arbeitsethos des deutschen Menschen in seinem Ursprung christlich ist.<‘“

Ludendorff fährt nach diesem Zitat fort: „Wir glauben gern, daß die ‚Märkische Volkszeitung’ mit solchen Auffassungen sehr einverstanden ist. Allerdings sind wir Heiden über den christlichen ‚Ethos der Arbeit’ recht anderer Ansicht, ganz abgesehen davon, daß die Ahnen, die freien Germanen der Vorzeit, Ackerbauern waren und sich durch Arbeit Lebensunterhalt verschafften.“ An Bibelzitaten weist General Ludendorff dann ganz richtig nach: „In der heiligen Schrift der Juden und Christen ist die Arbeit kein Ethos!“

Diese - typischerweise sehr widersprüchlichen - Bibelzitate, die Erich Ludendorff bringt, sollen an dieser Stelle nicht alle aufgeführt werden. Arbeit gilt in ihnen unter anderem als Strafe für den Sündenfall. Das ist katholische Auffassung. Im Protestantismus kann im Gegensatz dazu der Mensch nicht durch „gute Werke“ das Seelenheil erringen. Hier ist ein gewaltiger Schritt vorwärts, weg vom Lohn- und Strafdenken getan, wie dies auch Mathilde Ludendorff in ihrem grundlegenden philosophischen Werk „Triumph des Unsterblichkeitwillens“ anerkannt hat (8, S. 238f). Erich Ludendorff sagt also nicht: Im Christentum ist die Arbeit kein Ethos. Vielmehr sagt er: „Daß im übrigen die Priester Arbeit gern sehen, ist ganz selbstverständlich. Sie leben von dieser Arbeit.“ Natürlich war das auch Polemik.

Gerade weil in der Bibel die Arbeit kein Ethos ist, hatten ja auch Benediktus, Augustinus und so viele andere Kirchenführer zu Anfang so viel Mühe, ihre Mönche zu dem erst sich in ihrer Zeit und durch sie sich herausbildenden „mönchischen Arbeitsethos“ des Abendlandes zu bewegen. Es entstand damals etwas völlig Neues und Einzigartiges in der Menschheitsgeschichte. Mit dieser Tatsache setzen sich die Aussagen Erich Ludendorffs nicht in Widerspruch. Auch von Mönchstum steht ja nichts in der Bibel. Dieses „christliche Arbeitsethos“ ist also entstanden in der Auseinandersetzung des griechischen und des römischen Volkes, sowie der in den Mittelmeerraum zugewanderten germanischen Völker mit vorderasiatisch-orientalischen Glaubenslehren.

Erich Ludendorff über die „auf Bärenfellen faulenzenden Germanen“


Auch Erich Ludendorff weist in seiner Widerlegung nur darauf hin, daß die Germanen so viel arbeiteten, wie zu ihrem Lebensunterhalt - in einem bäuerlichen Volk mit geringer Siedlungsdichte - notwendig war. Er sagt nicht, daß sie sehr viel darüber hinaus taten. Sondern in einem zwei Jahre später niedergelegten Beitrag weist er sogar ganz ausdrücklich auf diesbezügliche Schwächen bei den Germanen hin. Er schreibt dies in einer Zeit, in der man gerade begann, durch die Betonung von Schwächen der heidnisch-germanischen Mentalität (die bei Bevölkerungswachstum fast zwangsläufig zu Imperialismus führen muß), das deutsche Volk in einen neuen Krieg und damit - nach der Meinung Ludendorffs - in den Untergang zu führen. (Stichwort: „Volk ohne Raum“ und anderes.) Zwei Vorbemerkungen sind zu dem folgenden Ludendorff- Zitat notwendig:

1. Wenn in ihm von „deutschem“ Lebenswillen im 4. und 5. Jahrhundert die Rede ist, so nur, um damit die Parallelen zu den Zeitverhältnissen der 1930er Jahre klarer herauszustellen. Im 4. und 5. Jahrhundert gab es natürlich nur germanische Stämme. Der Begriff „deutsch“ und das mit ihm werdende „deutsche Volk“ entstand, wie ja klar festgestellt ist, im 9. Jahrhundert.

2. Es ist darauf hinzuweisen, daß wenn General Ludendorff von „Rasseerbgut“ schreibt, er damit jenes Phänomen meint, das Mathilde Ludendorff in ihren philosophischen Werken die „Volksseele“ genannt hat. Mit diesem Phänomen „Volksseele“ darf man es sich nicht zu einfach machen. Ihr Dasein und ihre Überlebensgesetze können aus Sicht der modernen Altruismus-Forschung recht genau charakterisiert und neu durchdacht werden (etwa anhand der "gruppenevolutionären Strategien" des Kevin MacDonald).

Jedenfalls schreibt Erich Ludendorff in der Quell-Folge vom 20. April 1937, wenige Monate vor seinem Tod öffentlich, wovor er den Staatsführer des Dritten Reiches Adolf Hitler im persönlichen Gespräch am 30. März (also nur ein paar Tage zuvor) vertraulich gewarnt hatte (vgl. den 3. Band seiner Lebenserinnerungen) - nämlich vor Imperialismus mit deutschen Truppen bis vor die Tore Indiens (9, S. 49):

... Wieder trieb in der sogenannten Völkerwanderung im 4. und 5. Jahrhundert deutscher“ (lies: germanischer) „Lebenswille, wieder gepaart mit den Eigenheiten unseres Rasseerbgutes, auch gepaart mit dem Wunsche, Lebensbedingungen zu entgehen, die den Stammesgeschwistern dem Rasseerbgut“ (lies: der Volksseele) „widersprechende, mühsame Arbeit für des Lebens Unterhalt auferlegte, Stämme aus der nordischen Heimat. Sie drangen - wieder über die russischen Steppen und auf anderen Wegen - in die Balkaninsel, nach Italien, weiter nach Gallien (Frankreich) und Spanien hinein, ja nach Nordafrika vor.“ Vor solchen Wegen des Volksunterganges wollte General Ludendorff in dem einzigen Artikel, den er in seinem ganzen Leben aus Anlaß des Geburtstages von Adolf Hitler geschrieben hat, warnen. Er wollte damit also genau vor jenen Gefahren warnen - oder doch zumindest zum Nachdenken über dieselben auffordern -, von denen er wußte, daß sie von dem Mann und der Bewegung ausgingen, zu deren öffentlicher Ehrung alle Publikationsorgane während des Dritten Reiches aufgefordert waren, Artikel erscheinen zu lassen. Diese Warnung konnte unter Diktatur, Zensur und Geisteszwang nur in jener angeführten Art „zurückhaltender Offenheit“ geschehen, mit der sich General Ludendorff in jener Zeit über die ihm wesentlichsten Themen äußerte.

Es ist also nicht anders denkbar: Erich Ludendorff kannte seinen Tacitus und nahm ihn wörtlich. (Siehe oben angeführtes Tacitus-Zitat.) Gerade weil „mühsame Arbeit“ der Mentalität der heidnischen Völker, der Griechen, Römer und Germanen so widersprach, hatten ja auch Augustinus und Benediktinus so viel Mühe, ihr Arbeitsethos in den Klöstern durchzusetzen. Anfangs wollte man dort so leben, wie dies in den gebildeten Schichten der damaligen Zeit im Mittelmeer-Raum üblich war, nämlich mit sehr viel Müßiggang und ohne Handarbeit. - Wie es heute bezüglich des Zusammenhangs von "mühsamer Arbeit" und "Volksseele", bzw. Volkscharakter bestellt ist, darüber muß sich nun jeder Leser zunächst einmal seine eigenen Gedanken machen. Die Deutschen und die anderen Völker der Nordhalbkugel gehören heute zu den fleißigsten Arbeitern des Weltkapitals. Ob sie aber ihre Arbeitskraft ausreichend in den Dienst der Volkserhaltung stellen, darf dahin gestellt bleiben. Hier wird sicher jeder Deutsche immer wieder einmal Anlaß haben, mit sich selbst sehr ernst zu Gericht zu gehen. Und zum Nachdenken darüber wollte auch Erich Ludendorff anregen.

Im weiteren Verlauf seiner Abhandlung weist er dann auf die Vernichtung der jeweiligen - unter anderem wegen ihrer Arbeitsunlust - ausgewanderten germanischen Völker hin. Dieser jeweiligen Vernichtung wird die Aufbauarbeit und der Abwehrkampf der Deutschen in ihrer Heimat in der Auseinandersetzung mit vorderasiatischem Geistesgut, wie sie sich bis zum Jahr 1937 gezeigt hatten, gegenübergestellt (9).

Untergang des gotischen Volkes


Den völlig gleichen Gedankengang hat Hermin Leupold nach dem Tod Werner Preisingers in der von diesem begründeten Zeitschrift „Die Deutsche Volkshochschule“ herausgestellt, als hier auf einer Tagung (des Vereins dieser Zeitschrift) Kulturäußerungen und Lebensgeschichte des Volkes der Goten behandelt worden waren (10, 11). Hier waren die klaren und eindeutigen Ausführungen Mathilde Ludendorffs zu der Thematik des vorliegenden Aufsatzes wiedergegeben worden (11, S. 21- 23; 12, S. 224-227).

Abschließend seien noch einmal die in „Wurzelt unsere Zeit in der vormittelalterlichen Welt?“ angeführten Tacitus-Stellen im Wortlaut gebracht. Im 14. und 15. Abschnitt der „Germania“ heißt es:

„Und nicht so leicht könnte man einen Germanen dazu bringen, das Feld zu bestellen und die Ernte abzuwarten, als den Feind herauszufordern und sich Wunden zu holen; es gilt sogar für träge und schlaff, sich mit Schweiß zu erarbeiten, was man mit Blut erringen kann.
Wenn sie nicht zu Felde ziehen, verbringen sie viel Zeit mit Jagen, mehr noch mit Nichtstun, dem Schlafen und Essen ergeben. Gerade die Tapfersten und Kriegslustigsten rühren sich nicht. Die Sorge für Haus, Hof und Feld bleibt den Frauen, den alten Leuten und allen Schwachen im Hauswesen überlassen; sie selber faulenzen. Ein seltsamer Widerspruch ihres Wesens: dieselben Menschen lieben so sehr das Nichtstun und hassen zugleich die Ruhe.“

Und im 4. Abschnitt heißt es: „Für Strapazen und Mühen bringen sie nicht dieselben Ausdauer auf, und am wenigsten ertragen sie Durst und Hitze; wohl aber sind sie durch Klima oder Bodenbeschaffenheit gegen Kälte und Hunger abgehärtet.“

Die mangelnde Disziplin der Germanen im Gemeinwesen wie im militärischen Bereich kann wohl ebenfalls auf die gleiche Wurzel wie ihre mangelnde Arbeitsdisziplin zurückgeführt werden. So heißt es etwa über ihre Volksversammlungen im 11. Abschnitt (13): „Ihre Ungebundenheit hat eine üble Folge: sie finden sich nie gleichzeitig und nicht wie auf Befehl zur Versammlung ein; vielmehr gehen über dem Säumen der Eintreffenden zwei oder drei Tage verloren.“

Wie "mühsame Arbeit" in Bezug auf Volks- und Gotterhaltung weiter vorangetrieben werden kann, darüber sollte mit großem Nachdruck nachgedacht werden in den Völkern der Nordhalbkugel in der großen Lebenskrise, in der sie heute stehen.

Erich Meinecke

 

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/ hier eingestellt am 27.6.17 in überarbeiteter Form;
erschien zuerst in MuM, 9.12.2001 /

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Schrifttum:
  1. Meinecke, Erich: Wurzelt unsere Zeit in der vormittelalterlichen Welt? Eine Betrachtung und Besinnung. In: Mensch und Maß, Folge 14, 23. 7. 2000, S. 625-638, auch auf: Lulu.com, Sept. 2011
  2. Weiß, Anne: Leserbrief zu "Wurzelt unsere Zeit in der vormittelalterlichen Welt?" Erich und Mathilde Ludendorff über die Arbeitsethik der heidnisch-germanischen Vorfahren. In: Mensch & Maß, Folge 16, 23.8.2000, S. 766-768
  3. Ludendorff, Mathilde: „Aus dem Orient kam das Licht“. In: Der Quell, Folge 22, 23. 11. 1955, S. 1017-1023
  4. Meinecke, Erich: Ein freuriger, germanischer Fürst stoppt das römische Weltreich. Die Varusschlacht des Jahres 9. (2. Teil) In: Mensch und Maß, Folge 17, 9. 9. 2000
  5. Perl, Gerhard: Interpretationen der Germania des Tacitus mit Hilfe römischer Denkmäler. In: Das Altertum, Vol. 39/1993, S. 99-116
  6. Braasch, Dieter: Pharaonen und Sumerer - Megalithiker aus dem Norden. Hinweise aus Biologie und Technik zum Ursprung früher Hochkulturen. Grabert-Verlag, Tübingen 1997
  7. Schröcke, Helmut: Germanen - Slawen. Vor- und Frühgeschichte des ostgermanischen Raumes. Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur. Viöl (2. Aufl.) 1999
  8. Ludendorff, Mathilde: Triumph des Unsterblichkeitwillens. Verlag Hohe Warte, Franz von Bebenburg, Pähl 1959
  9. Ludendorff, Erich: Deutscher Lebenswille in der Weltgeschichte. Eine Betrachtung zum 20. April 1937 In: Am Heiligen Quell Deutscher Kraft. Folge 2, 20. 4. 1937, S. 49-53
  10. ohne Verfasser: Herbsttagung der Deutschen Volkshochschule. In: Die Deutsche Volkshochschule, Folge 53, Januar 1988, S. 20-22
  11. ohne Verfasser: Nachtrag zu Geschichte, Kultur und Weltanschauung der Goten. In: Die Deutsche Volkshochschule, Folge 55, Mai 1988, S. 18-23
  12. Ludendorff, Mathilde: Die Volksseele und ihre Machtgestalter. Eine Philosophie der Geschichte. Verlag Hohe Warte, Franz von Bebenburg, Pähl 1955
  13. Tacitus, P. Cornelius: Germania. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt, erläutert und mit einem Nachwort herausgegeben von Manfred Fuhrmann. Reclam-Verlag, Stuttgart 1985