tag:blogger.com,1999:blog-30471292207094177162024-03-13T13:25:39.327+01:00Die Deutsche VolkshochschuleZeitschrift für Wissenschaft, Kunst und PhilosophieIngo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.comBlogger89125tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-23999678254217086272024-02-03T06:54:00.010+01:002024-02-03T06:56:28.689+01:00Zur Beherzigung<div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;">Steh und falle mit eigenem Kopfe,</div><div style="text-align: justify;">Tue das Deine, und tue es frisch!</div><div style="text-align: justify;">Besser stolz aus irdenem Topfe</div><div style="text-align: justify;">Als demütig am goldenen Tisch. </div><blockquote><div style="text-align: justify;"> (Ernst Moritz Arndt) </div></blockquote></blockquote><blockquote><div style="text-align: justify;"></div></blockquote><div style="text-align: justify;"></div><p style="text-align: justify;"> </p><p style="text-align: justify;"><br /></p><p style="text-align: justify;"><br /></p>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-25301777459775383852022-10-19T06:16:00.036+02:002023-01-15T08:08:49.570+01:00Die Maler in Willingshausen<div style="text-align: justify;"><div><b>Einige erste Eindrücke zur Geschichte der Willingshäuser Malerkolonie</b></div><div><b>(1824 bis 1930) </b><br /></div><p>Der Verfasser dieser Zeilen ist in dem hessischen Dorf Wernwig bei Homberg/Efze aufgewachsen. Dreißig Kilometer von diesem Dorf entfernt - auf der anderen Seite des Knüllgebirges und ebenfalls noch in der "Schwalm" gelegen - liegt Willingshausen, das Dorf der berühmten, ältesten Malerkolonie Europas (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Willingsh%C3%A4user_Malerkolonie">Wiki</a>). </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4GB9EwSBrCwSjBX9LWK2yZIEVWcD98Qjv9kHQTKXTA_G1_71uyoUqkhALWYFrYEWzIpaJdB7vm0gXmL5n7akD1E58BbdDLhfqZQ0040ZakXK3i0WsVAnO3I0ogjXR53__wmOVpTlJJ3Rt1GtCzUCepJ0cyZaPH3nBJJFvxbT0YpuTcgJlfUMxkqjQTg/s1078/Fru%CC%88hlingswpaziergang-Carl-Bantzera.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="791" data-original-width="1078" height="470" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4GB9EwSBrCwSjBX9LWK2yZIEVWcD98Qjv9kHQTKXTA_G1_71uyoUqkhALWYFrYEWzIpaJdB7vm0gXmL5n7akD1E58BbdDLhfqZQ0040ZakXK3i0WsVAnO3I0ogjXR53__wmOVpTlJJ3Rt1GtCzUCepJ0cyZaPH3nBJJFvxbT0YpuTcgJlfUMxkqjQTg/w640-h470/Fru%CC%88hlingswpaziergang-Carl-Bantzera.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Carl Bantzer - Frühlingsspaziergang im Wald, 1913 (<a href="https://www.bildindex.de/document/obj00000121/?medium=fmc331148">Bln</a>)<br /></td></tr></tbody></table><p>Und der Verfasser dieser Zeilen beschäftigt sich in diesem Beitrag zum ersten mal mit dieser berühmten Malerkolonie. In seiner Jugend hat er sich für diese Malerkolonie überhaupt nicht interessiert. Er wußte zwar von ihrer Existenz - aber er wußte noch nicht einmal, daß Willingshausen auf der anderen Seite des Knüllgebirges liegt. </p><p>Wirkliches Interesse für Kunst entwickelte der Verfasser dieser Zeilen auch erst, nachdem er Nordhessen für das Studium verlassen hatte, nämlich im ersten Semester an der
Universität Konstanz, als er sich all den Büchern in der dortige Kunst-Abteilung der Bibliothek mit den vielen herrlichen Werken der europäischen Kunstgeschichte Nachmittage lang hingegeben hat. Natürlich kann in einem solchen Zusammenhang die Willingshäuser Malerkolonie bestenfalls als eine Fußnote der europäischen Kunstgeschichte Aufmerksamkeit erwecken. </p><p>Mit diesem Blogartikel soll also zum ersten mal eine Beschäftigung mit dieser Malerkolonie Willingshausen erfolgen. Wobei dieser Blogartikel nur einen ersten Zugriff
darstellen kann und sich nur - vielleicht willkürlich - einige der vielen Maler von Willingshausen heraus greifen kann. Uns am ansprechendsten erscheinen vor allem solche Maler, die in Willingshausen nach 1900 gewirkt haben. Und unter ihren Werken sind es gerade die vom Ausdruck her "herberen", die uns besonders der Aufmerksamkeit wert erscheinen. Wir haben die hier eingestellten Kunstwerke deshalb gegenchronologisch angeordnet. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjZlyb4BsWYwJpOk25Utz4Up99i63s93cJ3ZmCTQqITpDpiBRb7bejtIcdo-SnAksQBQLiu2hzMmNtXOJ4kgXQeKNUcplSvvt46ZNzqrnV-dG6qlTEDyWZ7psHAK0CfjRuOj17a8xqsVGOnTLDmtuYzf5k2ksqBKO7LHNfrSblHw9o3a8R9j9FA-r_zcg/s1300/Hugo_M%C3%BChlig_Sch%C3%A4fer_mit_Herde_bei_Merzhausen_in_der_Schwalm.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="990" data-original-width="1300" height="488" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjZlyb4BsWYwJpOk25Utz4Up99i63s93cJ3ZmCTQqITpDpiBRb7bejtIcdo-SnAksQBQLiu2hzMmNtXOJ4kgXQeKNUcplSvvt46ZNzqrnV-dG6qlTEDyWZ7psHAK0CfjRuOj17a8xqsVGOnTLDmtuYzf5k2ksqBKO7LHNfrSblHw9o3a8R9j9FA-r_zcg/w640-h488/Hugo_M%C3%BChlig_Sch%C3%A4fer_mit_Herde_bei_Merzhausen_in_der_Schwalm.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Schäfer mit Herde bei Merzhausen in der Schwalm, Gemälde von Hugo Mühlig, 1929<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p></p><p>Aber im begleitenden Text erweist es sich dennoch nötig, die Chronologie in der richtigen Reihenfolge einzuhalten. Aus Anfängen, die mit einem Zeitgeist verbunden waren, der uns womöglich heute nicht mehr so zugänglich ist, hat die Willingshäuser Malerkolonie in nachfolgenden Maler-Generationen dennoch Maler hervorgebracht, deren Werke heute durchaus ansprechen können und nicht nur "antiquiert" erscheinen oder uns doch zumindest als mit einer Tendenz in diese Richtung hin behaftet erscheinen.</p><p>Eine im Jahr 2008 begonnene und in den letzten Wochen weiter geführte
Auseinandersetzung mit dem aus Wernswig stammenden, in Düsseldorf
wirkenden und oft in Willingshausen weilenden Maler und Grafiker Heinrich Otto (1857-1923) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Otto_(Maler,_1858)">Wiki</a>, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Otto">engl</a>) (s. <a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2007/10/vorgestellt-der-maler-und-grafiker.html">Stgen2008</a>) veranlaßte das Zusammentragen dieses Beitrages zu Willingshausen. Denn auch das Leben von Heinrich Otto wird nur verständlich im Zusammenhang der über mehrere Jahrzehnte hinweg so fröhlich zusammen wirkenden und miteinander befreundeten Maler in Willingshausen. </p><p></p><p>Als einer der ersten Künstler, die sich in Willingshausen aufgehalten haben, gilt der Kasseler Maler Ludwig Emil Grimm (1790-1863) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Emil_Grimm">Wiki</a>). Es ist dies der jüngste Bruder der "Gebrüder Grimm". Er war 1824 und 1825, sowie 1828 in Willingshausen
(<a href="https://books.google.de/books?id=QywDAAAAQAAJ&pg=RA3-PA177&dq=willingshausen&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwj2lb31h8T6AhVQ3aQKHSzVAP04FBDoAXoECAQQAg#v=onepage&q=willingshausen&f=false">GB</a>). Willingshausen liegt ja auch vergleichsweise gut erreichbar zu Kassel (1). 1824 entstand dort etwa seine Radierung "Die hohle Eiche
bei Willingshausen", 1825 das Bildnis des Johannes Dörr (Abb. 15).</p><h2>Ludwig Knaus (1858) <br /></h2><p>Beliebtheit unter Malern vieler europäischer Länder erlangte Willingshausen dann aber erst ab 1858 durch ein Werk des aus Wiesbaden gebürtigen, viele Jahre in Düsseldorf lebenden Malers Ludwig Knaus (1829-1910) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Knaus">Wiki</a>). Knaus gehörte zu der Generation der enttäuschten deutschen Revolutionäre von 1848. Ab 1849 suchte er in seiner Enttäuschung Zuflucht auf dem Land. Er kam dabei nach Willingshausen. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhuP9Z4E0WhCZdUlc09rWBx_D2dd990vN2c36vDTvEMXESzkFDs1m_acwzQ_RxD5HC87wTIorEbf1Zz5qHwzIgx0SANBwAugxtZOlJPE8Y2az_ez8CSxlKhx0u6XXcucn_cFfveZGriaJ88WWLX483jlfRF-BCdz8eRXld4CeRng-eeLVI8A_F0Zn4x8w/s973/Bauer_D%C3%B6rr_K%C3%A4telh%C3%B6n_1_-_10.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="973" data-original-width="800" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhuP9Z4E0WhCZdUlc09rWBx_D2dd990vN2c36vDTvEMXESzkFDs1m_acwzQ_RxD5HC87wTIorEbf1Zz5qHwzIgx0SANBwAugxtZOlJPE8Y2az_ez8CSxlKhx0u6XXcucn_cFfveZGriaJ88WWLX483jlfRF-BCdz8eRXld4CeRng-eeLVI8A_F0Zn4x8w/w526-h640/Bauer_D%C3%B6rr_K%C3%A4telh%C3%B6n_1_-_10.jpg" width="526" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 3: Bauer Dörr, Radierung von Hermann Kätelhön, 1913<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p>Es war dann insbesondere sein Gemälde "Die goldene Hochzeit" von 1858 (Abb. 10), sowie mehrere weitere, beliebt gewordene Gemälde, die er vom Volksleben in Willingshausen malte, die das Bedürfnis und den Geschmack der Zeit offenbar so stark angesprochen haben, daß auch andere Maler solche Szenen malen wollten. </p><p>Die "Notwendigkeit" für dieses Zeitbedürfnis wird einem deutlicher, wenn man sich klar macht, daß zeitgleich auch die Volkskunde als Wissenschaft durch den Schriftsteller Wilhelm Heinrich Riehl - ebenfalls einen Revolutionär von 1848 - begründet worden ist (<a href="https://fuerkultur.blogspot.com/1997/08/wilhelm-heinrich-riehl-1823-1897-zum.html">DVHS1997</a>). Auch Knaus wollte in Willingshausen in einem ähnlichen Sinne "ethnographische Studien" treiben (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Willingsh%C3%A4user_Malerkolonie">Wiki</a>):</p><blockquote><p>1858
malte Ludwig Knaus das Gemälde "Die Goldene Hochzeit", 1867 sein Bild
"Hoheit auf Reisen" und 1871 "Das Leichenbegräbnis in Willingshausen".
Knaus wurde für seine Motive weltweit berühmt und es zogen eine große
Anzahl deutscher und ausländischer Maler nach Willingshausen, um die
hessische Landschaft und das Volksleben abzubilden.</p></blockquote><p>Knaus wirkte also - der Absicht nach - auf ähnlichen Gebieten als Maler wie Wilhelm Heinrich Riehl als Schriftsteller und Wissenschaftler (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Knaus">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Im
Sommer 1849 war Knaus - Anregungen von Jakob Becker und Jakob
Fürchtegott Dielmann folgend - erstmals zu ethnographischen Studien mit
seinem Freund Adolf Schreyer in Willingshausen in der Schwalm. In jenen
Jahren entstanden seine eigentlichen Hauptwerke; "Das Leichenbegängnis
in einem hessischen Dorf" (1871), "Die Geschwister" (1872) oder "Die
Beratung der Haunsteiner Bauern" (1873). <br /></p></blockquote><p>Aus heutiger Sicht möchte man diesen Gemälden höchstens noch eine
Bedeutung zusprechen als Hinweis auf den Zeitgeschmack der damaligen Zeit. Man versteht mit ihnen, womöglich zur eigenen Überraschung, daß damals "rührende", eher rückwärts gewandte dörfliche Idyllen innerhalb des Bürgertums auf Wohlwollen stießen, vielleicht auch als Gegenreaktion in der Zeit der beginnenden Industrialisierung und des immer zügiger werdenden gesellschaftlichen Wandels, der sich durch diese ergab.</p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi9A0khqDCGdEATFuikm4CBlddsZIELrBt3-qgsxbVCigBsUR1ic2twFbFFhCohuLL6tMbY9d1AWZmu5d8mAJZ1SnanguR4P73BXUH6-1O9CpENYVQkyon5gGyNPL4pIBfWofO3eUdn9I-flhb7U-YDWNWxuDi43Dnjvk3pNoZY-GWreeFBTArgpaq-IQ/s1875/Hermann-Ka%CC%88telho%CC%88n-Schwa%CC%88lmer-Bauer.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1875" data-original-width="1500" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi9A0khqDCGdEATFuikm4CBlddsZIELrBt3-qgsxbVCigBsUR1ic2twFbFFhCohuLL6tMbY9d1AWZmu5d8mAJZ1SnanguR4P73BXUH6-1O9CpENYVQkyon5gGyNPL4pIBfWofO3eUdn9I-flhb7U-YDWNWxuDi43Dnjvk3pNoZY-GWreeFBTArgpaq-IQ/w512-h640/Hermann-Ka%CC%88telho%CC%88n-Schwa%CC%88lmer-Bauer.jpg" width="512" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Schwälmer Bauer von Hermann Kätelhön </td></tr></tbody></table><p></p><p>Für die heutige Wahrnehmung mutet mancher Charakterzug der Gemälde von Ludwig Knaus fast "kitschig" an. Da von diesem Zug auch manche Werke "gefeierter" Willingshäuser Maler aus nachfolgenden Generationen nicht ganz unbeeinflußt blieben, mag das Bild der Willingshäuser Malerkolonie womöglich zu sehr von diesem Charakterzug insgesamt geprägt geblieben sein. Obwohl doch später noch ganz andere Künstler und Künstlergenerationen folgten in Willingshausen. Und um dieser späteren Maler willen möchte man Willingshausen viel eher eine nicht geringe Bedeutung in der Kunstgeschichte zusprechen.<br /></p><h2></h2><p>Im Gefolge von Ludwig Knaus kam unter anderem Paul Weber (1823-1916) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Weber_(Maler,_1823)">Wiki</a>)
nach Willingshausen. Er hat herrliche Landschaftsgemälde gemalt, die weitaus weniger zeitverhaftet wirken als viele der Werke von Knaus. Andererseits mögen die
Werke vieler anderer Maler, die zu den beiden bisher genannten Maler-Generationen in
Willingshausen gehörten, in ähnlicher Weise eher nur noch historisches
Interesse wecken. </p><h2>Karl Raupp (1865) <br /></h2><p>Der Münchner Maler Karl Raupp hat im Jahr 1865 Willingshausen besucht. Und er berichtete davon im Jahr 1887 sehr lebendig und anschaulich (2). Er
beschreibt, daß den Malern jener Jahre die Schwälmer Volkstracht "malerischer"
erschienen ist als sogar die bayerische Volkstracht. Denn diese hätte damals schon zu sehr an "Theater"
erinnert. Er schrieb auch (2):</p><blockquote>Der Bauer und die Bäuerin der Schwalm
ist im Sonntagsstaat und bei der Feldarbeit von gleich malerischer
Erscheinung. <span style="color: #274e13;"><b>Im wogenden Kornfeld die hellen Figuren der Mädchen mit dem
roten Mützchen auf den blonden Haarn arbeiten zu sehen, wirkt stets als
ein heiteres allerliebstes Bild.</b></span></blockquote><p>Es war also tatsächlich die damals noch im Alltag getragene Schwälmer Tracht, die viele Maler nach Willinghausen zog. </p><h2>Wilhelm Schäfer (1882) <br /></h2><p>Der aus der Schwalm gebürtige aber in Düsseldorf aufgewachsene, ausgebildete Volksschullehrer und nachmalige Schriftsteller Wilhelm Schäfer (1868-1952) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Sch%C3%A4fer_(Schriftsteller)">Wiki</a>) hat in den 1930er Jahren einmal im Rückblick beschrieben, wie befremdet er war, als er mit 14 Jahren im Jahr 1882 das erste mal - von Düsseldorf aus - in die Heimat seiner Eltern gekommen ist. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg3WGqJ6AtlMqBkUFlSqZgnQAf332-OmjtRL2M5GJMkNHuT3NbSGBu28gfO_IWDLM6ejsI6h8SP-lG6JO8us2-xia6gUW5UmXRMxyAlHRrJ6UqUi9ICKNEeoUe8vPQV7uHwIBAxPlC0vC-53mw8UNBRrTboe2AC-3cRJOql_aco2iSCQqJa8-ztjrgk-Q/s689/Agnes%20Waldhausen%20von%20Hermann%20K%C3%A4telh%C3%B6n%20um%201920.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="689" data-original-width="529" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg3WGqJ6AtlMqBkUFlSqZgnQAf332-OmjtRL2M5GJMkNHuT3NbSGBu28gfO_IWDLM6ejsI6h8SP-lG6JO8us2-xia6gUW5UmXRMxyAlHRrJ6UqUi9ICKNEeoUe8vPQV7uHwIBAxPlC0vC-53mw8UNBRrTboe2AC-3cRJOql_aco2iSCQqJa8-ztjrgk-Q/w492-h640/Agnes%20Waldhausen%20von%20Hermann%20K%C3%A4telh%C3%B6n%20um%201920.png" width="492" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 5: Agnes Waldhausen (1878-1963), eine Willingshäuser Malerin, Potrait von Hermann Kätelhön um 1920 (<a href="https://portraits.museum-kassel.de/157444/">Ks</a>)<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p>Und zwar aus Anlaß der Beerdigung seiner Großmutter. Aus seinen Worten wird deutlich, wie selbstverständlich es in der Schwalm damals noch war, Tracht zu tragen. Es wird darüber berichtet (<a href="https://www.hna.de/lokales/schwalmstadt/ottrau-ort141742/schriftsteller-und-dichter-wilhelm-schaefer-ueber-seine-heimat-13369965.html">HNA2019</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Zur
Beerdigung der Großmutter 1882 kam Wilhelm Schäfer zum ersten Mal
wieder nach Ottrau. Obwohl ihm das Land der Rotkäppchen in Gedanken
vertraut war, notierte er: „die Kinder in den kurzen gebauschten Röcken,
den weißen Strümpfen und den Schnallenschuhen stellten sich in der
Wirklichkeit als eine unerreichbare Fremde heraus.“ (Meine Eltern, 1937,
S.88ff.) Der Anblick des Trauerzuges zum Kirchhof mit den singenden
Rotkäppchen, den Frauen mit schwarzen Käppchen und den Männern im
Dreispitz war „für meine staunenden Augen ein unauslöschliches Bild, nur
<span style="color: #660000;"><span><b>für meine gänzlich verdonnerte Seele konnte das keine Heimat sein</b></span></span>,
schon deshalb nicht, weil ich die Sprache gar nicht oder nur wortweise
verstand. (...) Daß meine Mutter auch einmal ein Rotkäppchen gewesen
war, sah ich nun an ihren Schwestern und meinen Basen; nur war das alles
Vergangenheit, an der ich nicht teilgenommen hatte, und die Gegenwart
hatte keine Zeit, mir ihre Türen aufzumachen. Denn am zweiten Tag fuhren
wir wieder nach Hause (...) Der blasse Traum einer Heimat zerrann in
der hessischen Wirklichkeit (...), wo die Äcker und Wälder um Ottrau nur
für die Rotkäppchen da waren, die mich in meinem Konfirmandenanzug so
fremd angesehen hatten, wie ich sie selber.“ Wie er weiter schrieb,
teilte er damit das Schicksal vieler, die um des Broterwerbs in die
Industriegebiete gingen. „Sie verloren die Heimat, in der die
Gemeinsamkeit eine faßbare Wirklichkeit ist; ohne sie ist sie eine
Idee.“</p></blockquote><p>Wilhelm Schäfer hat sich Zeit seines Lebens - insbesondere in der von ihm mit Hilfe der Maler des Düsseldorfer Künstler-Vereinigung "Malkasten" begründeten - recht bedeutenden Kulturzeitschrift "Die Rheinlande" für viele Künstler und für die Kunst insgesamt eingesetzt. Nicht zuletzt auch für manchen aus Hessen stammenden und zeitweise in Willingshausen wirkenden Maler und Graphiker. So etwa auch - als einer der ersten - für den in Düsseldorf lebenden aber aus Wernswig in Nordhessen stammenden Landsmann Heinrich Otto.</p><h2>Eine neue Generation (ab etwa 1880) <br /></h2><p><span><span>Von
dem genannten Ludwig Knaus übernahm eine nachfolgende Maler-Generation die Gewohnheit, Sommerreisen
in die Schwalm zu unternehmen. In
einem 200 Seiten-Werk aus dem Jahr 1975 - "Deutsche Künstlerkolonien und Künstlerorte" - wird ausgeführt, daß dem 76-jährigen Ludwig
Knaus
im Jahr 1905 bewußt war, daß die ihm folgende
Maler-Generation andere Wege ging als er
selbst (Witek/Belm1976, S. 20):</span></span><span><span> </span></span></p><div><span><span></span></span></div><blockquote><div><span><span>...
Die impressionistischen Tendenzen sind ihm suspekt. Fünf Jahre vor
seinem Tode bekennt der Sechsundsiebzigjährige: <i>"Ich erkenne die großen
Errungenschaften der Modernen an. Die Jugend hat das Wort, wie wir Alten
es ehedem gehabt haben. Aber das Gemüt verödet ein wenig bei dem
Haschen nach virtuosen Effekten. Plein air habe ich immer mit Vorliebe
gemalt, aber die Lichtphänomene in der Natur und meine Richtung, das
Genre, sind unvereinbar. - Wenn der Mensch des Menschen eigentliches
Studium ist, so wird er auch das eigentliche Objekt der Kunstanschauung
bleiben. Um die seelischen Vorgänge in des Menschen Leben und Angesicht
malen zu können, brauche ich das Licht nicht als Objekt und Endziel der
Kunst, sondern als Mittel, das sich so wenig aufdrängt wie möglich."</i></span></span></div><div><span><span><span style="color: #274e13;"><b>Von
dieser Auffassung distanzierte sich die nächste Malergeneration auch in
Willingshausen.</b></span> Die im Freilicht gemalte Landschaft gewinnt an
Darstellungswürdigkeit und erhält für einige Zeit Vorrang. Hugo Mühlig
(1854-1929), Otto Strützel (1855-1932), Adolf Lins (1856-1927), Carl
Bantzer (1857-1941), Theodor Matthei (1857-1920), Emil Zimmermann
(1858-1899), Heinrich Otto (1858-1923) widmen sich in den siebziger und
achtziger Jahren der Schwälmer Landschaft. Alles Jahres- und Tageszeiten
finden ihren Niederschlag in Skizzen, Studien und Bildern. Am frühen
Morgen pirscht der Jäger im nebelverhangenen Wald (Mühlig), Erste
Sonnenstrahlen eines feuchtkalten Novembermorgens umspielen Schäfer und
Hund (Strützel, Abb. 6). Über einen Feldweg der Schwalm treibt ein
Mädchen die Gänse, die Wolken ziehen mit (Lins, Abb. 8). Im Kohlgarten
vorm Dorf ackert die Bäuerin (Lins). Stickig brütet die Julisonne
zwischen den Garben im Kornfeld (Mühlig, Otto, Abb. 7). Warme Abendsonne
wirft lange Schatten über den Heimweg einer kleinen Schwälmerin
(Matthei). Immer ist der bäuerliche Mensch in die Landschaft mit
einbezogen, auch wenn oft nur klein oder überhaupt nicht als Gestalt
sichtbar. Seine Tätigkeit ist stets spürbar und im Bilde zu gewahren.
Mensch und Landschaft atmen im gleichen Rhythmus.</span></span></div><div><span><span>Den
in der Schwalm geborenen Carl Bantzer zieht es seit den achziger Jahren
unwiderstehlich nach Willingshausen. Es wird zum Mittelpunkt der
Freilichtmalerei schon dadurch, daß er seine Schüler der Dredener und
später der Kasseler Akademie in die Schwalm bringt. Bantzer macht das
Sommer-Studium auf dem Lande zur Pflichtübung. </span></span></div></blockquote><div><span><span></span></span></div><p></p>Man wird auch annehmen müssen, daß Maler wie Heinrich Otto sich damals dem französischen Maler Jean-François Millet (1814-1875)
(<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Jean-Fran%C3%A7ois_Millet">Wiki</a>, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Jean-Fran%C3%A7ois_Millet">engl</a>)
verbunden gefühlt haben. Millet war ein Bauernsohn wie Otto selbst. Er stammte aus der Normandie. Otto hat ähnlich
häufig wie Millet Schafherden und Schafe gemalt, oft auch in ähnlicher
Stimmung gehalten wie bei Millet. Diese Ähnlichkeit fällt etwa bei Betrachtung von Millet's "Schafherde bei Mondlicht" von
1872/73 (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jean-Fran%C3%A7ois_Millet,_Le_parc_%C3%A0_moutons,_clair_de_lune.jpg">Wiki</a>) deutlich ins Auge, denn Otto hat selbst ganz ähnliche Werke geschaffen.<p></p></div><div style="text-align: justify;"><h2>Otto Mühlig</h2><p>Zu der nachfolgenden Generation von Malern gehörten dann unter anderem Hugo Mühlig (1854-1929) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_M%C3%BChlig">Wiki</a>), gebürtig aus Dresden und Heinrich Otto, gebürtig aus dem von Willingshausen
nur dreißig Kilometer entfernten Dorf Wernswig. Schon der Vater von Mühlig
war in Dresden Landschaftsmaler gewesen, der Vater von Heinrich Otto war Kleinbauer und Fruchthändler. Mühlig und Otto lebten in Düsseldorf. Beide waren dort Mitglied der
Künstlervereinigung "Malkasten". </p><p>Mühlig hat schließlich in Merzhausen bei Willingshausen einige der
schönsten
seiner Landschaftsgemälde gemalt (s. <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Hugo_M%C3%BChlig">Wiki</a>, z.B. <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hugo_M%C3%BChlig_Weite_hessische_Landschaft_mit_Sch%C3%A4fer.jpg">a</a>, <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hugo_M%C3%BChlig_Kartoffelfeuer.jpg">b</a>, <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hugo_M%C3%BChlig_M%C3%A4rzhausen.jpg">c</a>, auch <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hugo_M%C3%BChlig_Sch%C3%A4fer_auf_dem_Heimweg.jpg">d</a>), darunter auch eines aus seinem letzten Lebensjahr: "Schäfer mit Herde bei Merzhausen in der Schwalm" (Abb. 2). <br /></p><p>Auffallende Werke haben auch geschaffen der mit Heinrich Otto gleichaltrige, gebürtige Schwälmer und Ziegenhainer Carl Bantzer (1857-1941) (<a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Bantzer">Wiki</a>) (s. Abb. 1), sowie der zehn Jahre jüngere Wilhelm Thielmann (1868-1924) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Thielmann">Wiki</a>) (Abb. 6 und 7), sowie dann der Marburger Maler und Grafiker Otto Ubbelohde (1867-1922) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Ubbelohde">Wiki</a>). </p><h2>Carl Bantzer (1913) <br /></h2><p>Bantzer ist im Jahr 1887 zum ersten mal nach Willingshausen gekommen. Auch er hat beschrieben, warum gerade Willingshausen unter den Malern so große Begeistrung weckte (zit. n. 3, S. 123f):</p><blockquote><p>Die sinnvollen alten Sitten und Gebräuche von der Wiege bis zur Bahre waren noch überall lebendig und gestalteten das Leben reich.</p></blockquote><p>Und:</p><blockquote><p>Begeistert waren alle von der urwüchsigen Eigenart der Menschen und ihrer farbigen Tracht, von den malerischen Dorfgassen, mit Höfen, deren Häuser, Scheunen und Ställe alles zum Malen reizte, und von der Schönheit der Landschaft in Wald und Feld.</p></blockquote><p>Wenn Bantzer das schreibt, der doch selber nicht weit entfernt von Willingshausen in Ziegenhain aufgewachsen ist, dann muß man von Willingshausen doch denken, daß es eine Art archaische Enklave inmitten einer sich weiter entwickelnden Zeit darstellte. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjzOVY6z3fu1GsRLMClxgltJ9DDiiHRPWwoN4PigcLq-4jQsxsgfYZUISTJUPtyso8UMqL_6NLThzAFs9NKToiciTqd0AV6ciq1IkhV8mvIELZrNMVK5ol9xpdtTCUpuUqUS0GpUoVSN5QeRZKv-ainqxfkixeCRQwB54JtfOyX3qY-OrnmqMOtY6Hrmg/s768/1887%20Abendmahl-Kirche-Wernswig-Heinrich%20Otto.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="537" data-original-width="768" height="448" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjzOVY6z3fu1GsRLMClxgltJ9DDiiHRPWwoN4PigcLq-4jQsxsgfYZUISTJUPtyso8UMqL_6NLThzAFs9NKToiciTqd0AV6ciq1IkhV8mvIELZrNMVK5ol9xpdtTCUpuUqUS0GpUoVSN5QeRZKv-ainqxfkixeCRQwB54JtfOyX3qY-OrnmqMOtY6Hrmg/w640-h448/1887%20Abendmahl-Kirche-Wernswig-Heinrich%20Otto.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 6: Abendmahl-Szene in der Wernswiger Kirche - Heinrich Otto, 1887 (<a href="https://www.homberger-hingucker.de/nach-133-jahren-heimkehr-nach-wernswig/">Schn2020</a>)<br /></td></tr></tbody></table><p>1887 malte Heinrich Otto in seinem Heimatdorf Wernswig eine Abendmahl-Szene in der Dorfkirche (Abb. 6). Von Tracht ist hier keine Spur. Insgesamt liegt aber sein Gemälde noch eher auf der Linie eines Ludwig Knaus als derjenigen einer nachfolgenden Maler-Generation.<br /></p><p>1898 malte Heinrich Bantzer dann in Willingshausen sein Ölgemälde "Schwälmer Jugend beim Tanz", auch benannt "Schwälmer Tanz" (1898) (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Carl_Bantzer_Schw%C3%A4lmer_Tanz_1897_1898.jpg">Wiki</a>), jenes Gemälde, das wohl als das bekannteste und beliebteste aller in Willingshausen entstandenen Gemälde gilt. Ob mit Recht, sei dahin gestellt. Bantzer schildert, daß der Tanz, der auf diesem Gemälde getanzt wird, ein ganz bestimmter Tanz war, nämlich der "Schwälmer" (Naumann2011, S. 135). Dieser wird auch heute noch von Trachtengruppen der Schwalm getanzt (7, 8).</p><p>Aber weniger "gewollt" und eher "unbeschwerter", leicht dahin gemalt erscheint uns sein Gemälde "Frühlingsspaziergang im Wald" (bzw. "Sonntag in der Schwalm", bzw. "Waldspaziergang") aus dem Jahr 1913 (<a href="https://www.google.com/search?q=bantzer+fr%C3%BChlingsspaziergang&tbm=isch&ved=2ahUKEwjO_K71-a_6AhUa76QKHbfBA4kQ2-cCegQIABAA&oq=bantzer+&gs_lcp=CgNpbWcQARgBMgQIIxAnMgQIIxAnMgYIABAeEAUyBggAEB4QBTIGCAAQHhAFMgYIABAeEAUyBAgAEBgyBAgAEBgyBAgAEBgyBAgAEBhQjAdYjAdg3C9oAHAAeACAAesBiAHqApIBBTAuMS4xmAEAoAEBqgELZ3dzLXdpei1pbWfAAQE&sclient=img&ei=n0owY46xLJrekwW3g4_ICA&bih=955&biw=1920">G</a>)
(Abb. 1). Es kann getrost zu den bedeutendsten Werken gerechnet werden, die die Malerkolonie Willingshausen hervorgebracht hat. Es ist deshalb auch als erstes - und damit als Vorschaubild - dieses Beitrages eingestellt. <br /></p><h2>Hermann Kätelhön (1913)</h2><p>Angehöriger einer wiederum ganz neuen Malergeneration war dann der 25 Jahre jüngere Hermann Kätelhön (1884-1940) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_K%C3%A4telh%C3%B6n">Wiki</a>). Kätelhön steht der heutigen Generation von allen bislang Genannten schon rein zeitlich am nächsten. Vielleicht sprechen deshalb viele seiner Werke auch heute noch viel leichter an und scheinen aus heutiger Sicht nicht zu sehr von irgendeinem sehr besonderen Zeitgeschmack (des 19. Jahrhunderts) beeinflußt zu sein (Abb. 3-5).</p><p>Auf Fotografien und Zeichnungen sieht man die Willingshäuser und
Düsseldorfer Maler oft in fröhlicher Runde zusammen sitzen. Hermann
Kätelhön hat dabei die Gitarre in der Hand, ein anderer Maler sitzt am Klavier. Man scheint in jenen Zeiten immer auch gerne miteinander gesungen zu haben. Oft sind ganze Familien bei den Zusammenkünften anwesend, so sitzen etwa
die vier Kinder von Carl Bantzer den anderen Malern auf dem Schoß. Von
solchen Fotografien her gesehen traut man - zumal dem Maler Kätelhön - gar
nicht so ernsthafte Werke zu wie sie von ihm überliefert sind. <br /></p><p>Der Maler Wilhelm Thielmann (1868-1924) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Thielmann">Wiki</a>) ist schließlich mit seiner Familie sogar ganz nach Willingshausen gezogen und hat dort bis an sein Lebensende gelebt. </p><p>Seine Familie hat dort 1942 auch die ausgebombte Bonner Malerin Henriette Schmidt-Bonn (1873-1946) aufgenommen, eine einstige Schülerin von Heinrich Otto, die noch 1940 in einem Aufsatz ihres Lehrers gedachte. </p><p></p><p>Die Literaturwissenschaftlerin und Lehrerin, später Leiterin einer Mädchenschule Agnes Waldhausen (1878-1963) (Abb. 5) war ebenfalls gut befreundet mit der Familie Thielmann und hat oft in Willingshausen geweilt. Sie hat auch ergreifende Novellen verfaßt (s. <a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2007/10/der-maler-und-grafiker-heinrich-otto_17.html">Stgen</a>).<br /></p><p>Sie wird als "Muse von Willingshausen" bezeichnet. Über sie kamen an ihrem Lebensende - ähnlich wie 1946 schon über Schmidt-Bonn - Teile des Nachlasses von Heinrich Otto an das Kunstmuseum Marburg (alle inzwischen auf Bildindex.de digitalisiert).</p><h2>Wilhelm Thielmann (1915)<br /></h2><p>Wilhelm Thielmann hat manches schöne Werk in Willingshausen geschaffen. Hier seien nur zwei Beispiele heraus gegriffen (Abb. 7 und 8). </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjvF1dAQHMiR5OEeSqN2tDTEcYvl2-xM0YWNiVINBver_W3EoKwTT35T--6Qscfe6zmkle6LVN6ahmTZF0WJmVYvv8a1379eY8dgAUH_NIiiFGDa4pIkLmJhAUPyh0wK5V3iCeh2i75OzaoE9cXhgNQZJq5TX09foU47BlP9CCs4ll1p1U6n396YDZLFQ/s733/Screenshot%202022-09-25%20at%2003-12-49%20Kunstantiquariat%20Friedrich%20Piesk%20%E2%80%A2%20Wilhelm%20Thielmann.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="552" data-original-width="733" height="482" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjvF1dAQHMiR5OEeSqN2tDTEcYvl2-xM0YWNiVINBver_W3EoKwTT35T--6Qscfe6zmkle6LVN6ahmTZF0WJmVYvv8a1379eY8dgAUH_NIiiFGDa4pIkLmJhAUPyh0wK5V3iCeh2i75OzaoE9cXhgNQZJq5TX09foU47BlP9CCs4ll1p1U6n396YDZLFQ/w640-h482/Screenshot%202022-09-25%20at%2003-12-49%20Kunstantiquariat%20Friedrich%20Piesk%20%E2%80%A2%20Wilhelm%20Thielmann.png" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 7: "Neueste Nachrichten" von Wilhelm Thielmann, 1915<br /></td></tr></tbody></table><p>Die Zeichnung "Neueste Nachrichten" ist im Jahr 1915, also im ersten Jahr des Ersten Weltkrieges entstanden. Man kann ihr entnehmen, daß die Menschen in Willingshausen im Alltagsleben damals immer noch Tracht getragen haben.</p><p>Gespannt und aufmerksam hören sie den vorgelesenen, vermutlich militärischen Nachrichten zu. Sie haben alle Söhne und Angehörige an den Fronten im Osten, im Westen, auf der See und bald auch im Süden. Sie sorgen sich um das Schicksal des schwer bedrohten Vaterlandes. </p><p>Ernst, gefaßt und ingrimmig hören sie den Nachrichten zu. Deutschland ist für sie - mitten in der Friedenszeit - von allen Seiten mit einer überwältigenden Übermacht angegriffen worden. Daß Deutschland etwas Unrechtes getan hätte, daß diesen Krieg gerechtfertigt hätte, davon ist keiner überzeugt.<br /></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjmJL17cuLn7PFHZxqKVymVaXX9kb-ykr8XCIjXd-4MlclqXBS5Q_Cs7JrAvoH2I7jqBEjITkpMj6OnDP19is7yFYzRNSIJhjHFGT4epfHATmrNCumW5970bhole3yQ5xI39fSdgQmKY0g2gsL80mNxdtfw52BT-IHM6Dafq4SvCzuwlVjKiR0PvjKJww/s733/Screenshot%202022-09-25%20at%2003-12-03%20Kunstantiquariat%20Friedrich%20Piesk%20%E2%80%A2%20Wilhelm%20Thielmann.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="553" data-original-width="733" height="482" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjmJL17cuLn7PFHZxqKVymVaXX9kb-ykr8XCIjXd-4MlclqXBS5Q_Cs7JrAvoH2I7jqBEjITkpMj6OnDP19is7yFYzRNSIJhjHFGT4epfHATmrNCumW5970bhole3yQ5xI39fSdgQmKY0g2gsL80mNxdtfw52BT-IHM6Dafq4SvCzuwlVjKiR0PvjKJww/w640-h482/Screenshot%202022-09-25%20at%2003-12-03%20Kunstantiquariat%20Friedrich%20Piesk%20%E2%80%A2%20Wilhelm%20Thielmann.png" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 8: Beim Tanz von Wilhelm Thielmann </td></tr></tbody></table><p>In seiner Zeichnung "Beim Tanz" (Abb. 8) hat Wilhelm Thielmann ein zu seiner Zeit sehr beliebtes Motiv aufgenommen. Carl Bantzer war mit diesem - als Ölgemälde gefaßt - ja sehr berühmt geworden. In dieser Zeichnung läßt man dieses Motiv aber fast lieber auf sich wirken als in dem - für den heutigen Zeitgeschmack - zu betont farbenfreudigen Gemälde von Carl Bantzer.</p><p>Es ist erstaunlich, daß die Maler noch bis in den Ersten Weltkrieg hinein dem "Hessischen Volksleben" so viel Aufmerksamkeit zugewendet haben, ihm so viel haben abgewinnen können. Von all dem war in der Jugendzeit des Verfassers dieser Zeilen um 1980 herum in der Schwalm und in Nordhessen nur noch wenig zu bemerken. Nur ganz alte "hutzelige" Weiblein sah man damals mitunter noch in schwarzer Schwälmer Tracht auf den Straßen gehen. </p><p>Ein solches "volkstümliches Leben", eine solche Verbundenheit mit der eigenen Tracht gibt es bis heute in Bayern und in Österreich jedenfalls noch viel ungebrochener. </p><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEicrhtKZGZhE3rGbdaYMezfzXNS_sfj2zu8NZyN-05s1QAE0d9ZixxAiAdqkdeA34lNb2UZIhpagslWQ52jjChP1Zi-uJEWs2H_HF0Amv_0xZwWA5VAZ6hNLda2xCzCSCtRoJ3Wsgq5GBnQ66ga7SVIB-S5SVaqAeAHah-kUQVQaHSWdvLjGBsVQ94xdA/s615/Robin%20Lenman%20-%20Artists%20and%20Society%20in%20Germany%201850-1914.jpg.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="488" data-original-width="615" height="508" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEicrhtKZGZhE3rGbdaYMezfzXNS_sfj2zu8NZyN-05s1QAE0d9ZixxAiAdqkdeA34lNb2UZIhpagslWQ52jjChP1Zi-uJEWs2H_HF0Amv_0xZwWA5VAZ6hNLda2xCzCSCtRoJ3Wsgq5GBnQ66ga7SVIB-S5SVaqAeAHah-kUQVQaHSWdvLjGBsVQ94xdA/w640-h508/Robin%20Lenman%20-%20Artists%20and%20Society%20in%20Germany%201850-1914.jpg.png" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 9: Wichtige Orte künstlerischen Schaffens in Deutschland zwischen 1871 und 1918: Kunstakademien und Malerkolonien (Lenman1997)<br /></td></tr></tbody></table><p>In Abbildung 9 findet sich ein schöner Überblick über die Zentren des künstlerischen Schaffens in Deutschland zwischen 1871 und 1918. Es fehlt darin natürlich manches, etwa die Künstlerkolonie Nidden in Ostpreußen. Und spätestens nach 1918 kam zum Beispiel auch die Künstlerkolonie am Lebasee im mittleren Pommern an der Ostsee hinzu. </p><p>Nur an eine Kunsterfahrung aus seiner Jugend in seiner Heimat kann sich der Verfasser dieser Zeilen noch erinnern. Sie paßt sogar vom Thema her irgendwie in die in diesem Beitrag behandelte Thematik hinein. Als er einmal
mit etwa 17 Jahren die Gemäldegalerie in Kassel besuchte, hinterließ das
dort aufgehängte Bild "Der eifersüchtige Tiroler" einen nachhaltigen Eindruck (<a href="https://datenbank.museum-kassel.de/30397/">MusKassel</a>) (Abb. 10). <br /></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVdWg-HTImadQYfVEU9wF3x2dX8xKguOMFOcp35OH5SAIdDg4sWz3wB6_VnbgDL4AJLfrulXnl1VF1s2t82z6HgBc2x8HK2_mRUQEo_gUTg6c46-ncwzXDOGu8DqfAcZ1ASabkOYo_ZdTVXa4gsyUShCQC0lbC65qxGgALphINH3x6xYgNqgywPS1TmQ/s750/78_Eifersucht_A3_30x34.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="750" data-original-width="650" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVdWg-HTImadQYfVEU9wF3x2dX8xKguOMFOcp35OH5SAIdDg4sWz3wB6_VnbgDL4AJLfrulXnl1VF1s2t82z6HgBc2x8HK2_mRUQEo_gUTg6c46-ncwzXDOGu8DqfAcZ1ASabkOYo_ZdTVXa4gsyUShCQC0lbC65qxGgALphINH3x6xYgNqgywPS1TmQ/w554-h640/78_Eifersucht_A3_30x34.jpg" width="554" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 10: Der eifersüchtige Tiroler von Franz Defregger, 1899<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p></p><p>Es mag noch heute - wie viele andere Gemälde des Tiroler Malers Franz Defregger (1835-1921) - deutlich direkter ansprechen als die meisten vergleichbaren Werke aus Willingshausen. </p><p>Womöglich wäre es einmal spannend, nach den Ursachen dafür zu fragen. Warum erscheinen einem heute viele "Szenen aus dem Volksleben" aus Willingshausen zu "rührend", während ein solcher Eindruck - zum Beispiel - bei einem Defregger viel seltener entsteht. Defregger erscheint uns viel kraftvoller, viel "gegenwärtiger" als selbst etwa ein Wilhelm Thielmann. Und als Ludwig Knaus sowieso. <br /></p><p></p><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgpchLnf2qX7rzG3ll2ljc083pjjB62fOP67nMCjCLAVPaz2h8hZnqdZBSzgp-lpN7xyPQqDC8ifp1mP0YC-LAd8DhwJyS9DUO_tPPJFE60oO_esRtdAKQsbuqbjN-q1yjZZa4JDCS9f0uABXo_W6FA-T9mKfFDLKQ_ybNAfiSmMrFWPqVc_7Xn-UuFHA/s1500/1859%20Knaus%20Die%20goldene%20Hochzeit.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1003" data-original-width="1500" height="428" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgpchLnf2qX7rzG3ll2ljc083pjjB62fOP67nMCjCLAVPaz2h8hZnqdZBSzgp-lpN7xyPQqDC8ifp1mP0YC-LAd8DhwJyS9DUO_tPPJFE60oO_esRtdAKQsbuqbjN-q1yjZZa4JDCS9f0uABXo_W6FA-T9mKfFDLKQ_ybNAfiSmMrFWPqVc_7Xn-UuFHA/w640-h428/1859%20Knaus%20Die%20goldene%20Hochzeit.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 11: "Die goldene Hochzeit" von Ludwig Knaus, 1859<br /></td></tr></tbody></table><p></p><div><p>Nun abschließend noch einige Werke dieses oben erwähnten Ludwig Knaus, ohne den es die Willingshäuser Malerkolonie in der Form, in der sie bekannt geworden ist, vermutlich gar nicht gegeben hätte. </p><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjiAyJjnivmx_f_FPj6SfZO_Is_Cqc4x-uJccJpkDohkaOKv9AKD-154LfMGyvSKy5GMzhI6Mh3PDDaj-62j3HCfSvaTC17PsuGFzyU85dFHtM6fs13ryFNnVWf--y4bbUINViE79qWOz8aZeh9zZ9vZHyTUI3je7jHrripjjtNWZdqdLQGY3R6QhNCkA/s2000/Ludwig_Knaus_-_Hinter_den_Kulissen_(1880).jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1467" data-original-width="2000" height="470" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjiAyJjnivmx_f_FPj6SfZO_Is_Cqc4x-uJccJpkDohkaOKv9AKD-154LfMGyvSKy5GMzhI6Mh3PDDaj-62j3HCfSvaTC17PsuGFzyU85dFHtM6fs13ryFNnVWf--y4bbUINViE79qWOz8aZeh9zZ9vZHyTUI3je7jHrripjjtNWZdqdLQGY3R6QhNCkA/w640-h470/Ludwig_Knaus_-_Hinter_den_Kulissen_(1880).jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 12: "Hinter den Kulissen" von Ludwig Knaus, 1880<br /></td></tr></tbody></table><p>Wir versuchen hier noch einige seiner Werke einzustellen, die uns noch am ehesten als ansprechend erscheinen (Abb. 11 bis 14). </p><p>Mit all dem sollte nur ein erster Eindruck zur reichen Geschichte der Malerkolonie Willingshausen gegeben werden.</p><p></p><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgTKRerq97flS1dE5ejOXwTZIFHEN62TgvD1XwrDeyqv5yqCvmzmGcDUIlM_A6_tLoHeCRgSfAvgkoFKJMjzMkCizZSNK-Rl0niPzs9Bb4QHG8WF0gqyRRRS1XlvH53JhDorcdhRDGS1U0dgfgbbCisWH22TDay4R9rz6IhL0MdvZlyQyaChG9helQXSA/s1878/1884%20Ludwig_Knaus_-_In_Gedanken_verloren.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1878" data-original-width="1524" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgTKRerq97flS1dE5ejOXwTZIFHEN62TgvD1XwrDeyqv5yqCvmzmGcDUIlM_A6_tLoHeCRgSfAvgkoFKJMjzMkCizZSNK-Rl0niPzs9Bb4QHG8WF0gqyRRRS1XlvH53JhDorcdhRDGS1U0dgfgbbCisWH22TDay4R9rz6IhL0MdvZlyQyaChG9helQXSA/w520-h640/1884%20Ludwig_Knaus_-_In_Gedanken_verloren.jpg" width="520" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 13: In Gedanken verloren von Ludwig Knaus, 1884<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p>Umfassendere Überblickswerke zur Geschichte der Willingshäuser
Malerkolonie müssen erst noch durchgeblättert und studiert werden, um
ein womöglich vollständigeres Bild geben zu können.</p><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhYWYvCIuvQaA6PEzsXNplGFVwsafaae5GDQLrrntzgS4HzmzMpDrxz0aw0fvHTCikTBg4JWpA5SeXaL1pscYHqSR7T8SarN4xTS5hNxTv88kS49sU9_TbA638NL0Ep1D8vs5Y9vk4usWRKqXQSvDu3Dg-ACE1G78MASV1Mj1VazMAppJEgSHeWDhLnhA/s1350/Ludwig%20Knaus%20-%20Das%20freche%20M%C3%A4dchen.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1350" data-original-width="1080" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhYWYvCIuvQaA6PEzsXNplGFVwsafaae5GDQLrrntzgS4HzmzMpDrxz0aw0fvHTCikTBg4JWpA5SeXaL1pscYHqSR7T8SarN4xTS5hNxTv88kS49sU9_TbA638NL0Ep1D8vs5Y9vk4usWRKqXQSvDu3Dg-ACE1G78MASV1Mj1VazMAppJEgSHeWDhLnhA/w512-h640/Ludwig%20Knaus%20-%20Das%20freche%20M%C3%A4dchen.jpg" width="512" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 14: "Das freche Mädchen" (Ausschnitt), Ludwig Knaus zugesprochen<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p>Und abschließend auch noch ein Beispiel für das Willingshäuser Schaffen von Ludwig Emil Grimm (Abb. 15). </p><h2>Ludwig Emil Grimm (1825) <br /></h2><p>Ludwig Emil Grimm hat sehr bedeutende Werke hinterlassen neben vielen locker dahin gezeichneten Augenblicks-Eindrücken. Deshalb kann man ihn auch leicht unterschätzen.<br /></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjFRW3C155tso_p9741Sr573U9hdQg73epLFXNWAWGaaXhuzwY-GWwgtrMOAyU8mKg0GL2q4LIuOmJ57RVw1CgUP8hNaeMQP_uxj0L_b7VCYYJCW1iIr7Zdq3gd37i6bXkhS59vu-06Q9kiEiCCWZ463iNNJMU5pPR-fO4pwUA7d7lBPXz8zo-EPL0BPA/s646/1825%20L%20E%20Grimm%20Johannes%20D%C3%B6rr%20Willingshausen.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="646" data-original-width="517" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjFRW3C155tso_p9741Sr573U9hdQg73epLFXNWAWGaaXhuzwY-GWwgtrMOAyU8mKg0GL2q4LIuOmJ57RVw1CgUP8hNaeMQP_uxj0L_b7VCYYJCW1iIr7Zdq3gd37i6bXkhS59vu-06Q9kiEiCCWZ463iNNJMU5pPR-fO4pwUA7d7lBPXz8zo-EPL0BPA/w512-h640/1825%20L%20E%20Grimm%20Johannes%20D%C3%B6rr%20Willingshausen.jpg" width="512" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 15: Bildnis des Johannes Dorr oder Dörr aus Willingshausen von L. E. Grimm, 1825<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p></p><p>Das hier gebrachte Bildnis des Johannes Dörr, ebenso wie das Bildnis eines Jungen aus Obermöllrich, sowie eine "Hausecke mit Drehbrunnen in Willingshausen" sind alle im Jahr 1825 entstanden (<a href="http://www.zeno.org/Kunstwerke/A/Grimm,+Ludwig+Emil">Zeno</a>).</p><p>________________</p><ol><li>Andresen, Andreas: Die deutschen Maler-Radirer, peintres-gravenrs, des neunzehnten Johrhunderts nach ihren Leben und Werken. 3. Band, Leipzig 1869 (<a href="https://books.google.de/books?id=QywDAAAAQAAJ&pg=RA3-PA177&dq=willingshausen&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwj2lb31h8T6AhVQ3aQKHSzVAP04FBDoAXoECAQQAg#v=onepage&q=willingshausen&f=false">GB</a>)</li><li>Raupp, Karl: Willingshausen - Ein Studienplatz deutscher Künstler. Beschrieben in Wort und Bild. In: Kunst für alle, Bd. 2, 1887, S. 11ff (<a href="https://books.google.de/books?id=4MIQvIZgdzcC&pg=PA9&dq=willingshausen&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwiPsbzK9MP6AhXCCewKHTsVA0s4ChDoAXoECAoQAg#v=onepage&q=willingshausen&f=false">GB</a>) </li><li><span><span>Wietek, </span></span><span><span>Gerhard; </span></span><span><span>Bellm, </span></span><span><span>Richard</span></span><span><span>: </span></span><span><span>Deutsche Künstlerkolonien und Künstlerorte. Verlag Karl Theimig, München 1976 (<a href="https://books.google.de/books?id=dNLpAAAAMAAJ">GB</a>)</span></span> <br /></li><li>Naumann, Petra: Volkskultur - das Andere im Eigenen. Entwürfe ländlicher
Kultur um 1900. Diss. Marburg 2009, Tectum Verlag, Marburg 2011 (<a href="https://books.google.de/books?id=XAN4DwAAQBAJ">GB</a>), S. 121ff <br /></li><li>Lenman, Robin: Artists and Society in Germany 1850-1914. Manchester University Press, 1997 (<a href="https://books.google.de/books?id=IDPoAAAAIAAJ&pg=PA134&dq=willingshausen&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwiPsbzK9MP6AhXCCewKHTsVA0s4ChDoAXoECAIQAg#v=onepage&q=willingshausen&f=false">GB</a>) <br /></li><li>Wulf, Harm: Emil Beithan - Maler Schwälmer Brauchtums, 2015, <a href="http://galleria.thule-italia.com/emil-beithan/">http://galleria.thule-italia.com/emil-beithan/</a></li><li>Der Schwälmer, <a href="https://youtu.be/nJhO9A_bbKg?t=156">https://youtu.be/nJhO9A_bbKg?t=156</a></li><li>Der Schwälmer, <a href="https://www.dancilla.com/wiki/index.php/Schw%C3%A4lmer">https://www.dancilla.com/wiki/index.php/Schw%C3%A4lmer</a></li></ol></div></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-46240585373362864152022-05-06T06:54:00.008+02:002022-05-06T07:02:06.121+02:00Das Zeitalter der Zuversicht<div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>... und das Zeitalter der Décadence</b></div><div class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b> - Stehen sie - womöglich - in einem Wechselverhältnis zueinander?</b></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Zeitalter der „republic of letters“, das Zeitalter der Vigée-Lebrun (<a href="http://fuerkultur.blogspot.com/2022/05/die-republik-der-gelehrten.html">dvhs</a>) ist das
Zeitalter der Zuversicht.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Es ist das Zeitalter der Hoffnungsfreudigkeit, des Aufbruchs.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Ist dieses Grundverständnis der Zuversicht, des Aufbruchs und der Hoffnungsfreudigkeit nicht
das letztlich angemessene für eine so außerordentlich reiche kulturelle
Entwicklung der Menschheit wie sie sich in den letzten 300 Jahren entfaltet hat? </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjrAgL7pMg2xB1kBY-dWs6YTseYdEv4jGzEXIxONuGRwwTktKT_CGRZ9YdlS3HSpqcKHC95IiBIdrMRSZTfQBMuxecOxHMnGcPU0nvm1QqKDGYPKeTYiAE5jPkE7AJgBJcIZtRe_3sGG24sGnAYIcus6h84zr59GOBPxaAvzY1ZEmZZV6gwX_I5eh6qLA/s657/Elisabeth%20Vigee%20Lebrun.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="657" data-original-width="444" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjrAgL7pMg2xB1kBY-dWs6YTseYdEv4jGzEXIxONuGRwwTktKT_CGRZ9YdlS3HSpqcKHC95IiBIdrMRSZTfQBMuxecOxHMnGcPU0nvm1QqKDGYPKeTYiAE5jPkE7AJgBJcIZtRe_3sGG24sGnAYIcus6h84zr59GOBPxaAvzY1ZEmZZV6gwX_I5eh6qLA/w432-h640/Elisabeth%20Vigee%20Lebrun.jpg" width="432" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Selbstportrait der französischen Portraitistin Elisabeth Vigée-Lebrun, entstanden 1801, vielleicht noch in Petersburg, vielleicht in Berlin oder Potsdam (heute im Museum der Schönen Künste in Rouen) (<a href="https://www.grandpalais.fr/fr/article/oeuvres-commentees-delisabeth-portrait-par-elle-meme-de-profil">Grpalais</a>)<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Wir haben gelernt, wie dieser Kosmos entstanden ist, wir haben einige
Grundgesetze verstanden, nach denen sich dieser Kosmos und alles Gewordene in ihm entwickelt, nach denen
aus Chaos Ordnung entstehen kann. Wir haben gelernt, daß das viel Ähnlichkeit mit jenen Gesetzmäßigkeiten hat, die einstmals der Philosoph G.F.W. Hegel und andere (Hölderlin, Marx) in ihren Philosophien vorweg genommen hatten (Grundgesetze der Entwicklung des Individuums, des Seins an sich und der Geschichte, "Umschlag von Quantität in Qualität", "Rollentreppenbegriff der Geschichte", "Dialektik" und vieles andere mehr.)<br /></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wir haben gelernt wie außerordentlich
speziell dieser Kosmos ist. Wie speziell er schon in seinen Anfangsbedingungen war, nämlich so
speziell, daß er Strukturen und schließlich an Nervenzellen gebundenes
Bewußtsein aus sich heraus hat entstehen lassen. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wir haben gelernt, daß das alles nicht "selbstverständlich" ist. Daß es also vermutlich wenig Sinn macht, unser Universum schlicht ein "Zufallsereignis" zu nennen. Vielleicht ist das Universum in die Welt gekommen, damit Zuversicht in der Welt sei? Damit Freude in der Welt sei? Damit Hoffnungsfreudigkeit in der Welt sei?</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Denn nur aus dem Zeitalter der Décadence, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit heraus kann man diesem herrliche Universum und unserem Leben in demselben die bloße Bedeutungslosigkeit des Zufalls zusprechen (s. S. J. Gould's "Zufall Mensch").<br /></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Wir lernen in den letzten Jahren wie außerordentlich speziell jene Bedingungen
in unserer Galaxie, in unserem Sonnensystem und auf unserer Erde sein mußten, damit
es erst möglich wurde, daß in 4,5 Milliarden Jahren etwas so Prekäres, etwas an so spezielle Bedingungen Gebundenes und damit Gefährdetes wie Leben - und noch mehr: wie Bewußtsein - entstehen konnten. In diesem Sonnensystem, auf diesem Planeten, auf dessen unterschiedlichen Kontinenten.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Es ist das ein so ungeheures Geschehen der Erkenntniserweiterung in den letzten 200 bis 500 Jahren. Und dennoch
konnte das Zeitalter der Zuversicht um 1770, um 1790 herum so ungeheuer schnell
umschlagen in ein Zeitalter der Décadence, in ein Zeitalter des "fin de
sciecle", in ein Zeitalter des "Unbehagens an der Kultur", des Mißmuts, der Griesgämigkeit, des Pessimismus, der Verzweiflung, der "Desillusionierung", der Untergangsstimmung, des Scheiterns. All das sind Stimmungen, die sich auch in dem Umstand widerspiegeln, daß Millionen, nein, Milliarden von Menschen heute anteilnahmslos an diesem ungeheuren Geschehen der Erkenntniserweiterung der letzten 300 Jahre vorbei gehen.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Selbst unter den Denkenden unserer Zeit. Selbst unter den Philosophierenden unserer Zeit. <br /></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wie war das möglich? </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wie ist das möglich?<br /></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Wo liegen die Umschlagspunkte dafür?</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Deutlich wird: In einem Dichter und Denker wie Friedrich Hölderlin finden wir beides in einer Person in sich
vereinigt. Zum einen diese riesige große Zuversicht. Und zum anderen - und zugleich - eine wiederholt wiederkehrende, riesige große Niedergeschlagenheit.
Er hat in seinem Leben wie in seinem dichterischen Schaffen - wie in einem
Brennglas – beides in sich gefaßt, die Grundstimmung des Zeitalters der
Zuversicht ebenso wie die Grundstimmung des Zeitalters der Untergangsstimmung,
die sich weiterentwickelte in das Zeitalter der seelischen Verelendung, des Staats-, Kultur- und Gesellschafts-Verfalls. Und was für prophetische Worte man bei ihm in diesem Zusammenhang findet (<a href="https://www.projekt-gutenberg.org/hoelderl/hyperion/hyper109.html">Gutenb</a>):</p><blockquote><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">O ihr Genossen meiner Zeit! fragt eure Ärzte nicht und nicht die Priester, wenn ihr innerlich vergeht! Ihr habt den Glauben an alles Große verloren; so müßt, so müßt ihr hin, wenn dieser Glaube nicht wiederkehrt, wie ein Komet aus fremden Himmeln.</p></blockquote><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wie konnte Hölderlin so etwas niederschreiben? Zu seiner Zeit wußte man doch noch gar nicht, daß es tatsächlich "Kometen aus fremden Himmeln" (Asteroiden) waren, wieder und wieder, die es ermöglichten, daß sich alles Lebens verjüngte auf unserer Erde, auf diesem Planeten. Wie konnte er so etwas voraus ahnen?<br /></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Aber etwas anderes ist auch sicher: Wir gewinnen noch nicht
einmal einen angemessenen Maßstab, ein angemessenes Bewußtsein für dieses
Zeitalter des Gesellschafts-, Kultur- und Politikverfalls, solange wir uns nicht aufschwingen und
uns beschwingen lassen von jenem Geist, der einmal war, der wieder kommen wird,
gewiß wieder kommen wird, der in uns ruht, der jeden neuen Frühling,
Völkerfrühling beseelt und beseligt, der erfüllt ist von Zuversicht und Selbstvertrauen
und gegenseitiger Anteilnahme der Menschen untereinander, der Geborgensein kennt,
Erfülltsein von allem Seligen, was diese Erde und dieser Kosmos zu bieten
haben.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wenn wir uns dazu nicht aufschwingen können - wie wollen wir
dann einen Maßstab gewinnen, ein Bewußtsein gewinnen davon, was all der Verfall,
der uns umgibt (und womöglich erfüllt), eigentlich soll?</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Warum?</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Warum auch der? <br /></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Warum ist er da?</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Warum gibt es ihn?</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Warum geben wir uns ihm hin? <br /></p><h2 class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wird der Verfall ... das letzte Wort haben?<br /></h2>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wenn wir aufschauen zu Elisabeth Vigée-Lebrun, ihrem Glanz,
ihrer Schönheit, ihrem Adel, dann wissen wir wieder eines: Dieser Verfall kann
und wird nicht das letzte Wort haben. In der Menschheitsgeschichte. Nein. Dazu ist Menschheit nicht entstanden, dazu ist Leben auf diesem
Planeten, in diesem Kosmos nicht entstanden, damit <i>das</i> der Endpunkt ist, damit <i>das</i> "das Ende vom Lied" ist. <i>Das</i>, was wir heute erleben.<br /></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Nein. Von überall her ruft es uns zu: Das ist Lüge,
so zu denken. In uns schlummert anderes. In uns schlummert Besseres. Wir sind zu Höherem
geboren. In uns ist Adel, heiliger Sinn, Edelmut, Andacht, Geschenk, Gewährung des Guten.
Zu sagen, ein Zeitalter der Zuversicht wäre bloße Illusion gewesen - ja, wer im
Sumpf steht, der kann nichts anderes sagen. Und denken. Gewiß. Wie auch?<br /></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Aber wir wissen es anders. <br /></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Und wer im Sumpf stehen bleibt, wird dem Adel nicht nahekommen,
dem Adel, der einstmals war in der Welt, und der
wieder kommen wird in dieser Welt. Wir selbst sind Bürgen dafür. <i>Nur</i> wir. Wer sonst? Sind es nicht unsere Träume, die diesen Adel verkünden?<br /></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Raffen wir uns auf. Besinnen wir uns. Helfen wir uns. Helfe jeder sich selbst, helfe jeder dem anderen. Erinnern wir uns. Erinnere sich jeder, was einstmals war, was ist und was wieder kommen kann, was deshalb auch wieder kommen wird. So gewiß wie es ist, daß die Sonne, die am Abend untergeht, am nächsten Morgen wieder aufgeht.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Nur wir haben es - womöglich - in der Hand, nur wir, ob es früher oder später geschieht. Daß die Sonne wieder aufgeht. Wir können der Aufbruch sein, den wir uns wünschen und der uns erwünscht erscheint, ja, der uns erwünscht erscheinen muß. Blicken wir hinaus in die Natur, blicken wir in die Menschheit, blicken wir in uns. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Trank des Lebens - noch ist er an niemandem vorbeigegangen, der jemals lebte. Jeder konnte ihn trinken. Trinken wir, trinken wir doch. Erst dann ergreift uns jene Seligkeit, der wir gewahr werden müssen, wenn wir überhaupt erahnen wollen, was all der Verfall um uns herum und in uns drin eigentlich sollen.</p>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-85727326950193668672022-05-06T06:35:00.014+02:002022-05-06T06:51:13.995+02:00Die "Republik der Gelehrten"<div style="text-align: justify;"><b>Ist das Antlitz unseres Zeitalters alternativlos?</b></div><div style="text-align: justify;"><b>- Nein, "Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!" Eine andere Zeit <i>ist</i> möglich</b></div><div style="text-align: justify;"><b>- Im folgenden aufgezeigt am Zeitalter der "Gelehrtenrepublik" des 18. Jahrhunderts, an einer Malerin wie Élisabeth Vigée-Lebrun und ihren hinreißenden Gemälden</b><br /></div><p style="text-align: justify;">"Republic of letters" (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Republic_of_Letters">Wiki</a>) - der Begriff fällt ins Auge und begeistert, wenn man ihn in einer Rezension erwähnt findet. Zu Deutsch "Republik der Gelehrten" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Res_publica_literaria">Wiki</a>). Und zwar in einer Rezension zu einem neuen Buch über die europäische Wissenschaftsgeschichte. Da ist nämlich die Rede von ... (1)<br /></p><blockquote><p style="text-align: justify;">... den wissenschaftsgeschichtlichen Stichworten, nach denen die Wissenschaftsgeschichte heute üblicherweise gegliedert wird (die Revolution der Druckerpresse, die Gelehrtenrepublik, der Öffentliche Raum, die Aufklärung, Demokratie und die Industrielle Revolution).</p></blockquote><p style="text-align: justify;">Zuvor schon war die Rede von den ... (1)<br /></p><blockquote><p style="text-align: justify;">... bekannten europäischen Marksteinen des Fortschritts: Kopernikanisches Weltbild, Newton'sches Weltbild, Naturgeschichte nach Linnae, Elektromagnetismus nach Maxwell. <br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Uns fällt aber heute am meisten ins Auge: "Republic of letters", "Republik der Gelehrten". Was für ein riesiges, gewaltiges Bild ersteht mit diesem kurzen Begriff: "Republic of letters". <br /></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgEnDPyvwhqrm1Il8Ws0C7drmW9anV-lJ2CiGfgLomMGHurDDe6nNur6hUjmL2tN4aAnKPGNXztgiPvxrgxdLLLUJxG8SDiO7gmdmChMNsbFTFes4XF01K_ll5PA9vmGF4zcLxvcrZywOS52N86u7pop3iVtsQ0tUK7zvM6pHoDoDg00gvN2x_DMIuOZg/s1182/Louise%20Elisabeth%20Vigee%20Le%20Brun%20-%20Portrait%20of%20Charles-Alexandre%20de%20Calonne%201734-1802%20-%20(MeisterDrucke-348104).jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1182" data-original-width="988" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgEnDPyvwhqrm1Il8Ws0C7drmW9anV-lJ2CiGfgLomMGHurDDe6nNur6hUjmL2tN4aAnKPGNXztgiPvxrgxdLLLUJxG8SDiO7gmdmChMNsbFTFes4XF01K_ll5PA9vmGF4zcLxvcrZywOS52N86u7pop3iVtsQ0tUK7zvM6pHoDoDg00gvN2x_DMIuOZg/w534-h640/Louise%20Elisabeth%20Vigee%20Le%20Brun%20-%20Portrait%20of%20Charles-Alexandre%20de%20Calonne%201734-1802%20-%20(MeisterDrucke-348104).jpg" width="534" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Portrait des Charles Alexandre de Calonne (1734-1802) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Alexandre_de_Calonne">Wiki</a>) - französischer Reformpolitiker und Finanzminister unter Ludwig XVI. - Gemälde der französischen Malerin Élisabeth Vigée-Lebrun (1755-1842) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%89lisabeth_Vig%C3%A9e-Lebrun">Wiki</a>),
die auch sonst viele hinreißende Portraits geschaffen hat, darunter mehrere der preußischen Königin Luise
</td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Was für eine Zeit, als edelgesinnte Geister und Gemüter - über ganz Europa
hinweg - eine unsichtbare Republik bildeten, eine Republik von Gelehrten
und Schöngeistern, die in einer "anderen Zeit" lebten oder gar
"zeitlos", die jedenfalls ihrer eigenen Zeit weit voraus waren, die den
Niederungen des Alltags entwunden waren, die einem schöneren,
größeren, edleren Zeitalter entgegen strebten - durch Wissenschaft und
Forschung, durch Beschäftigung mit Kunst und Kunstgeschichte, mit Literatur
und Literaturgeschichte, durch Liebe und Begeisterung für alles Edle und Schöne.</p><p style="text-align: justify;">Oh, Republik der Gelehrten, komm wieder. Möchte man nicht in die Arme dieser Republik sinken, sich in sie fallen lassen, frei sein, edel sein, dem Fortschritt zugeneigt sein? Wozu soll man noch - - - "Reichsbürger" sein, wenn man Angehöriger einer Republik von Gelehrten sein kann?<br /></p><p style="text-align: justify;">Die Republik der Gelehrten geht auch noch über die schöngeistigen Tafelrunden, wie sie etwa am Hofe Friedrichs des Großen in Sanssouci stattgefunden haben, hinaus. Sie führt direkt in die Studierzimmer der Gelehrten selbst. All das "Zwischenmenschliche", all die - womöglich oberflächlichen - Neckereien, Heiterkeiten, all der Zank auch, der neckische oder ernsthaftere, all der Unfriede, all die äußere, aufreibende Unruhe der Zeit, die auch noch bis in manche Tafelrunde und in manchen Salon hinein geschwappt sein mögen, sie alle sind aus <i>dieser</i> "Republik" verbannt.</p><p style="text-align: justify;">Hier brennt die ewige Sonne der Wahrheit. </p><p style="text-align: justify;">Hier brennt die ewige Sonne der Freiheit. </p><p style="text-align: justify;">Hier brennt die ewige Sonne der Schönheit. </p><p style="text-align: justify;">In diese Republik werden nur jene Geister aufgenommen - und sie werden nur insoweit aufgenommen - als sie gleichen Willens sind, von gleicher innerer Freiheit erfüllt sind, von gleicher Hoffnung auf bessere Tage erfüllt sind, auf eine bessere Welt, von gleicher Sehnsucht nach "Zukunft", nach den Inseln der Seligen.</p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj5myfXErNFD84Es7ZASL09y_g0sk4TH7xByhy06_sxQVBQUr-O3LVnL8vxuIL_JyTSSWIX5X8IUboatPGwkMgkavzDcm0GAa206y-ZkqmEP0E6kFHtrDAsc_zp5wyeOwfrsj49hkEMSvoYVVeQJwSmtpFvuHmP5SxOHHK-jXe_MUV4XdxQNuI4H6JR/s2377/8123dKPNMnL.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="2377" data-original-width="2006" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj5myfXErNFD84Es7ZASL09y_g0sk4TH7xByhy06_sxQVBQUr-O3LVnL8vxuIL_JyTSSWIX5X8IUboatPGwkMgkavzDcm0GAa206y-ZkqmEP0E6kFHtrDAsc_zp5wyeOwfrsj49hkEMSvoYVVeQJwSmtpFvuHmP5SxOHHK-jXe_MUV4XdxQNuI4H6JR/w540-h640/8123dKPNMnL.jpg" width="540" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Portrait der Madame de Polignac, der engsten Vertrauten Marie-Antoinette's (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Yolande_Martine_Gabrielle_de_Polastron,_duchesse_de_Polignac">Wiki</a>), gemalt 1782/83 von Élisabeth Vigée-Lebrun (heute im Palast von Versailles) - Zu jener Zeit stand die Madame de Polignac auf der Höhe ihres Einflusses, der ab 1785 zu schwinden begann<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Nun gut, auch sonst wartet das besprochene Buch (1) offenbar mit einigen neuen Einsichten auf: Die Kopernikanische Wende ist durch die astronomischen Beschäftigungen im islamischen Bereich während des Mittelalters vorbereitet worden, die Newton'sche Wende durch Erkenntnisse, die nur durch Seefahrt und Seehandel zu gewinnen waren.</p><p style="text-align: justify;">Das "Überleben des Stärkeren" des Charles Darwin hat sich im "Frontier"-Idealismus der US-amerikanischen Siedler wieder gefunden, insbesondere Marxisten haben sich für die Quantentheorie, Relativitätstheorie und Genetik begeistert. Das ist alles etwas plakativ, aber ein Körnchen Wahrheit könnte ja in allem darinnen sein.</p><p style="text-align: justify;">Die Besprechung kommt zu dem Schluß, daß bei aller Einbindung der europäischen Wissenschaftsgeschichte in außereuropäische Bezüge sie dennoch "eurozentrisch" bleibt (1):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Auch fast alle nicht-europäischen Forscher, die hervorgehoben werden, sind entweder an europäischen oder US-amerikanischen Instituten ausgebildet worden.<br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">An Stelle solcher Erörterungen wäre ja eigentlich noch viel spannender zu erwähnen, daß es solche Republiken von Gelehrten auch im antiken Griechenland gegeben hat. Ganz Griechenland war voller Gelehrter und Philosophen und Künstler in einer Dichte, wie es zuvor und später nie wieder vorgekommen ist. Eine solche Republik von Gelehrten hat es schon im Tang-zeitlichen China oder früher gegeben. Und auch in anderen Hochkulturen. Die Möglichkeit einer "Republik von Gelehrten" ist nicht etwas spezifisch Europäisches. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiIHY6OoOJ_AzxX7FwL691w5I9BA8nLi8SKJ4HYpvA2JEnnuXFgzzare0qsgV46HNYXBspK1hPe7xq76WK7dyiUwfz6NRFbBADQNyZqAbAbeljGAuqKpLYV2cGk0aHrxZI19phd4ohxDg_zuJKegdzkB5Hnv2VE890zTevDlSD-m2Vp4tWGCOiufIow/s1200/Vig%C3%A9e-Lebrun.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1195" data-original-width="1200" height="638" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiIHY6OoOJ_AzxX7FwL691w5I9BA8nLi8SKJ4HYpvA2JEnnuXFgzzare0qsgV46HNYXBspK1hPe7xq76WK7dyiUwfz6NRFbBADQNyZqAbAbeljGAuqKpLYV2cGk0aHrxZI19phd4ohxDg_zuJKegdzkB5Hnv2VE890zTevDlSD-m2Vp4tWGCOiufIow/w640-h638/Vig%C3%A9e-Lebrun.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 3: Selbstportrait, gemalt von Élisabeth Vigée-Lebrun (1790) (heute in den Uffizien in Florenz) </td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Aber in der Neuzeit stehen eben nicht mehr China oder Griechenland oder der Vordere Orient oder Indien an der Spitze der geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Menschheit, sondern Europa. </p><p style="text-align: justify;">Und was erfahren wir zusätzlich, wenn wir uns nur ein wenig umschauen zu dem Thema "Republic of letters", "Republik der Gelehrten"? 1774 etwa veröffentlichte der deutsche Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Gottlieb_Klopstock">Wiki</a>), der damals bei allen deutschen Dichtern hoch verehrte Dichter des "Messias", sein Buch "Die deutsche Gelehrtenrepublik". Goethe schrieb noch im gleichen Jahr dazu:</p><blockquote><p style="text-align: justify;">"Klopstocks herrliches Werk hat mir neues Leben in die Adern gegossen. Die einzige Poetik aller Zeiten und Völker. Die Einzigen Regeln die möglich sind!" </p></blockquote><p style="text-align: justify;">Damals war noch Begeisterung in der Welt, Begeisterung für Tugend, Schönheit und Kunst. Wir erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Gottlieb_Klopstock">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Klopstocks aufgeklärte Utopie "Die deutsche Gelehrtenrepublik" (1774) ist ein Konzept, das für die als regierungsunfähig angesehene Fürstenherrschaft eine gebildete Elite in die Macht einsetzt. Die Republik soll von "Aldermännern", "Zünften" und "dem Volke" regiert werden, wobei den ersteren - als den gelehrtesten - die größten Befugnisse zukommen sollten, Zünften und Volk entsprechend weniger. Der "Pöbel" hingegen bekäme höchstens einen "Schreier" auf dem Landtage, denn Klopstock traute dem Volk keine Volkssouveränität zu. Bildung ist in dieser Republik das höchste Gut und qualifiziert ihren Träger zu höheren Ämtern. Entsprechend dem gelehrsamen Umgang geht es in dieser Republik äußerst pazifistisch zu: Als Strafen zwischen den Gelehrten veranschlagt Klopstock Naserümpfen, Hohngelächter und Stirnrunzeln. <br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Da sehen wir also mit leichter Hand schon einen Gegen-Entwurf gezeichnet zu jener Art von Oligarchie, die heute in allen Teilen Europas und Amerikas "Demokratie" genannt zu werden beliebt. (Denn es sollte sich ja wohl inzwischen herumgesprochen haben, daß der Begriff "Demokratie" längst nicht mehr mit der Verfassungs<i>wirklichkeit </i>übereinstimmt - wenn er es überhaupt jemals getan hat in der europäischen Neuzeit.) </p><h2 style="text-align: justify;">Klopstock, de Calonne, Vigée-Lebrun</h2><p style="text-align: justify;">Wir binden als erstes Bild (zugleich Vorschaubild) in diesen Beitrag ein Portrait des französischen Reformpolitikers und Finanzministers unter Ludwig XVI. ein, Charles Alexandre de Calonne, geschaffen von der französischen Malerin Élisabeth Vigée-Lebrun (1755-1842) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%89lisabeth_Vig%C3%A9e-Lebrun">Wiki</a>) (Abb. 1). Diese hat auch sonst viele hinreißende Portraits geschaffen. Darunter zum Beispiel auch mehrere der preußischen Königin Luise. Aber dieses Portrait des französischen Reformpolitikers mag aus ihren vielen schönen Bildern noch einmal besonders hervor stechen. Und genau deshalb stellt sich auch die Frage, was das da eigentlich für ein Mann war.</p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhYE9ZXwJItnAFBKS2aMcOOSgT_86cDiuPqNzYUJpAaC_VhABSWAw357jwBF4Xsbfu8Aznw41m1tYv97azkMuMORhJscUqohHI3ZgJLRWWZbMS6JuEf6V8szwxeKinUH_nH2d7chmAUWPdJ85QOoiY4aUrVmevbK0e93PRi8FCLSkhfwAn07UhlEO_r/s1272/Madame_Vigee-Lebrun_and_her_daughter,_Jeanne_Lucia_(Julie).jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1272" data-original-width="1024" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhYE9ZXwJItnAFBKS2aMcOOSgT_86cDiuPqNzYUJpAaC_VhABSWAw357jwBF4Xsbfu8Aznw41m1tYv97azkMuMORhJscUqohHI3ZgJLRWWZbMS6JuEf6V8szwxeKinUH_nH2d7chmAUWPdJ85QOoiY4aUrVmevbK0e93PRi8FCLSkhfwAn07UhlEO_r/w516-h640/Madame_Vigee-Lebrun_and_her_daughter,_Jeanne_Lucia_(Julie).jpg" width="516" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Selbstportrait mit Tochter von Élisabeth Vigée-Lebrun (1786) (heute im Louvre)<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p></p><p style="text-align: justify;">Und man stellt fest: <span style="color: #990000;"><b>Dieser befähigte Staatsmann hätte, wenn König Ludwig XVI. ihn nicht zwei Jahre vor Ausbruch der
Französischen Revolution entlassen hätte, diesselbe verhindern können!</b></span> Und
was für ein hinreißend schöner Mann war er zugleich! Zumindest auf dem Portrait
dieser Künstlerin Vigée-Lebrun.</p><p style="text-align: justify;">In ihrer Kunst ist auch sonst die ganze Seligkeit dieser Epoche eingefangen worden. Diese war eben nicht nur von wissenschaftlichem Wahrheitsdrang erfüllt, sondern auch von politischem Freiheitsdrang und von Sehnsucht nach Schönheit und dem Ausdruckgeben von Schönheit - in der Kunst. Wie erstaunlich, wie ungewöhnlich, dies alles in <i>einer</i> Zeit vereinigt zu sehen. Was für ein Wunder geradezu, wenn man darauf von heute aus blickt.<br /></p><p style="text-align: justify;">Wie weit, wie unendlich weit sind wir heute von all dem entfernt. Welche Fülle an begeisternden Gemälden hat allein diese eine französische Malerin geschaffen, eine Künstlerin, von der die meisten Leser vermutlich an dieser Stelle zum ersten mal erfahren - ebenso wie der Verfasser dieser Zeilen selbst erst gestern - durch reinen Zufall - auf ihre herrliche Kunst gestoßen ist. Ihre Gemälde, Portraits und Selbstportraits sind von so viel weiblichem und künstlerischem Selbstbewußtsein getragen. Man erkennt sofort: Eine selbstbewußte, emanzipierte Frau (Abb. 2-4). Und doch zugleich ist in diesen Gemälden so viel Zartheit, so viel Menschlichkeit enthalten, so viel weibliches Mitgefühl. Und wie jung diese Künstlerin war, als sie schon diese herrlichen Gemälde schuf.</p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgk1wSL1yRiwUXAtPKCVgF-9H0Sob6-46aTQwv2EUBquOk-wgBKoNq17WCxufPqyZi_5CphoZy_hZPE92o8ENdflIapLkpO6untZuszkGYk3cOqRlV_UViVNSCrJ0Dr85FWTtk8QsA9WC4C_ee9vJU0Cn1bQDcN0T7YtZLZQ6zdPdBb9fBtTp9nh7fb/s1250/img-202002115e42df79bfc04_ipad.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1250" data-original-width="901" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgk1wSL1yRiwUXAtPKCVgF-9H0Sob6-46aTQwv2EUBquOk-wgBKoNq17WCxufPqyZi_5CphoZy_hZPE92o8ENdflIapLkpO6untZuszkGYk3cOqRlV_UViVNSCrJ0Dr85FWTtk8QsA9WC4C_ee9vJU0Cn1bQDcN0T7YtZLZQ6zdPdBb9fBtTp9nh7fb/w462-h640/img-202002115e42df79bfc04_ipad.jpg" width="462" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 5: Portrait der venezianischen Schriftstellerin Gräfin Isabella Albrizzi-Teotochi (1760-1836) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Isabella_Albrizzi-Teotochi">Wiki</a>), entstanden 1792, gemalt von Élisabeth Vigée-Lebrun in Italien - nach ihrer Flucht aus Frankreich </td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"></p><div style="text-align: justify;"></div><div><p style="text-align: justify;">Man
erkennt sofort: Von diesem weiblichen Selbstbewußtsein war auch die
Königin Luise erfüllt, die im Jahr 1801 in mehreren Porträts zum Gegenstand der Kunst der
Vigée-Lebrun geworden ist. Auch sie war Reformpolitikern, auch sie
gehörte den politisch fortschrittlichen Kräften ihrer Zeit an, auch auf
ihr ruhten die Hoffnungen der Besten ihres Landes und ihres Volkes. Und <span style="color: #990000;"><b>sie war es, die den Plan hegte, Friedrich Schiller zum preußischen Minister zu ernennen</b></span>.
Und just in dieser Zeit starb Friedrich Schiller einen sehr frühen Tod!
Und er erhielt in Jena ein sehr merkwürdiges Begräbnis. Und sein
Schädel wird bis heute mit allem Eifer von der Wissenschaft gesucht.</p><p style="text-align: justify;">Was
für eine Zeit. Was für Schicksale. Unbegriffene Schicksale oder auch nur zum Teil begriffene. Wie viel Glanz, wie viel Schönheit, wie viel strahlende
Selbstsicherheit selbst unter ihren weiblichen Künstlerinnen. Wie
harmlos und selbstbewußt konnten auf den Bildern der Élisabeth Vigée-Lebrun alle Anzeichen weiblicher Schönheit und weiblichen Lebens zur Darstellung kommen?</p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjJIi8eJZJwmLbXkhqiQCGVsuNAElmQUEhYvH7e1fVvFLKmyK8tYBYDscnx4jJQsDVWwZoWUeGwdG6FdnGgci47nIpd4YMe5lC_pdszr8mp1O7SPNgiJHXCnIBpLYVrJP7Y_HfueZoscaim2gB02iIYdXTD7AXvxzmW86QGkfA-wv8-5hO5jjfTcbvl/s1019/Irresolute%20Virtue%20-%20Bilder%20Gem%C3%A4lde%20und%20%C3%96lgem%C3%A4lde-Replikation.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1019" data-original-width="818" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjJIi8eJZJwmLbXkhqiQCGVsuNAElmQUEhYvH7e1fVvFLKmyK8tYBYDscnx4jJQsDVWwZoWUeGwdG6FdnGgci47nIpd4YMe5lC_pdszr8mp1O7SPNgiJHXCnIBpLYVrJP7Y_HfueZoscaim2gB02iIYdXTD7AXvxzmW86QGkfA-wv8-5hO5jjfTcbvl/w514-h640/Irresolute%20Virtue%20-%20Bilder%20Gem%C3%A4lde%20und%20%C3%96lgem%C3%A4lde-Replikation.png" width="514" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 6: "Die unentschlossene Tugend" ("La Vertu Irresolue"), gemalt von Élisabeth Vigée-Lebrun schon 1775, also mit zwanzig Jahren </td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Wer möchte nicht in einer solchen Zeit gelebt haben - oder leben?</p><p style="text-align: justify;">Eine
Zeit, in der der wohlgeformte Busen einer Frau noch der wohlgeformte
Busen einer Frau sein durfte, ohne daß das Anstoß erregte, ohne daß man
durch das Zeigen desselben seine Kultiviertheit verlor (Abb. 5). Ganz so
wie in der Antike. </p><p style="text-align: left;"></p><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjCr1HrVJj86IMWlpQoPHpNiBFtPwIQCx9posDUgF3JwybxT11TC6B8ZvlnYk8wh-AhGmTQwZrDy5NqRXV_ERX1awkXsENy2ZdUH81lNiYamdu8myTlMiHjkMmxSnzGfXd00qdN-uk90DFo4QHQWo6SVSlmJGQ1P5HU9zV2uwveyU8wZ7Qo065nrrV6/s1463/Portrait_of_a_Young_Lady_as_Flora_(%C3%89lisabeth_Louise_Vig%C3%A9e-Lebrun)_-_Nationalmuseum_-_19247.tif.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1463" data-original-width="1200" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjCr1HrVJj86IMWlpQoPHpNiBFtPwIQCx9posDUgF3JwybxT11TC6B8ZvlnYk8wh-AhGmTQwZrDy5NqRXV_ERX1awkXsENy2ZdUH81lNiYamdu8myTlMiHjkMmxSnzGfXd00qdN-uk90DFo4QHQWo6SVSlmJGQ1P5HU9zV2uwveyU8wZ7Qo065nrrV6/w524-h640/Portrait_of_a_Young_Lady_as_Flora_(%C3%89lisabeth_Louise_Vig%C3%A9e-Lebrun)_-_Nationalmuseum_-_19247.tif.jpg" width="524" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 7: Portrait einer jungen Dame als Flora, gemalt von Élisabeth Vigée-Lebrun </td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;">Eine Zeit, in der eine Frau, die in Bezug auf ihre Tugendhaftigkeit nicht so recht weiß, was sie will oder wollen sollte, so außerordenlich weiblich
und mitfühlsam dargestellt werden konnte (Titel "La Vertu Irresolue", das heißt "Die unentschlossene Tugend", Abb. 6). Wie so außerordentlich
menschlich dieses Zeitalter. Wie so außerordentlich fern aller
Bigotterie.</p><p></p><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhA3xvAKEQowXOoYvI7P-9TDZus1KHysZ3qyELCKCnBEdiDQVL7ufQZ61z2VAVanrsbFRqSWev-42R99E7T9qO5wqQ2RzM96Vk0Cae_ny1z_skSbGy45KC3w6fLxO9N_I3EOmXOqLLBj2zLYIbB5bSqWA1QQMoAaHVOC1o7rQ5cYI_cj_HL-01PG8XO/s1024/289774481_5e354bec1c_b.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1024" data-original-width="768" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhA3xvAKEQowXOoYvI7P-9TDZus1KHysZ3qyELCKCnBEdiDQVL7ufQZ61z2VAVanrsbFRqSWev-42R99E7T9qO5wqQ2RzM96Vk0Cae_ny1z_skSbGy45KC3w6fLxO9N_I3EOmXOqLLBj2zLYIbB5bSqWA1QQMoAaHVOC1o7rQ5cYI_cj_HL-01PG8XO/w480-h640/289774481_5e354bec1c_b.jpg" width="480" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 8: Portrait der Sophie von Trott als Bacchantin, gemalt Élisabeth Vigée-Lebrun (1785)</td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;">Eine Zeit, in der sich Frauen als Bacchantinnen portraitieren lassen konnten (Abb. 8). </p><p style="text-align: justify;">Und so führt der Weg der Suche nach der Wahrheit und der Freiheit in letzter Instanz immer wieder zurück zur Entdeckung der Schönheit und der Liebe. </p><p style="text-align: justify;">Welches Zeitalter sollte uns das eher bezeugen können als das Zeitalter der "Republic of letters" und als das Zeitalter einer Künstlerin wie Élisabeth Vigée-Lebrun. </p><p></p><p style="text-align: justify;">_____________</p><ol style="text-align: justify;"><li>Jorge Cañizares-Esguerra: Rethinking the “Western” revolution in science. Rez. von James Poskett's "Horizons: The Global Origins of Modern Science" (Mariner Books, 2022. 464 pp) In: Science, 28 Apr 2022, Vol 376, Issue 6592, p. 467, DOI: 10.1126/science.abo5229, <a href="https://www.science.org/doi/abs/10.1126/science.abo5229">https://www.science.org/doi/abs/10.1126/science.abo5229</a> <br /></li></ol></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-69562983264793265092022-01-11T05:33:00.052+01:002023-04-29T16:47:53.782+02:00Gott, du bist groß<div><div style="text-align: justify;"><b><b>Besinnung für Desillusionierte, Enthemmte und Verzweifelte</b> <br /></b></div><div style="text-align: justify;"><b> An einem Ort, wo wir "schweigen" und "gehen, gerüsteter" <br /></b></div><p style="text-align: justify;">Es dürfte viel Sinn machen, sich damit abzufinden, daß wir in Ausnahmezeiten leben, daß uns echtes Glück nicht beschieden sein kann, daß wir in Zeiten leben, in denen das Schopenhauer-Wort gilt "Ein glückliches Leben ist unmöglich: Das Höchste, was der Mensch erlangen kann, ist ein heroischer Lebenslauf." Und in denen das Rilke-Wort gilt: "Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles."</p><p style="text-align: center;">***<br /></p><p style="text-align: justify;">"Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles" - - - ? Woher stammt dieses Wort? Es ist das letzte Wort eines sehr langen Gedichtes. Eines Gedichtes, das "Requiem" heißt. Wer kennt heutzutage noch solche Dichtungen. Wir selbst jedenfalls nicht (1). Aus welchen Lebenszusammenhängen heraus mag Rilke dieses kurze - unsterbliche - Wort gedichtet haben? </p><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEjZ2ShB3oFbydanEkNMuNk1U6yrvBNhvQ_gqHtw_-kPedmBCZaXCjtoWRaN86BNmBIlseNneWt9y8PiXVp2xv5Xz5iHHIITboVX-ORJrVkH4yhv75RO9PqpY3YdsHWfMOACtAjW0kZIZwlpfQAdnLqCS9NwG3KNiwhsqncVpScGVLCN6zP6JTzzo6FQcg=s900" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="900" data-original-width="607" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEjZ2ShB3oFbydanEkNMuNk1U6yrvBNhvQ_gqHtw_-kPedmBCZaXCjtoWRaN86BNmBIlseNneWt9y8PiXVp2xv5Xz5iHHIITboVX-ORJrVkH4yhv75RO9PqpY3YdsHWfMOACtAjW0kZIZwlpfQAdnLqCS9NwG3KNiwhsqncVpScGVLCN6zP6JTzzo6FQcg=s320" width="216" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Das Gedicht "Requiem" ist offenbar - gemeinsam mit zwei anderen - 1919 das erste mal veröffentlicht worden<br /></td></tr></tbody></table><div style="text-align: justify;"><p>Das Gedicht "Requiem" ist 1908 entstanden. Es entstand, nachdem die nachgelassenen Gedichte von Wolf Graf von Kalckreuth (1887-1906) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_von_Kalckreuth">Wiki</a>) erschienen waren, eines jungen Dichters, der sich zwei Jahre zuvor mit 19 Jahren das Leben genommen hatte (2). Und zwar am Beginn seiner Militärzeit, ein Umstand, der auf Rilke noch einmal besonders gewirkt haben mag. Hatte doch auch Rilke selbst an seiner eigenen Militärzeit in seiner Jugend Zeit seines Lebens schwer gelitten. Während des Ersten Weltkrieges, als er erneut eingezogen wurde, erneut.</p></div></div><div><p></p><p style="text-align: justify;">Wie sehr Rilke die Gedichte von Wolf von Kalckreuth schätzte, sollte noch 16 Jahre später deutlich werden. Der Hölderlin- und Goethe-Forscher Karl Viëtor (1892-1951) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Vi%C3%ABtor">Wiki</a>) (3), der gerade seine Habilitation über die Geschichte der deutschen Ode beendet hatte, wollte eine Anthologie von Sonetten heraus geben. Viëtor schrieb 1924 an Rilke, um die Erlaubnis für einen Nachdruck von Sonetten Rilke's zu erlangen. Rilke gab diese. Er wies aber zugleich - und wie wir meinen: sehr vornehm - auf diese nachgelassenen Gedichte des Wolf von Kalckreuth hin (4, S. 876f):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Es sind außerordentlich schöne Sonette darunter .... Diese Frühvollendeten, die man so rasch vergißt, wären ja, mehr als andere, am Platz in einer solchen Auswahl.<br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">1926 ist diese Anthologie dann erschienen (5). Unsere Absicht ist nicht, an dieser Stelle zu ermüden. Wir bringen aus dem längeren Gedicht "Requiem" von Rilke nur einige kurze Auszüge, um die Art deutlich zu machen, in der sich Rilke hier zum Ausdruck bringt, um die Gedanken deutlich zu machen, die ihn umtreiben. Nach zwei längeren ersten Absätzen beginnt der nächste mit den Worten:</p><div style="text-align: left;"></div><blockquote><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>O dieser Schlag, wie geht er durch das Weltall, </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>wenn irgendwo vom harten scharfen Zugwind </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>der Ungeduld ein Offenes ins Schloß fällt.</b></span> </div></blockquote><p style="text-align: justify;">Dann folgt ein Absatz, der mit den Worten beginnt: "Daß du zerstört hast". Diese Worte werden einige Zeilen später ein weiteres mal aufgegriffen: <br /></p><p></p><blockquote><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>Daß du zerstört hast. Blöcke lagen da, </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>und in der Luft um sie war schon der Rhythmus </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>von einem Bauwerk, kaum mehr zu verhalten; </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>du gingst herum und sahst nicht ihre Ordnung ...</b></span><br /></div></blockquote><p>... Daß du zerstört hast. <br /></p><h2 style="text-align: left;"><i>"... Wäre einer dir begegnet ..."</i> <br /></h2><p>Und einige Zeilen später heißt es: <br /></p><blockquote><div style="text-align: left;"> <span style="color: #073763;"><b> ... wäre einer, der </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>beschäftigt war, im Innersten beschäftigt, </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>dir still begegnet, da du stumm hinausgingst, </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>die Tat zu tun -; ja hätte nur dein Weg </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>vorbeigeführt an einer wachen Werkstatt, </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>wo Männer hämmern, wo der Tag sich schlicht </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>verwirklicht ...</b></span></div></blockquote><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">In den weiteren Zeilen wird deutlich, daß Rilke eine klare Vorstellung hatte davon, wie sich der Dichter der Sprache und der Worte würde annehmen müssen. Viele Dichter wären beim Dichten zu wehleidig ...</p><div style="text-align: left;"></div><blockquote><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>... statt hart sich in die Worte zu verwandeln, </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>wie sich der Steinmetz einer Kathedrale </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>verbissen umsetzt in des Steines Gleichmut.</b></span> </div></blockquote><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Es war dieser Selbstmord nicht das einzige Ereignis, das Rilke Anlaß gab, sich über den drohenden Selbstmord des Künstlers oder auch nur: seiner Kunst Gedanken zu machen.</p><p style="text-align: justify;">Ähnliche Dinge beschäftigten ihn schon seit 1899, seit dem Jahr, in dem Tolstoi seine Schrift "Über moderne Kunst" herausgegeben hatte. In dieser Schrift war einem Pessimismus in Bezug auf die Bedeutung des Schaffens von Kunst und Kultur Ausdruck gegeben worden, der am Ende sogar in die völlige Ablehnung künstlerischen Schaffens mündete, der am Ende sogar der Musik Beethovens mit Ablehnung gegenüberstand. Diese Schrift war gewiß eine andere Art von "Zuflucht" eines Verzweifelten, eine andere Art von Selbstmord. So ähnlich hat es zumindest Rilke gesehen. Rilke stand dieser Haltung das alternden Tolstoi, dieser Verleugnung seines vorherigen Strebens als Künstler in schroffer Ablehnung gegenüber.*)</p><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEgAAo19dkvQ_XBc3O15ERqiFUWBU84c6r9N0YK9C4zYANQEZtU7QqoNBgmZeIL9sH3YCbUrUN0wr78Kw8cgiQJFdjipsmxR3APcbg5mYjoiHOw26fEjMWwOwk6g3mmRsx4bGYwCrJcB05SLEiNqWvcpeLtn4_1tfIhE6aQsJ4-W2ilmGRGwhSccG1MrCQ=s2697" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="2017" data-original-width="2697" height="478" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEgAAo19dkvQ_XBc3O15ERqiFUWBU84c6r9N0YK9C4zYANQEZtU7QqoNBgmZeIL9sH3YCbUrUN0wr78Kw8cgiQJFdjipsmxR3APcbg5mYjoiHOw26fEjMWwOwk6g3mmRsx4bGYwCrJcB05SLEiNqWvcpeLtn4_1tfIhE6aQsJ4-W2ilmGRGwhSccG1MrCQ=w640-h478" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><b>"Blöcke lagen da ..."</b> ²)</td></tr></tbody></table></div><div style="text-align: justify;"><p>Man möchte sagen, daß Rilke ein Heroe im Sinne des eingangs angeführten Schopenhauer-Zitates war. Rilke hat ausgehalten. Rilke hat sich - - - hingehalten. Ihn in diesem Sinne ein Vorbild zu nennen, wäre zu wenig. Und wie sehr werden wir bei diesem Gedicht von Rilke erinnert an jenes andere Bild eines Dichters, an Hölderlin's "Dichtermut" ...</p></div><p></p><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;">... Wenn die Woge denn auch einen der Mutigen,</div><div style="text-align: justify;"> Wo er getreulich getraut, schmeichelnd hinunterzieht,</div><div style="text-align: justify;"> Und die Stimme des Sängers</div><div style="text-align: justify;"> Nun in blauender Halle schweigt ... </div></blockquote><div style="text-align: justify;"></div><div style="text-align: justify;"><p>Denn es kommt ja nun schon öfter vor, daß Kulturschaffende an dem, was zu schaffen ist, zugrunde gehen. Hölderlin:</p><div></div><blockquote><div>... Freudig starb er und noch klagen die Einsamen,</div><div> Seine Haine, den Fall ihres Geliebtesten;</div><div> Öfters tönet der Jungfrau</div><div> Vom Gezweige sein freundlich Lied.</div><div> </div><div>Wenn des Abends vorbei Einer der Unsern kommt,</div><div> Wo der Bruder ihm sank, denket er manches wohl</div><div> An der warnenden Stelle,</div><div> Schweigt und gehet gerüsteter. </div></blockquote><div></div><p>So mag anhand solcher Worte und Dichtungen in uns eine Ahnung wachsen: Hier liegen Aufgaben. Hier liegen Taten, Taten, die nicht getan sind. Hier liegen Bewährungen. </p><p>Nicht dem Tod anheim fallen, der uns überall umgibt. Keine andere Aufgabe als diese.<br /></p><p>Hatte nicht zu Hölderlins Zeiten jener Heinrich von Kleist sich das Leben genommen? Ein Tod, der schon damals in Dichterkreisen Unruhe auslöste? In Berlin, am Wannsee? "An warnender Stelle", wo andere - - - "schweigen" und "gehen, gerüsteter"?<br /></p><p> Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles. </p><h2><i>"Wo Männer hämmern"</i> <br /></h2></div><p style="text-align: justify;">Aber wir waren mit dem Lesen des Gedichtes "Requiem" von Rilke noch gar nicht zu Ende, in dem wir schon bis hier so viel gefunden hatten. Er spricht immer noch von dem Blick "in Werkstätten, wo Männer hämmern":</p><div style="text-align: left;"></div><blockquote><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>Dies war die Rettung. Hättest du nur ein Mal </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>gesehn, wie Schicksal in die Verse eingeht </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>und nicht zurückkommt, wie es drinnen Bild wird </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>und nichts als Bild ....</b></span></div></blockquote><p style="text-align: justify;">Ein Dichter, der zum gültigen Schaffen fähig ist, spricht vom Dichten: Selbstmord soll Bild bleiben. Ein Bild, das hart in Stein zu meißeln wäre. In Worte. In ein Bild der Dichtung. Als eine Warnung. Aber: Nicht Tat. Bild. Ein Bild, über das zu sagen wäre:</p><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;"> <span style="color: #073763;"><b> ... Mir ist das Herz</b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #073763;"><b>so schwer von dir wie von zu schwerem Anfang,</b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #073763;"><b>den man hinausschiebt. ...</b></span><br /></div></blockquote><p style="text-align: justify;">Und nun noch die Schlußzeilen dieser Dichtung:</p><div style="text-align: left;"></div><blockquote><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>Die großen Worte aus den Zeiten, da </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b>Geschehn noch sichtbar war, sind nicht für uns. </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="color: #073763;"><b><span><span><span><span>Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles.</span></span></span> </span></b></span> </div></blockquote><p style="text-align: justify;">Und würde gerade eine Symphonie gespielt, müßte an dieser Stelle das gesamte Orchester schweigen ....</p><h2 style="text-align: justify;"><i>"Werkleute sind wir"</i><br /></h2><p style="text-align: justify;">... Bis dann leise wieder eine Geige einsetzt und noch eine und noch eine ...:</p><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;">Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,</div><div style="text-align: justify;">und bauen dich, du hohes Mittelschiff.</div><div style="text-align: justify;">Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,</div><div style="text-align: justify;">geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister</div><div style="text-align: justify;">und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wir steigen in die wiegenden Gerüste,</div><div style="text-align: justify;">in unsern Händen hängt der Hammer schwer,</div><div style="text-align: justify;">bis eine Stunde uns die Stirnen küßte, </div><div style="text-align: justify;">die strahlend und als ob sie Alles wüßte</div><div style="text-align: justify;">von dir kommt, wie der Wind vom Meer.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern</div><div style="text-align: justify;">und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.</div><div style="text-align: justify;">Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:</div><div style="text-align: justify;">Und deine kommenden Konturen dämmern.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Gott, du bist groß</div></blockquote><div style="text-align: justify;"><br /></div><p style="text-align: justify;"><br /></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEjO1t7d7FmZBhL5zpEMS66beZFGL1JSEUunRY6tQD8oPOI4vQwwunSMJ9JjK6YPQttAXGJwHEpgkDG9sqjGoRWVZXXxMQK6eTxRUVOyvdueKmQsZlFLGeQnms4BcdBKU2jFuhL-O4QF_5RDOFcG7L2DLiu4gMA3oZxtwycOajR0zSfdp-aPtt3RHHOq6w=s900" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="900" data-original-width="600" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEjO1t7d7FmZBhL5zpEMS66beZFGL1JSEUunRY6tQD8oPOI4vQwwunSMJ9JjK6YPQttAXGJwHEpgkDG9sqjGoRWVZXXxMQK6eTxRUVOyvdueKmQsZlFLGeQnms4BcdBKU2jFuhL-O4QF_5RDOFcG7L2DLiu4gMA3oZxtwycOajR0zSfdp-aPtt3RHHOq6w=w426-h640" width="426" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><b>"... deine kommenden Konturen ..." </b>³)<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;">Das eingangs angeführte Gedicht von Rilke ist 1908 in Paris entstanden. Das war in der Zeit, in der er - neben der Werkstatt Rodin's - als dessen Sekretär arbeitete. Er arbeitete also neben einer Werkstatt, wo "Blöcke" lagen.</p><p style="text-align: justify;">Aber was bei diesem Bild von Werkstätten und Hämmern außerdem noch nachklingt, das sind diese anderen Worte, jene Worte, die wir zuletzt angeführt hatten: ... "Werkleute sind wir ...." </p><p style="text-align: justify;">Auch sie stammen von Rilke. Schon 1899 waren sie entstanden ....</p><p style="text-align: justify;">***</p><p style="text-align: justify;">Wer möchte Zweifel haben, daß Rilke Worte dichten konnte - - - als wären sie in Stein gemeißelt. Als müßten sie so - und nicht anders - da stehen. Als könnte jedes Wort nur an dieser einzigen Stelle stehen - und nirgendwo anders. Und als müßte der "Steinmetz", während er sie meißelt "sich verbissen umsetzen in des Steines Gleichmut".<br /></p><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Und was sagt er? Die großen Zeiten sind nicht für uns. Hör auf, lüstern nach "großen Zeiten" zu spähen. Hör auf, dich für besser, gediegener, überlegter und überlegener zu halten als du bist. Arbeite. Verbeiße dich. </p><p>_________ <br /></p><div style="text-align: justify;">*) Tolstoi's Schrift "Über moderne Kunst" von 1899 lag ihm lange Jahre lang quer im Magen und dieser Umstand stand auch im Hintergrund seiner beiden persönlichen Begegnungen mit Tolstoi 1899 und 1900. 1924 schließlich, nachdem Rilke seine eigenen
"Duineser Elegien" geschaffen hatte, sein eigenes Hauptwerk, nannte er Tolstoi's Schrift "die schmähliche
und törichte Broschüre" (6). </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">___________ <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">²) Blick in den Innenhof der Dombauhütte des Kölner Doms (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:K%C3%B6lner_Dom,_Dombauh%C3%BCtte_1.jpg">Wiki</a>) (Symboldbild)</div><div style="text-align: justify;">³) Nordturm des Kölner Domes mit Gerüst (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:K%C3%B6lner_Dom_-_Ger%C3%BCstbau_Nordturm_-5066.jpg">Wiki</a>) (Symboldbild) </div><p>___________________</p><ol style="text-align: justify;"><li>Rilke, Rainer Maria: Requiem. Insel-Verlag 1919, <a href="https://de.wikisource.org/wiki/Requiem_(Rainer_Maria_Rilke):Seite_25">https://de.wikisource.org/wiki/Requiem_(Rainer_Maria_Rilke):Seite_25</a> (auch: <a href="http://www.rilke.de/gedichte/fuer_wolf_graf_von_kalckreuth.htm">Rilke.de</a>)</li><li>Wolf Graf von Kalckreuth: Gedichte. Insel-Verlag, Leipzig 1908, <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/kalckreu/gedichte/motto.html">https://www.projekt-gutenberg.org/kalckreu/gedichte/motto.html</a> <br /></li><li>Zelle, Carsten, "Viëtor, Karl" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 802-803 [Online-Version]; URL: <a href="https://www.deutsche-biographie.de/pnd117416002.html#ndbcontent">https://www.deutsche-biographie.de/pnd117416002.html#ndbcontent</a> </li><li>Schnack, Ingeborg: Rilke-Chronik. Rainer Maria Rilke - Chronik seines
Lebens und seines Werkes 1875-1926, Insel-Verlag, Frankfurt/M. 2009 <br /></li><li>Deutsche Sonette aus vier Jahrhunderten. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Karl Viëtor, Euphorion Verlag, Berlin 1926 <br /></li><li>"Meine geheimnisvolle Heimat" - Rilke und Rußland. Hrsg. von Thomas Schmidt. Insel Taschenbuch 2020</li></ol><div style="text-align: justify;">
</div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-37537253169450314222021-12-21T17:29:00.003+01:002022-10-28T06:14:35.516+02:00Maria Stuart<p class="hcukyx3x oygrvhab cxmmr5t8 kvgmc6g5 bstw73uy" dir="ltr"><span data-outline-text="true"></span>𝐈<br /><br /><span data-outline-text="true">Das war ein lustiges Leben</span><br /><span data-outline-text="true">Im Königsschloß der Touraine,</span><br /><span data-outline-text="true">Auf weißen Mamorstufen</span><br /><span data-outline-text="true">Ein ewiges Kommen und gehn.</span></p><p class="hcukyx3x oygrvhab cxmmr5t8 kvgmc6g5 bstw73uy" dir="ltr"><span data-outline-text="true"></span></p><span data-outline-text="true">Im Park bei den Platanen</span><br /><span data-outline-text="true">Ging lachend die Dauphine,</span><br /><span data-outline-text="true">Alle Vögel sangen lauter,</span><br /><span data-outline-text="true">Wo die schöne Marie erschien.</span><br /><br /><span data-outline-text="true"><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhq2y9t99-Na5bZXJRGB9hEEiFQUo_qIaSPRzbUvCZKD6X9OUdMAeMSUMQVwNPDX4zFT8cKO-Fwy7kGS-3WfL4eDBT7REiESWSvp2QOvcoOR5qQLLQRb3zQ6Vbay0XPFl_Llh5eZod5xP7O7AxMrw0sU4zzhxrtpl7NtDczy1NKx8lFVRMpCcRw6xta7Q/s614/Chateau_chenonceau_fr.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="461" data-original-width="614" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhq2y9t99-Na5bZXJRGB9hEEiFQUo_qIaSPRzbUvCZKD6X9OUdMAeMSUMQVwNPDX4zFT8cKO-Fwy7kGS-3WfL4eDBT7REiESWSvp2QOvcoOR5qQLLQRb3zQ6Vbay0XPFl_Llh5eZod5xP7O7AxMrw0sU4zzhxrtpl7NtDczy1NKx8lFVRMpCcRw6xta7Q/w400-h300/Chateau_chenonceau_fr.jpg" width="400" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb.: Schloß Chenonceau (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chateau_chenonceau_fr.jpg">Wiki</a>)<br /></td></tr></tbody></table>Ihre jungen vier Marien</span><br /><span data-outline-text="true">Gingen der Fürstin zur Seit',</span><br /><span data-outline-text="true">Sie trugen die Purpurschleppe</span><br /><span data-outline-text="true">An ihrem Sammetkleid.</span><br /><br /><span data-outline-text="true">Sie hatten so weiße Hände,</span><br /><span data-outline-text="true">So schmale, die vier Marien,</span><br /><span data-outline-text="true">Doch weißer waren und schmäler</span><br /><span data-outline-text="true">Die Hände der Dauphine.</span><br /><br /><span data-outline-text="true">Es lachten die vier Marien</span><br /><span data-outline-text="true">Hell in den Frühlingswind,</span><br /><span data-outline-text="true">Heller lachte und süßer</span><br /><span data-outline-text="true">Alt-Schottlands Königskind.</span><br /><br /><span data-outline-text="true">Die Lippen der vier Marien</span><br /><span data-outline-text="true">Waren zum Küssen gut,</span><br /><span data-outline-text="true">Marie Stuarts stolze Lippen</span><br /><span data-outline-text="true">Brannten so rot wie Blut ...</span><br /><br /><span data-outline-text="true">Die Büsche und die Bäume </span><br /><span data-outline-text="true">Im Schloßpark der Touraine</span><br /><span data-outline-text="true">Gedenken jener Tage,</span><br /><span data-outline-text="true">Wenn die Frühlingswinde wehn.</span><br /><br /><span data-outline-text="true">Die Marmorfließen sprechen,</span><br /><span data-outline-text="true">Wenn die Wolken vorüberfliehn:</span><br /><span data-outline-text="true">"Hier wiegte sich einst im Tanze</span><br /><span data-outline-text="true">Der schmale Fuß der Dauphine."</span><br /><br /><span data-outline-text="true">Sie ritt mit den vier Marien</span><br /><span data-outline-text="true">Zur Jagd auf tanzendem Roß;</span><br /><span data-outline-text="true">Ihr schottisches Plaid flog im Winde,</span><br /><span data-outline-text="true">Ihre Knie waren weiß und bloß ...</span><p></p><p class="hcukyx3x oygrvhab cxmmr5t8 kvgmc6g5 bstw73uy" dir="ltr"><span data-outline-text="true"> </span></p><div data-contents="true"><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="ald5r-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="ald5r-0-0"><span data-offset-key="ald5r-0-0"><span data-text="true">𝐈𝐈</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="9fv3h-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="9fv3h-0-0"><span data-offset-key="9fv3h-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="ftk4h-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="ftk4h-0-0"><span data-offset-key="ftk4h-0-0"><span data-text="true">"Lady Stuart, es geht in den bitteren Tod,</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="bbk8k-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="bbk8k-0-0"><span data-offset-key="bbk8k-0-0"><span data-text="true">Mylady, was brennt euer Mund so rot?"</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="7m4sl-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7m4sl-0-0"><span data-offset-key="7m4sl-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="bpgdk-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="bpgdk-0-0"><span data-offset-key="bpgdk-0-0"><span data-text="true">"Wohl seh' ich den schwarz verhangenen Saal,</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="5eakh-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="5eakh-0-0"><span data-offset-key="5eakh-0-0"><span data-text="true">Meine Stirn und Wangen sind weiß und fahl,</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="2u2ni-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="2u2ni-0-0"><span data-offset-key="2u2ni-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="o3fp-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="o3fp-0-0"><span data-offset-key="o3fp-0-0"><span data-text="true">Doch mein Mund glüht rot, wie zu jener Zeit,</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="6apk2-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="6apk2-0-0"><span data-offset-key="6apk2-0-0"><span data-text="true">Da ich den schönen Bothwell gefreit.</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="bnt2s-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="bnt2s-0-0"><span data-offset-key="bnt2s-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="64imk-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="64imk-0-0"><span data-offset-key="64imk-0-0"><span data-text="true">Noch einmal an meines Lebens Rand</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="dckp3-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="dckp3-0-0"><span data-offset-key="dckp3-0-0"><span data-text="true">Wie von heimlichen Küssen bebt meine Hand.</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="bfip4-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="bfip4-0-0"><span data-offset-key="bfip4-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="7eh98-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7eh98-0-0"><span data-offset-key="7eh98-0-0"><span data-text="true">Im Ohre liegt mir der Laute Schlag,</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="d63pf-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="d63pf-0-0"><span data-offset-key="d63pf-0-0"><span data-text="true">Die Rizzio spielte vor manchem Tag.</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="c4n8-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="c4n8-0-0"><span data-offset-key="c4n8-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="2bbuk-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="2bbuk-0-0"><span data-offset-key="2bbuk-0-0"><span data-text="true">Ich weiß, daß der Herr meine Sünden vergibt,</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="ek0ln-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="dj900-0-0"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true">Denn ich liebte, wie nur eine Stuart liebt!"</span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="dj900-0-0"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="dj900-0-0" style="margin-left: 200px; text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true">Agnes Miegel</span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="dj900-0-0" style="margin-left: 200px; text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"></span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="ema9b" data-offset-key="bmskd-0-0" style="margin-left: 200px; text-align: left;"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="bmskd-0-0"><span data-offset-key="eltko-0-0"><span data-text="true">(1879-1964)</span></span><span data-offset-key="bmskd-0-0"></span></div></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="eltko-0-0" style="margin-left: 200px; text-align: left;"><span data-offset-key="eltko-0-0"><span data-text="true"></span></span><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true">entstanden vor 1903</span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="eltko-0-0" style="margin-left: 200px; text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="eltko-0-0" style="text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="eltko-0-0" style="text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="eltko-0-0" style="text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="eltko-0-0" style="text-align: left;"><span data-offset-key="dj900-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div> <br /></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-82698820955400626302021-11-22T20:08:00.004+01:002023-09-01T07:02:04.156+02:00Ein neuer Brief von Rainer Maria Rilke ist bekannt geworden<div style="text-align: justify;"><p><b>Aus diesem Anlaß ein paar Einblicke in das Leben von Rainer Maria Rilke auch sonst</b><br /></p><p>Immer wieder tut es gut, den Weg zu den Dichtungen, den Schriften oder den Briefen von Rainer Maria Rilke (1875-1926) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Maria_Rilke">Wiki</a>) zu finden. Man ist hier in einer Welt zu Hause, in der es nur Gehalt, nur Wertvolles, nur ernsthaftes Bemühen gibt, nie Oberflächlichkeit, nie Seichtheit. Wie selten! </p></div><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-1hchbYSs444/X1RdCJPxqKI/AAAAAAAAY60/PJ9z5ObQA-oton0QdfkG8VAcxecHg4oBQCLcBGAsYHQ/s592/Screenshot_2020-09-06%2BHGK_A4_kom%2Bpdf.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="592" data-original-width="470" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-1hchbYSs444/X1RdCJPxqKI/AAAAAAAAY60/PJ9z5ObQA-oton0QdfkG8VAcxecHg4oBQCLcBGAsYHQ/w510-h640/Screenshot_2020-09-06%2BHGK_A4_kom%2Bpdf.png" title="Rilke als Sekretär Rodins (Aufnahme von Kessler)" width="510" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Rainer Maria Rilke im Palais Biron*), Paris 1908 - als Sekretär Rodins aufgenommen von Harry Graf Kessler (<a href="https://harry-graf-kessler-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2019/11/HGK_A4_kom.pdf">pdf</a>)</td></tr>
</tbody></table>
<div style="text-align: justify;"><p>Das geistige Erbe von Rainer Maria Rilke bietet ohne Frage Orientierung. Es lenkt den Blick auf das Wesentliche. Wohin immer man bei ihm schaut, ist dies der Fall.</p><p>In seinem geistigen Erbe findet sich eine solche Fülle von Themen, daß der Nachgeborene leicht den Überblick verliert. <br /></p><h3>Rilke-Chronik</h3><p>Unter diesen Umständen ist die sogenannte "Rilke-Chronik" sehr hilfreich (1). Sie kann als ein Zugang zu seinem Werk und seinem Leben erlebt werden, der immer wieder gerne begangen wird. Natürlich neben
Gedicht-Sammlungen, die ja für sich sprechen.</p><p>Mit
diesem sachlichen, nüchternen, oft taggenauen Abriß, in dem immer
wieder Auszüge aus Briefen gebracht werden, erhält man eine Ahnung von
seinem Leben, von seinen Lebensinhalten, von seiner Lebenshaltung. Eine
Lektüre in dieser "Rilke-Chronik" - und seien es nur wenige Seiten am Tag
- legt man selten ohne Gewinn aus der Hand. Auf jeder Seite dieser
dickleibigen "Chronik" ist Wesentliches enthalten, findet sich Wesentliches. </p><p>Rilke gelang es, so entsteht der Eindruck, ein Leben zu führen,
das Unwesentlichem keinen Raum ließ, bzw. in dem Unwesentliches immer wieder auf sein notwendiges Mindestmaß beschränkt worden ist.</p><h3>Rußland<br /></h3><p>In seinen Werdejahren
ist Rainer Maria Rilke zwei mal nach Rußland gereist. Dies geschah
einmal im Jahr 1899 für zwei Monate und ein zweites mal im Jahr 1900
für vier Monate. Da über das ganze Lebenswerk von Rilke immer wieder verstreut von diesem "Rußland-Erlebnis" die Rede ist, ist es gut, wenn man Rilkes Lebenszeugnisse zu diesem Thema einmal in einem Band zusammen gestellt findet (2). Auch eine Lektüre dieses Bandes legt man selten aus der Hand ohne Gewinn gehabt zu haben.</p><p>Diese beiden Rußland-Reisen waren sicherlich eine wichtige
Zäsur in seinem Leben. Vielleicht kann gesagt werden, daß mit ihnen sich
der Gehalt im Leben von Rilke deutlich vertiefte. Bei der zweiten Reise
machte Rilke auch eine Schiffsreise auf der Wolga. Das Urteil der
Nachwelt läßt keine Zweifel aufkommen (2):</p><blockquote><p>Diese Reisen stellen eine
der wirkmächtigsten Auslandserfahrungen der deutschen
Literaturgeschichte dar. Sie lösten einen bedeutenden Kulturtransfer
zwischen Ost und West aus.<br /></p></blockquote><p>Diese Wirkungsmächtigkeit ergibt
sich aus dem Umstand, daß Rilke sich unverstellt auf "das Russische", auf die
russische Welt, auf den russischen Menschen, auf die russische Landschaft, auf die russischen Märchen, auf die russische bildende Kunst, auf die russische Literatur einstellte. Wie oft möchte man all das, was man da erwähnt findet, noch jeweils selbst für sich vertiefen.<br /></p><h3>Tolstoi <br /></h3><p>Greifen wir da nur ein Thema heraus. Einer der Schwerpunkte seiner Auseinandersetzung mit Rußland bildet - über sein Leben seit 1899 hinweg verstreut - seine wiederkehrende Auseinandersetzung mit Nikolai Tolstoi. Rilkes Interpretation der Lebensproblematik von Tolstoi wird sicherlich nicht jedem bekannt sein. Rilke hatte ja Tolstoi zwei mal sogar persönlich getroffen (1899 und 1900). Und er hat dieses Zusammentreffen im Laufe seines Lebens immer einmal wieder im Licht neuer Deutungen gesehen. Schon bald danach verstand Rilke, daß Tolstoi <span style="color: #660000;"><b>viele Jahre seines Lebens mit der Anstrengung zugebracht hat, seiner eigenen Begabung als Künstler auszuweichen</b></span>.</p><p>Er habe das dadurch getan, daß er alles mögliche <i>andere</i> versucht habe als Künstler zu sein und dabei seiner Begabung gerecht zu werden. Er habe versucht, Bauer zu sein, Handwerker zu sein, er habe also insbesondere das "einfache Leben" gesucht. <span style="color: #073763;"><b>Zum Schluß hat sich Tolstoi sogar gegen einen großen Teil der Kunst überhaupt ausgesprochen.</b></span> In Tolstoi's Schrift "Über moderne Kunst" aus dem Jahr 1899 wird zum Beispiel eine Ablehnung der 9. Sinfonie von Beethoven zum Ausdruck gebracht. Ist darin nicht schon eine Vorahnung von "kulturlosem Bolschewismus" zu erkennen? Rilke bezeichnete diese Schrift Tolstois - aber erst am Ende seines eigenes Lebens - einfach nur noch als das, was sie wohl tatsächlich war, nämlich als eine flache Dummheit. Im Oktober 1924, also nach Vollendung seines eigenen Hauptwerkes, der Duineser Elegien nannte sie Rilke nun erstmals sehr entschieden und ohne alle Entschuldigung: <span style="color: #073763;"><b>"die schmähliche und törichte Broschüre"</b></span> (2, S. 366).</p><p>Vielleicht sollten wir einfach auch heute uns mehr bemühen, die Irrtümer Tolstoi's zu vermeiden, die wir selbst - natürlich - unbewußter begehen als Tolstoi sie begangen hat. Es kann einem fast so vorkommen, als ob ein Volk, in dem der bedeutendste Schriftsteller die eigene künstlerische Tätigkeit von sich aus so stark infrage stellt wie das Tolstoi getan hat, solchen Revolutionen wie denen von 1917 und 1918 kaum noch etwas entgegenzustellen hat.<br /></p><p>Insgesamt war Rilke mit dem Thema Rußland innerlich so sehr beschäftigt, daß er auch noch ein
drittes mal nach Rußland reisen wollte. Da aber kam ihm eine neue
Erfahrung "dazwischen": Worpswede. </p><div style="text-align: center;">
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/_VgVDT53WQh0/RvJm88Yyp4I/AAAAAAAAA64/3HsMEg4GNNI/s1600-h/worpswede13.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img alt="" border="0" height="640" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5112261724207228802" src="https://2.bp.blogspot.com/_VgVDT53WQh0/RvJm88Yyp4I/AAAAAAAAA64/3HsMEg4GNNI/s640/worpswede13.jpg" style="display: block; margin: 0px auto 10px; text-align: center;" width="489" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Fritz Mackensen - <i>"Der Säugling"</i>, 1892</td></tr></tbody></table></div><h3>Worpswede <br /></h3><p>Damit ist gemeint: Die Künstlerkolonie
Worpswede. Im Herbst des Jahres 1900 kam Rilke nach Worpswede. Im
Frühjahr 1901 heiratete er dort die Bildhauerin Clara Westhoff. Im
Dezember wurde ihre gemeinsame Tochter Ruth geboren. In dieser Zeit
schrieb Rilke seine Monographie "Worpswede" (3).<br /></p><p>Dieses Buch ist
von den
Rilke-Kennern bis heute in seiner Bedeutung nicht ausreichend gewürdigt
worden (3, S. 270ff). 2003 widmete die Kunsthalle Bremen diesem Buch
eine eigene Ausstellung. Das Buch Rilkes selbst gab sie dabei neu heraus
(3). Der Band gibt nicht nur die Schrift selbst
wieder, sondern enthält auch viefältige Auskünfte zu seiner
Entstehungsgeschichte
und zu seiner Wirkung. Daß in den beigegebenen "Kommentaren" die
heutigen Kunstwissenschaftler sich dabei alle vornehmer und
urteilssicherer dünken als Rilke wird man sicherlich nicht auf die Goldwaage legen müssen. </p><p>Rilkes Worpswede-Buch steht zwischen seiner bedeutsamen
Rußland-Reise - zusammen mit Lou Andreas-Salome - und seinem
Paris-Aufenthalt bei Auguste Rodin. Es Buch entstand in der kurzen Zeit der glücklichen Ehe mit der Worpsweder Bildhauerin Clara Westhoff. Mit ihr gemeinsam war er
im Nachbardorf von Worpswede ansässig und stand in engem Austausch mit den Künstlern und ihren Frauen (3, S.
230ff). Auf eine dritte Rußland-Reise hatte Rilke verzichtet, um eine
Worpsweder Künstlerin zu heiraten. Der Maler Fritz Mackensen - berühmt
durch sein Bild "Der Säugling" von 1892 (3, S. 39) - nennt das Buch
"wohl
das Hervorragendste, was je über Kunst geschrieben worden ist" (3, S.
281). Der Maler Paul Moderson äußerte sich ebenfalls begeistert
(3, S. 169). Der Schriftsteller Manfred Hausmann eiferte dieser Schrift
nach - wie mancher andere (3, S. 277). Genauso auch der Worpsweder
Maler Heinrich Vogeler. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Vogeler - überraschenderweise - Kommunist. Und noch in den 1930er Jahren
ließ er in der Sowjetunion Schriften zur Sowjetkunst erscheinen, in
denen er die Kunst von Worpswede feierte (3, S. 284f). </p><p>Doch, unbezweifelbar: Dieses Worpswede-Buch Rilkes kann man liebgewinnen. Für ein Leben lang kann es ein teurer Schatz im Bücherschrank bleiben.</p><p>Nach Abschluß dieser Schrift ging Rilke zum Bildhauer Auguste Rodin nach Paris. Dort verfaßte er seine berühmte Rodin-Schrift. Ihr entwickelte er eine neue, noch tiefere und reifere Einstellung zur Kunst und zum Leben. Eine tiefere noch als jene, die aus dem Buch über die Maler von Worpswede spricht.</p>
<p>Aber das durchgängig sichere, treffsichere Urteil Rilkes in seiner Worpswede-Monographie, es war nur möglich, weil Rilke in seinem Leben und in seiner Kunst innerlich schon zur Zeit der Entstehung dieser Monographie weiter war als die Maler von Worpswede. So will es einem scheinen. Die Maler von Worpswede standen nicht selten der damaligen Heimatkunst-Bewegung nahe. Beziehungsweise entfernten sie sich oft nicht allzu deutlich von ihr. Der Worpsweder Maler Hans am Ende meldete sich 1914 kriegsfreiwillig. Im Jahr 1918 fiel er. Er hatte sich freiwillig gemeldet sicherlich aus seinem Verständnis heraus für eine freie Entfaltung einer nationalen, deutschen Kunst, die im deutschen Heimatboden wurzeln sollte.</p>
<p>
"Worpswede" und die Schrift Rilkes sind Teil des damaligen Aufbruchs zu einer neuen Kunst, mehr noch, Teil des Aufbruchs zu einer neuen Religion. Der Vergleich so mancher "Religions-Suche" von heute mit dem damaligen Ernst und der damaligen Gefühlstiefe wie sie von Rilke zum Ausdruck gebracht wird - er könnte schamrot machen.</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/-AgWQ54QwuBA/UZyHGe08zyI/AAAAAAAANmQ/JJs93lo6EO0/s1600/Emil+Orlik-Rainer+Maria+Rilke.PNG" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://1.bp.blogspot.com/-AgWQ54QwuBA/UZyHGe08zyI/AAAAAAAANmQ/JJs93lo6EO0/s400/Emil+Orlik-Rainer+Maria+Rilke.PNG" width="294" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="font-size: 12.8px;"><span style="font-size: small;">Abb. 3: Rainer Maria Rilke, gezeichnet von </span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Emil Orlik </span>(wohl 1921)</span><br />
</td></tr>
</tbody></table><h3>
Folkwang</h3><p>Am 31. Oktober 1905 besuchten Rilke und seine Frau Clara eine der modernsten Kunstsammlungen ihrer Zeit: das private Kunstmuseum Folkwang im westfälischen Hagen. Dieses Museum hat in der Tat eine spannende Geschichte (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Museum_Folkwang">Wiki</a>). Es war das erste Kunstmuseum Deutschlands, das 1902 ein Bild von van Gogh erworben hat. Damit sei nur eine leise Andeutung seiner reichen Geschichte und seiner vielfältigen Sammelschwerpunkte benannt. </p><p>Nun ist soeben ein neuer Brief von Rainer Maria Rilke bekannt geworden, den er unmittelbar nach Besuch dieses Museums geschrieben hat (4). Und wie sehr wird alles zu Gold, wenn Rilke es berührt. Wie sehr ist man von vornherein für das Folkwang-Museum begeistert, auch wenn man es noch gar nicht kennt, wenn man nur allein diesen Brief liest. Wie sehr wird es einem selbst zum Erlebnis.</p><p>Kann sich ein Museum eine bessere Werbeschrift wünschen als dieser Brief, auch wenn er erst 116 Jahre nach seiner Niederschrift öffentlich bekannt wird? Rilke schrieb da an den Museumsgründer Osthaus:</p><div></div><blockquote><div style="text-align: right;"><span style="color: #274e13;"><b>Köln, Hotel Ernst. 1. November 1905</b></span></div><div><span style="color: #274e13;"><b>Sehr verehrter Herr, </b></span></div><div><span style="color: #274e13;"><b>das freundliche und reiche Erlebnis, zu dem uns der gestrige Nachmittag durch Ihre und Ihrer Frau Gemahlin Güte geworden ist, hat nicht aufgehört in uns zu wirken - ja, es war so sehr stärker als alle späteren Eindrücke, daß wir einen Augenblick daran dachten, von Barmen (wenn auch nur für einen Abend) nochmals zu Ihnen zurückzukehren: allem in uns recht gebend, was noch bei Ihnen zu verweilen und zu zögern schien. Möchten Sie im Aufgreifen dieser Tatsache die herzliche Bewunderung erkennen, die ich für Ihre seltene Beziehung zu Kunstdingen hege und für diese Dinge selbst, die eine feine Betrachtung und eine große Liebe mit so sicherem Wissen vermählt hat.</b></span></div><div><span style="color: #274e13;"><b>Es ist vielmehr als nur Erinnern, womit wir des Nachmittags gedenken werden, den Sie uns gaben; er gehört zu den besten, die ich weiß.</b></span></div><div><span style="color: #274e13;"><b>Kaum jemals hatten wir so stark das Gefühl, daß der rasche Rhythmus der Reise uns fortrisse aus der erwartungsvollen Stille eines Intervalls, von der wir über die Maßen gern umgeben waren.</b></span></div><div><span style="color: #274e13;"><b>Nehmen Sie also unseren allerherzlichsten Dank und sagen Sie Ihrer Frau Gemahlin davon und von der Ergebenheit, deren ich Sie dankbar versichere.</b></span></div><div><span style="color: #274e13;"><b>Rainer Maria Rilke </b></span></div></blockquote><div></div><p>Gold, Gold, wohin Rilke blickte.<br /></p><p>______________</p><p>*) 1.9.23: Der Ort der Aufnahme wird in den Kommentaren bei Wangenheim erörtert (<a href="https://thwangenheim.wordpress.com/2020/09/05/souverniers-einer-kleinen-weltstadt-harry-graf-kessler-und-andere-junggesellen/">Wanghm2020</a>): Es gibt viele Namen für immer das gleiche Gebäude. Es handelt sich um das heutige „Musée Rodin“ (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Mus%C3%A9e_Rodin">Wiki</a>). Ab 1790 hieß es „Hotel Biron“ nach seinem Vorbesitzer, einem Herzog Biron. Ab 1820 war es als „Konvent von Sacré Cœur“ bekannt, eine Schule für höhere Töchter. 1905 und 1906 wohnte Rilke hier, ebenso andere Künstler, auch seine Frau Clara Westhoff. Rodin selbst scheint hier erst 1909 Zimmer gemietet zu haben, ab 1916 ist dann das ganze Gebäude zum „Musée Rodin“ umgewidmet worden. Auch Bildersuche zu „Musée Rodin“ zeigt gleich, daß man von innen überall diese hohen Fenster sieht.</p></div><div style="text-align: justify;">
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<li>Schnack, Ingeborg: Rainer Maria Rilke - Chronik seines Lebens und seines Werkes 1875-1926. Erweiterte Neuausgabe hrsg. von Renate Schaffenberg. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009 (EA 1975) <br /></li><li>"Meine geheimnisvolle Heimat" - Rilke und Rußland. Hrsg. von Thomas Schmidt. Insel Taschenbuch 2020 </li><li>Rilke. Worpswede. Eine Ausstellung als Phantasie über ein Buch. Hrsg. v. Wulf Herzogenrath und Andreas Kreul. H. M. Hauschild, Bremen 2003 (<a href="https://www.amazon.de/Rilke-Worpswede-Eine-Ausstellung-Phantasie/dp/3897571951/">Amaz.</a>)</li><li>Stamm, Rainer: Einer der besten Nachmittage, die er erlebte. Unbekannter Rilke-Brief. <a href="https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/unbekannter-brief-rilke-im-museum-folkwang-17643061.html">FAZ, 20.11.2021</a><br /></li>
</ol>
</div>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-72708042170741221422021-11-18T12:58:00.013+01:002023-05-14T09:38:02.955+02:00Über das Hören in der Vorgeschichte<b>Die "großen Ohren" der Kelten</b><div style="text-align: justify;"><b>- Einige Mutmaßungen zu ihrer religionsgeschichtlichen Einordnung</b></div><div style="text-align: justify;"><b> </b></div><div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;"><span style="color: #741b47;"><b><b>"Höret, ihr Menschen, höret -<br /></b></b></span></span></div><div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;"><span style="color: #741b47;"><b><b>auf das Wort der Weisheit, </b></b></span></span></div><div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;"><span style="color: #741b47;"><b><b>auf die Stimme der Götter</b></b></span></span><b><b><span style="font-size: large;"><span style="color: #741b47;">!"</span></span></b></b></div><div><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><i>"Er tat seinen Mund auf und sprach."</i> So lautet eine Formulierung, die sich schon in den Dichtungen Babyloniens findet </span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>(6, S. 215)</span></span>. </span></span></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-Hiu5ozbANa4/YZDtrlBqmSI/AAAAAAAAagU/DZJ4t_o_4WkXBMdY2Q5FXpsOYHMe_pe4ACLcBGAsYHQ/s1090/Reinheimer-Pferdchen_2.JPG" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1090" data-original-width="990" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-Hiu5ozbANa4/YZDtrlBqmSI/AAAAAAAAagU/DZJ4t_o_4WkXBMdY2Q5FXpsOYHMe_pe4ACLcBGAsYHQ/w582-h640/Reinheimer-Pferdchen_2.JPG" width="582" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Ein Hörender - Das Reinheimer Pferdchen (Saarland), 370 v. Ztr. (Replikat) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Reinheimer-Pferdchen_2.JPG">Wiki</a>)</td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Sprechen und Zuhören waren in den Völkern der Vorgeschichte heilige Akte. Das macht diese kurze Formulierung deutlich. <span class="aCOpRe">"Höret, was ich euch zu sagen habe," mag auch eine Formulierung gewesen sein, mit der in der Völkergeschichte Jahrtausende lang das Reden von Mensch zu Mensch eingeleitet worden ist. </span></span></span></span></span></span></span></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Für den vorgeschichtlichen Menschen war also - weitaus mehr als für den heutigen -
sowohl das Sprechen wie das Hören ein bedeutungsvolles Ereignis. Alles kulturelle Wissen wurde - so war dem Menschen der Vorzeit bewußt - über das Hören weiter gegeben an die
nächste Generation. Auch die Gesänge etwa des Orpheus oder des
Homer waren ja noch für die Ohren von Hörenden bestimmt, nicht für die Augen von Lesenden. Daher womöglich auch ihr "hoher Ton". Diese Gesänge wurden
deklamiert, sie wurden vorgetragen, sie versetzten in eine andere, "gehobene" Erlebens-Sphäre.</span></span></span></span></span></span></span></span></p><h2 style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Der keltische Gott der Beredsamkeit - Ogmios</span></span></span></span></span></span></span></span></h2><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe">Über den griechischen Satyriker Lukian von Samosata (120 bis 200 n. Ztr.) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lukian_von_Samosata">Wiki</a>) ist eine wertvolle Schilderung und Deutung des keltischen Gottes Ogmios überliefert, an der er sich selbst in höherem Alter in seiner </span><span class="aCOpRe">Erzählung "Herkules" folgendermaßen aufrichtet (<a href="https://de.wikisource.org/wiki/Herkules_(Lukian)">WikiSource</a>): </span></p><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;">Die Gallier nennen den Herkules in ihrer Sprache Ogmius, und geben auf ihren Gemälden diesem Gotte ein höchst abenteuerliches Aussehen. Er erscheint hier als ein hochbetagter Greis mit einer tiefen Glatze und eisgrauen Haaren, so viel er deren noch übrig hat, und einem von Runzeln durchfurchten, und von der Sonne schwarz gebrannten Angesicht, gerade wie sonst alte Seeleute auszusehen pflegen; so daß man einen Charon, Iapetus, oder irgend einen andern Bewohner des Tartarus, kurz alles Andere eher, als einen Herkules in ihm vermuten sollte. Allein ungeachtet dieses Aussehens trägt er doch die ganze Ausrüstung eines Herkules. Er hat die Löwenhaut um, die Keule in der Rechten, den Köcher auf der Schulter, und hält in der Linken den gespannten Bogen – ist also in so weit ganz der echte Herkules.</div><div style="text-align: justify;">Ich glaubte anfänglich, die Gallier hätten durch diese seltsame Gestalt die griechischen Götter lächerlich machen, und besonders durch ein solches Gemälde sich an Herkules rächen wollen, weil dieser einst, als er die Abendlande durchzog, um die Herden des Geryones zu suchen, auch ihr Land mit Plünderung heimgesucht hatte.</div><div style="text-align: justify;">Doch das Sonderbarste an diesem Bilde kommt noch. Jener hochbetagte Herkules führt nämlich <b><span style="color: #990000;">eine ungemein große Menge Menschen hinter sich her, die er sämtlich an den Ohren gebunden hält</span></b>. Die Bande selbst aber sind ungemein fein gearbeitete Ketten aus Gold und Bernstein, und gleichen dem schönsten Halsgeschmeide. So schwach diese Fesseln sind, denkt doch keiner an Flucht, die doch so leicht wäre. Nicht einmal einiges Widerstreben, dem Zuge zu folgen, zeigen sie; sondern alle laufen munter und lustig hinterher, jauchzen ihrem Führer Beifall zu, und drängen sich sogar vorwärts, so daß die Ketten ganz schlaff an ihnen herabhängen, und es unverkennbar ist, wie leid es ihnen wäre, wenn er sie los ließe. Das Allerseltsamste aber ist, daß der Maler, der ihm die Enden der Ketten nicht in die Hände geben konnte, indem er schon in der einen die Keule, in der andern den Bogen hält, die Zungenspitze des Gottes durchlöchert und sie dort befestigt hat. So zieht nun dieser den ganzen Haufen mit sich, indem er den Kopf nach ihnen zurückdreht und ihnen freundlich zulächelt.</div><div style="text-align: justify;">Voller Verwunderung stand ich einst lange vor diesem Gemälde, und fing an ungeduldig zu werden, weil ich es mir nicht zu deuten wußte. Da trat ein in einheimischer Weisheit vermutlich wohl unterrichteter Gallier zu mir, der, wie sich zeigte, auch in unserer Literatur nicht unbewandert war, und das Griechische sehr rein und geläufig sprach. "Ich will," hob er an, "dir das Räthsel dieses Bildes lösen, Fremdling, weil du ja doch, wie ich sehe, damit nicht zurecht kommen kannst. Wisse denn, daß bei uns Galliern nicht Merkur für den Gott der Beredtsamkeit gilt, wie bei euch Griechen, sondern Herkules, weil dieser ja weit stärker ist als jener. Daß er aber als Greis abgebildet ist, darf dich nicht befremden. Denn die Kraft zu reden ist es ja allein, die sich im höheren Alter in ihrer vollen Reife zeigt; wie denn auch eure Dichter sehr richtig sagen: </div><div style="text-align: justify;">"Stets ja flattert das Herz den Jünglingen - -" (Ilias III, 108.) </div><div style="text-align: justify;">Dagegen wird das Alter stets </div><div style="text-align: justify;">"Weit mehr, denn junge Leute, klugen Rat erseh’n".</div><div style="text-align: justify;">Fließt ja doch honigsüß die Rede aus dem Mund eures Nestor, und die liebliche Rede der Trojischen Ältesten wird verglichen mit der Lilienblüte: Lilie aber heißt bei euch, wenn ich mich recht erinnere, eine Blumengattung.</div><div style="text-align: justify;">Daß also dieser alte Herkules, d. h. die [personifizirte] Beredtsamkeit, die Menschen mittelst ihrer Ohren an seine Zunge gebunden hat und so nach sich zieht, ist, bei der nahen Verwandtschaft der Zunge und der Ohren, nicht zu verwundern. Es liegt durchaus kein Spott gegen ihn darin, daß jene durchlöchert dargestellt ist. Ich erinnere mich, die Verse eines eurer Komiker gelesen zu haben:</div><div style="text-align: justify;">"– – – – denn die Zungenspitze ist</div><div style="text-align: justify;">Den redesel’gen Leuten allen durchgebohrt."</div><div style="text-align: justify;">Überhaupt sind, wir des Glauben, Herkules habe, als ein Mann von großer Weisheit, das meiste, was er getan, nicht sowohl durch Stärke, als durch des Wortes und der Überredung Gewalt ausgeführt. Seine Geschosse sind, dünkt mich, eindringliche, wohlgezielte, schnell treffende Worte, welche tief in den Gemütern der Hörenden haften; wie ihr denn selbst auch von geflügelten Worten sprechet.“ So weit mein Gallier.</div><div style="text-align: justify;">Wie mir also neulich mein Entschluß, hier vor euch aufzutreten, das Bedenken erregte, ob es auch geraten sei, in meinen Jahren, und nachdem ich schon seit so langer Zeit meine öffentlichen Vorlesungen eingestellt hatte, mich abermals dem Urteile so vieler Richter auszusetzen, so kam mir recht zur guten Stunde die Erinnerung an jenes Gemälde in den Sinn. Denn ich war in der Tat sehr ängstlich gewesen, man möchte mein Vorhaben für ein jugendliches Wagestück ansehen, das meinem Alter sehr schlecht anstände; und irgend ein Homerischer Jüngling könnte mich mit den Worten schelten:</div><div style="text-align: justify;">"Deine Kraft ist gelöst, und mühsames Alter beschwert dich;</div><div style="text-align: justify;">Auch ist schwach dein Wagengefährt’ und müde die Rosse" (Ilias VIII, 103.),</div><div style="text-align: justify;">einen spottenden Blick dabei auf meine Beine werfend. Aber jetzt brauche ich mich nur an jenen greisenhaften Herkules zu erinnern, um Mut zu Allem zu fühlen, und, als ein Altersgenosse jenes gemalten Gottes, vor einem solchen Wagestück mich nicht mehr zu erblöden.</div><div style="text-align: justify;">So fahret denn wohl, Stärke, Schnelligkeit, Schönheit und alle ihr Vorzüge des Körpers: und auch dein Amor, Tejischer Sänger, schwinge immer sein Goldfieder bei’m Anblick meiner erbleichenden Haare, und flattre schneller als ein Adler davon: "was kümmert das den Hippoklides?" Für mich ist’s jetzt an der Zeit, in meinen Vorträgen mich wieder zu verjüngen, und hier eine Kraft zu zeigen, die jetzt erst in ihrer Blüte steht, indem ich so viele Ohren, als ich nur immer kann, an mich fessle, und reichliche Geschosse der Worte entsende, an welchen mein voller Köcher mich keinen Mangel befürchten läßt. - Du siehst, wie ich mich über mein hohes Alter zu trösten weiß. Aber diese Vorstellung gab mir Mut, mein längst angelegt gewesenes Schiffchen wieder flott zu machen, und nach bestem Vermögen ausgerüstet der hohen See abermals anzuvertrauen. Sendet guten Wind zur Fahrt, ihr Götter! Denn mehr als je bedarf ich des günstigen Hauches, der meine Segel schwelle; damit man auch mir einst, wenn ich’s je verdiene, jene Homerischen Worte zurufe:</div><div style="text-align: justify;">"Welche stattliche Lende der Greis aus den Lumpen hervor streckt!"</div></blockquote><div style="text-align: justify;"></div><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe">Das sind schöne Worte und immer noch ganz im antik-griechischen Geist des 2. Jahrhunderts n. Ztr. geschrieben, obwohl dieser damals schon in der Ausbreitung von orientalischen Mysterienkulten zugrunde zu gehen begann (s. <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Lucian">Wiki</a>). So findet man es auch auf den Wikipedia-Einträgen zu Ogmios erwähnt </span>(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Keltische_Mythologie">Wiki</a>, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Ogmios">engl</a>).</p><h2 style="text-align: justify;">Die Macht des Gesanges - Orpheus</h2><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Nicht die Macht der Beredsamkeit, aber die Macht des Gesanges ist ja der Kerninhalt der Orpheus-Verehrung in der Antike. </span></span></span></span></span></span></span></span><span class="aCOpRe"><span>Auf einer der ältesten Darstellungen, die uns von Orpheus aus der Antike überliefert sind, sind alle Dargestellten
als Hörende dargestellt (Abb. 3).</span></span> Die Verehrung von Orpheus hat in der Antike eine ebenso große
Rolle gespielt wie die Verehrung des Homer. Davon war in der Antike sogar eine
ganze religionsgeschichtliche Bewegung getragen gewesen (<a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2022/12/zerstuckelt-und-neu-geschaffen.html">Stgen2022</a>). Wenn Orpheus seine "Stimme erhob", lauschten nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere und Pflanzen, selbst die Steine bekamen Ohren.</p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Man erinnere sich auch an die getragenen, inhaltsschweren Worte (antik-)griechischer Tragödien. Das Sagen und das Hören - sie hatten Gewicht, sie waren voller Inhalt.</span></span><br /></span></span></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Das Hören fand auch nicht nur von Mensch zu Mensch statt. Die Stimme
der Götter wurde über das Hören vernehmlich. In der Ilias hören die
Helden die Stimmen von Göttinen und Göttern. In
der Bibel sprechen Gott, Engel und Teufel mit dem handelnden Personal. Sie raten ihnen zu, sie raten ihnen ab,
sie drohen, sie verheißen, sie verdammen, sie belohnen. Etwas milder als in der Bibel findet das Gespräch zwischen Menschen und Göttern in der Edda statt. Auch in deutschen
Heldensagen findet sich Vergleichbares:</span></span> Held Siegfried "hört" die Stimmen der
Vögel, nachdem er im Drachenblut gebadet hat. Dieser enge Austausch von
Menschen und Göttern ist übrigens auch schon für </span></span>Sargon von Akkad (2356 bis 2300 v. Ztr.) bezeugt (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sargon_von_Akkad">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Die
Sumerische Sargonlegende handelt davon, daß die Göttin Inanna
beschlossen hat, daß Sargon König werden soll. So treten Vorzeichen
dafür auf, daß der Mundschenk den regierenden Herrscher ablösen wird.
Alle Gegenmaßnahmen, die Ur-Zababa ergreift, werden von der Göttin
vereitelt. </p></blockquote><div style="text-align: justify;"><p>Eine Göttin greift hier ebenso selbstverständlich in die Handlungen der Menschen
ein - und ebenso entscheidend - wie noch über tausend Jahre später in der "Ilias", bzw. wie zweittausend Jahre später in der Bibel.</p><p><span class="aCOpRe"><span>Auch
daß man sich im Zweifelsfall gegenüber verführerischen Gesängen, Reden
und Ratschlägen schützen muß, die "Ohren verstopfen" muß, wußten schon die
Menschen der Vorzeit und der Antike. Odysseus verstopfte sich die Ohren vor den Gesängen der Sirenen (<a href="https://studgenpol.blogspot.com/2021/05/wenn-die-schauerlichen-sirenen-dieser.html">GAj2021</a>). Unter den germanischen Göttern war Loki derjenige, der "das meiste Übel rät".</span></span></p><h2 style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Die großen Ohren des Keltenfürsten vom Glauberg - entdeckt 1994 </span></span></h2><p></p></div><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Warum sollte es es angesichts dieser Bedeutung des Hörens für den vorgeschichtlichen Menschen eigentlich verwundern, daß ein solches Hören auch einmal in vergleichsweise frühen Phasen der Kunst zur Darstellung gekommen ist (Beispiele: Abb. 1, 2)?*)</span></span></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-G2ke6aPt_y0/YZD9yxsqBUI/AAAAAAAAagk/VuQ0P2Rl8qYmY6jOTjH0XSUk5izMMb9xwCLcBGAsYHQ/s900/Keltenf%25C3%25BCrst_Glauberg_vorne_5.JPG" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="900" data-original-width="675" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-G2ke6aPt_y0/YZD9yxsqBUI/AAAAAAAAagk/VuQ0P2Rl8qYmY6jOTjH0XSUk5izMMb9xwCLcBGAsYHQ/w480-h640/Keltenf%25C3%25BCrst_Glauberg_vorne_5.JPG" width="480" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Die Sandsteinfigur des Fürsten vom Glauberg in Mittelhessen, 500 v. Ztr. (Wiki)<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Die "großen Ohren" der 1994 entdeckten Steinfigur des
Keltenfürsten vom Glauberg in Mittelhessen aus der Zeit um 500 v.
Ztr. (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Keltische_Blattkrone">Wiki</a>):
Könnte es - endlich - eine etwas befriedigendere Erklärung geben für sie</span></span></span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>? </span></span></span></span></span></span></span></span></p><div><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Dem Wikipedia-Artikel zur sogenannten "Keltischen Blattkrone" </span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Keltische_Blattkrone">Wiki</a>)</span></span>,
mit dem diese Steinfigur - wie andere solche Steinfiguren ähnlicher
Zeit - geschmückt zu sein scheint, ist nämlich zu entnehmen,
daß eine besonders plausible Erklärung für diese
Kopfbedeckung </span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>zwar noch keineswegs </span></span>gefunden worden ist. Neuerdings finden wir auf dem Wikipedia-Artikel auch den -
für uns neuen - Hinweis auf das "Reinheimer Pferdchen", das sich auf dem
Deckel der
"Reinheimer Kanne" findet, enthalten in einem keltischen Fürstinnengrab
bei Reinheim im
Saarland aus der Zeit um 370 v. Ztr. (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Keltisches_F%C3%BCrstinnengrab_von_Reinheim">Wiki</a>). Und dieses Pferdchen nun - - - weist ebenfalls "große Ohren" auf </span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Kulturpark_Bliesbruck-Reinheim">Wiki</a>)</span></span> (Abb. 1).</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Unser
Gedanke: Vielleicht
sind "große Ohren" einfach ein Zeichen dafür, daß eine mächtige
Gottheit, mit der der Fürst in Verbindung steht, "alles hört" und
deshalb - wie das Dichterpferd Pegasus - "inspiriert" ist,
möglicherweise
vor allem vom Rauschen der Blätter der Bäume Heiliger Haine.</span></span></span></span></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Denn: Es
werden ja auch Blätter in Zusammenhang mit diesem Kopfschmuck angedeutet
und der Baumkult der Kelten ist ja auch sonst gut bekannt (3). </span></span>Erst vor
vier Wochen beschäftigten wir uns mit den
keltoromanischen
Jupiter-Giganten-Säulen, in denen die Erinnerung an die vormalige, gut
bezeugte Verehrung Heiliger Bäume durch die Kelten nachklingt (3). </span></span></span></span></p><h2 style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Ein Zeichen für "der Seherin Gesicht" .... ? </span></span><br /></span></span></h2><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Womöglich
sind die großen Ohren auch ein Zeichen für etwas wie der "Seherin Gesicht" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lusp%C3%A1">Wiki</a>), die ja auch einen - - - Eschenbaum (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Yggdrasil">Wiki</a>)
kennt. Und wie wunderbar, jetzt schon auf Wikipedia sehr schnell den
Text der Edda-Übersetzung von Simrock aus dem Jahr 1876 zugänglich zu
haben. Wir <b>HÖREN</b> (!!!) ihrer "Schau" (zit. n. <a href="https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/%C3%84ltere_Edda/V%C3%B6lusp%C3%A2">Wiki</a>) .....</span></span></p><div style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span></span></span></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Allen Edeln gebiet ich Andacht, </span></span></b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht;</span></span></b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Ich will Walvaters Wirken künden,</span></span></b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne. </span></span></b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span><br /></span></span></b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>(...)</span></span></b></span></div></blockquote><blockquote><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Eine Esche weiß ich, heißt Yggdrasil,</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Den hohen Baum netzt weißer Nebel; </span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Daher kommt der Tau, der in die Täler fällt.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Immergrün steht er am Brunnen der Urd.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span> </span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Daher kommen Frauen, vielwissende, </span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Drei aus dem See dort unterm Wipfel.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Urd heißt die eine, die andre Werdandi: </span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Sie schnitten Stäbe; Skuld hieß die dritte.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Sie legten Lose, das Leben bestimmten sie</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Den Geschlechtern der Menschen, das Schicksal verkündend.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span> </span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Allein saß sie außen, da der Alte kam,</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Der grübelnde Ase, und ihr ins Auge sah.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Warum fragt ihr mich? was erforscht ihr mich?</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span> </span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Alles weiß ich, Odin, wo du dein Auge bargst:</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>In der vielbekannten Quelle Mimirs.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Met trinkt Mimir allmorgentlich</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Aus Walvaters Pfand! wißt ihr was das bedeutet?</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span><br /></span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Ihr gab Heervater Halsband und Ringe</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Für goldene Sprüche und spähenden Sinn.</span></span></b></span></div><div><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Denn weit und breit sah sie über die Welten all.</span></span></b></span></div></blockquote><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>An anderer Stelle in den Edda-Überlieferungen werden die Inhalte dieser Schau noch einmal in Prosa-Form weiterghend erläutert (<a href="https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/Snorra-Edda/Gylfaginn%C3%AEng#15">Wiki</a>):</span></span><span class="aCOpRe"><span> </span></span></p><div style="text-align: justify;"><blockquote><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>... Da
fragte Gangleri: Wo ist der Götter vornehmster und heiligster
Aufenthalt? Har antwortete: Das ist bei der Esche Yggdrasils: da sollen
die Götter täglich Gericht halten. Da fragte Gangleri: Was ist von
diesem Ort zu berichten? Da antwortete Jafnhar: <span style="color: #cc0000;">Diese Esche ist der
größte und beste von allen Bäumen</span>: seine Zweige breiten sich über die
ganze Welt und reichen hinauf über den Himmel. Drei Wurzeln halten den
Baum aufrecht, die sich weit ausdehnen: die eine zu den Asen, die andere
zu den Hrimthursen, wo vormals Ginnungagap war; die dritte steht über
Niflheim, und unter dieser Wurzel ist Hwergelmir und Nidhöggr nagt von
unten auf an ihr. Bei der andern Wurzel hingegen, welche sich zu den
Hrimthursen erstreckt, ist Mimirs Brunnen, worin Weisheit und Verstand
verborgen sind. Der Eigner des Brunnens heißt Mimir, und ist voller
Weisheit, weil er täglich von dem Brunnen aus dem Giallarhorn trinkt.
Einst kam Allvater dahin und verlangte einen Trunk aus dem Brunnen,
erhielt ihn aber nicht eher bis er sein Auge zum Pfand setzte. So heißt
es in der Wöluspa:</span></span></b></span></blockquote></div><blockquote><div style="margin-left: 40px;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Alles weiß ich, Odin, wo dein Auge blieb: </span></span></b></span></div><div style="margin-left: 40px;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>In der vielbekannten Quelle Mimirs. </span></span></b></span></div><div style="margin-left: 40px;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Met trinkt Mimir jeden Morgen </span></span></b></span></div><div style="margin-left: 40px;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet? <br /></span></span></b></span></div></blockquote><blockquote><div style="text-align: justify;"><span style="color: #20124d;"><b><span class="aCOpRe"><span>Unter
der dritten Wurzel der Esche, die zum Himmel geht, ist ein Brunnen, der
sehr heilig ist, Urds Brunnen genannt: da haben die Götter ihre
Gerichtsstätte; jeden Tag reiten die Asen dahin über Bifröst, welche
auch Asenbrücke heißt. ....</span></span></b></span></div></blockquote><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Wir
sehen hier, daß im germanischen Mythos der Gott Odin ein Auge lassen
mußte,
um "sehend" zu werden, um Weisheit zu erlangen. Wenn hier dem Auge eine
solch große Bedeutung
zugemessen worden ist, um allwissend zu werden - warum sollte dann nicht
- in verwandten indogermanischen, kulturellen Zusammenhängen - auch dem Ohr eine große
Rolle zugemessen worden sein beim Erlangen von Weisheit? Nebenbei sei
erwähnt, daß dieser Welteneschen-Mythos auch in der Philosophie des 20.
Jahrhunderts Deutung gefunden hat (5).</span></span></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-txA8zJg4DmA/YW5mFiyS-7I/AAAAAAAAaZ8/K2ty_VzgpZ4wjKhVGTG-Mb0SiXWAqfSfgCLcBGAsYHQ/s469/Orpheus%2Bunter%2Bden%2BThrakern.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="307" data-original-width="469" height="418" src="https://1.bp.blogspot.com/-txA8zJg4DmA/YW5mFiyS-7I/AAAAAAAAaZ8/K2ty_VzgpZ4wjKhVGTG-Mb0SiXWAqfSfgCLcBGAsYHQ/w640-h418/Orpheus%2Bunter%2Bden%2BThrakern.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb.
3: Orpheus unter den Thrakern, Mitte 5. Jhdt. v. Ztr., Athen -
Rotfigurige Vasenmalerei - Orpheus mit siebensaitiger Lyra dargestellt<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"></p><div style="text-align: justify;"><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Und
sind dem Mythos in den weiteren Ausführungen nicht auch alle die Pferde
- mit Namen - wichtig, auf denen die
Götter zum Rat an der Weltenesche reiten? Nur Thor geht zu Fuß. Ach, und das "Reinheimer Pferdchen" ist ja auch ein Pferd
(Abb. 1). Es lauscht mit dem Gesicht eines Menschen und den Ohren -
womöglich - eines Gottes. Aber worauf? Worauf?<br /></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Wäre es nicht ein schöner Gedanke, mit den großen Ohren eines klugen Pferdes auf "der Seherin Gesicht" zu hören ....? In früheren Jahrtausenden fühlten sich die Menschen noch mehr mit den Tieren verbunden und sprachen ihnen heilige Bedeutung zu, den Pferden, den Vögeln. Aber was erfahren wir noch, wenn mit "big ears prehistory" und ähnlichen Worten suchen? Ausgerechnet im 6. Jahrhundert v. Ztr. beginnen mehrere griechische Völkerkundler und Geographen, zuerst Sylax, von "Panoti", von "Ohrenmenschen" </span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>zu berichten </span></span>(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Panoti">Wiki</a>):</span></span></p></div><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"></span></p><div style="text-align: justify;"><blockquote><span class="aCOpRe"><span>Skylax schreibt den Panoti schaufelgroße Ohren zu, laut Ktesias reichen deren Ohren um den Rücken und bis zum Ellenbogen. Nach Megastehenes schlafen diese Menschen auch auf ihren Ohren. Spätere klassische Autoren wiesen den Panoti als Heimat eine Insel im nördlichen Ozean zu oder ließen sie in Skytien leben. </span></span></blockquote></div><p></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Auch Plinius der Ältere schreibt von ihnen (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Panotti">Wiki</a>). - - - Und 1994 graben deutsche Archäologen - grob gesehen in jenem "Skythien" - einen solchen ersten "Ohrenmenschen" aus - ? Könnte das möglich sein? Auf diese überraschende Übereinstimmung machte übrigens schon ein belgischer Arzt und Forschender </span></span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>2005/2006 </span></span>aufmerksam (4).</span></span></p><h2 style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Ein Wikingerteppich aus dem Jahr 1270 n. Ztr.<br /></span></span></h2><div>
<div style="text-align: justify;"><p>Schauen wir uns noch ein wenig weiter um zu Darstellungen von inspirierten Menschen oder Göttern mit "großen Ohren", die - womöglich - in einen solchen Zusammenhang eingeordnet werden könnten. 1909 wurden fünf sehr alte Wandteppiche in einer schwedischen Kirche in Överhogdal gefunden (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wandteppiche_von_%C3%96verhogdal">Wiki</a>).
Die Ortschaft liegt 430 Kilometer nördlich von Stockholm. Die Wandteppiche waren um das Jahr 1000 n. Ztr. herum entstanden, also in der Zeit der Christianisierung. Drei von ihnen
scheinen in ihrer Mitte die Weltenesche darzustellen. Außerdem finden
sich auf zwei dieser Wandteppiche Wikingerschiffe dargestellt und auf drei
Wandteppichen unterschiedliche Gebäude: Kirchen, Versammlungsgebäude.
Hirsche und Rentiere bilden die weiteren Inhalte der Darstellung (so wie auf berühmten skythischen Teppichen), vielleicht
auch Fabelwesen (der achtbeinige Sleipnir?), sowie auch mehrere Reiter.
Einer der Teppiche weist aber auch nur Muster auf.</p></div><div style="text-align: justify;"><p>1912 wurde dann aber in einer Kirche in Skog in Schweden, 230 Kilometer nördlich von Stockholm, ein Wandteppich aus der Zeit um 1270 n. Ztr. (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Skog_tapestry">Wiki</a>) entdeckt, also aus dem Hochmittelalter und aus jener Zeit, in der christliche Gelehrte in Skandinavien die alten heidnischen Überlieferungen aufschrieben. Dieser Teppich ist vielleicht noch interessanter (Abb. 4).</p></div></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-POYkGBIPMpk/X7Ylqx4uX5I/AAAAAAAAZKg/cfjIfyPiQH8JhtBMsXYYpE-SVwptx-dKQCLcBGAsYHQ/s899/Three_kings_or_three_gods.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="899" data-original-width="704" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-POYkGBIPMpk/X7Ylqx4uX5I/AAAAAAAAZKg/cfjIfyPiQH8JhtBMsXYYpE-SVwptx-dKQCLcBGAsYHQ/w502-h640/Three_kings_or_three_gods.jpg" width="502" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Möglicherweise Odin, Thor und Freya - Auf einem Wandteppich in Skog in Schweden, um 1270 n. Ztr. </td></tr></tbody></table>
<p style="text-align: justify;">In
der Mitte dieses Wandteppichs scheinen zwei prächtigere Holzgebäude
abgebildet zu sein, von denen das rechte einen Glockenturm darstellen
dürfte (bekrönt von einem christlichen Kreuz, drei Figuren ziehen an den
Glockenseilen). Im linken Gebäude stehen fünf Hauptfiguren, von denen
zwei ebenfalls eine kleine Glocke mit einem Glockenseil läuten. Bei den
Gebäuden könnte es sich um mittelalterliche skandinavische Stabkirchen
handeln, um die sich die Gemeinden versammelt haben. Am Dach der Kirchen
befinden sich Drachenköpfe. Die Gebäude scheinen umgeben zu sein von
Hühnern. </p><div style="text-align: justify;"><p>Links
und rechts von diesem Mittelfeld scheinen größere Fabelwesen abgebildet
zu sein, Löwen, Drachen oder Greifen, und zwar auf jeder Seite
mindestens sieben, zwischen ihnen jeweils aber noch kleinere Fabelwesen
mit denselben Umrissen. Zwischen den Fabelwesen stehen auch weitere
menschliche Gestalten. Mit ihnen könnte man versucht haben, "Feinde"
der Kirche darzustellen, die den Bestand der Kirche gefährden, vielleicht alte
heidnische Kräfte (die ja damals im östlichen Bereich der Ostsee noch recht lebendig waren, übrigens).</p></div><p style="text-align: justify;">Ganz
links von den Fabelwesen stehen dann drei mythisch aussehende
Gestalten, eine mit einem Beil, eine mit einer Streitaxt und eine dritte
vielleicht mit einer Spindel (?) (Abb. 1). Die Figur mit dem Beil hat nur ein Auge ... Zu ihren Füßen sind zwei
Hunde abgebildet, im
"Hintergrund" weitere kleinere Menschen und Tiere. Es gibt die Deutung,
daß es sich um drei skandinavische Könige handeln könnte. Es gibt aber
auch die Deutung, daß es sich um drei heidnische Götter - etwa: Odin,
Thor und Freya (oder Freyr) - handeln könnte.</p><div style="text-align: justify;"><p>Was besonders
auffällig erscheint: Bei allen dreien ist der Bereich der Ohren
besonders hervorgehoben - durch irgend eine Art von Kopfschmuck, der nicht besonders
leicht zu deuten und zu identifizieren ist. Etwa Hirschgeweihe wie sie - archäologisch vielfach bezeugt - von den mesolithischen Schamanen Nordeuropas und Osteuropas getragen worden sind? </p></div><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-7KuuQFP_res/YZD2QwU0giI/AAAAAAAAagc/6ewMsyten-QZzHjmllBATxR-J8QdTC83wCLcBGAsYHQ/s1280/F8.large.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="608" data-original-width="1280" height="304" src="https://1.bp.blogspot.com/-7KuuQFP_res/YZD2QwU0giI/AAAAAAAAagc/6ewMsyten-QZzHjmllBATxR-J8QdTC83wCLcBGAsYHQ/w640-h304/F8.large.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 5: Tempel- und Grabanlage der Hongshan-Kultur bei Niuheliang (links),
sowie zentrales Grab mit geschnitztem Jadeschmuck von einer anderen
Tempel- und Grabanlage (rechts) (Archäologisches Institut von Lianoning,
Shenjang 2004) (aus: 1)<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Wer sich über die Bedeutung des Hörens für die religiöse Haltung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit interessiert, ist vermutlich immer gut beraten, sich bildenerische Darstellungen der Heiligen Cäcilia (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/C%C3%A4cilia_von_Rom">Wiki</a>)
aus dieser Zeit durchzusehen.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Sie gilt in christlicher Zeit als die Schutzpatronin der Musik. Wir finden zahllose Gemälde der
Kunstgeschichte, in der sie als ein andächtiger, auf die Musik hörender
Mensch dargestellt ist. Der religiöse Mensch ist hier vor allem ein hörender
Mensch. Das Hören wird als der "innigste" aller Sinne empfunden, die Musik geht von
allen Künsten am direktesten zum Herzen. Religiöse Erhebung
heißt "stille werden", nach innen hören, heißt aufnahmebereit werden,
heißt, "große Ohren" bekommen.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Aber noch ein weiteres kann uns die Kunstgeschichte lehren: Der am innigsten mit Gott verbundene Mensch ist auch kein Hörender mehr. Diesen Umstand mag man sich - zum Beispiel - an den Menschendarstellungen des genialen deutschen Bildhauers und Bildschnitzers Tilman Riemenschneider vor Augen führen: Die Sinne sind nicht mehr der "Weg zu Gott". Der Mensch ist nun schlicht Gott.</span></span></p><div style="text-align: right;"><span class="aCOpRe"><span>/ Ergänzt um Ausführungen zu Ogmios: </span></span></div><div style="text-align: right;"><span class="aCOpRe"><span>12.5.23 /</span></span></div><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>______________</span></span></p><div style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>*) Als Anmerkung sei noch dargestellt, a</span></span>uf
welch wunderlichen Wegen wir zu diesem Gedanken überhaupt gekommen sind. Da hatten wir uns mit der weltgeschichtlich womöglich nicht unbedeutenden Hongshan-Kultur
(4.700-2.900 v. Ztr.) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hongshan-Kultur">Wiki</a>)
des Mittelneolithikums in der Mandschurei beschäftigt (<a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/11/die-manschurei-die-urheimat-der.html">Stgen15.11.2021</a>). Hier wird
neuerdings der ethnische, genetische und sprachliche
Ursprung nicht nur der Koreaner, Japaner, Mongolen und Tungusen vermutet, sondern auch derjenige der Turkvölker. (Übrigens wären das ja auch jene
Völker, die ja nicht selten für die Ausbreitung des Odins-Glaubens bis
hin zu den germanischen Stämmen im Westen verantwortlich gemacht werden, gemeinsam
mit den Sarmaten und Alanen.) <br /></div><div style="text-align: justify;">Dabei stoßen
wir - wiederum eher nebenbei - auf eine Studie aus dem Jahr 2006, die auf die eindrucksvolle Tempel-, bzw.
Grab-Anlage der Hongshan-Kultur bei Niuheliang (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Niuheliang">Wiki</a>)
aufmerksam macht (1). Ein dort an zentraler Stelle begrabener König hat einen eindrucksvollen Jade-Kopfschmuck getragen (1) (s. Abb. 5). <br /></div><div style="text-align: justify;">Bei dem Anblick dieses Königs drängt es sich fast auf, diesen Kopfschmuck in Parallele zu
setzen zu dem Kopfschmuck des Urvolkes der Indogermanen wie er sich in indogermanischen Kriegergräbern - wie in Warna
in Rumänien oder <span class="aCOpRe"><span>Giurgiulești
in Moldavien - um 4.500 v. Ztr. zeigt (2). Und bei solchen Parallelen möchte
man dann gerne einmal einen Beitrag schreiben über solchen eindruckvollen
Kopfschmuck als Kennzeichen einer bestimmten, ursprünglicheren Phase der Kulturentwicklung
der Menschheit, der Entwicklung gesellschaftlicher Komplexität in verschiedenen Teilen der Erde.</span></span></div><div style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Während wir noch darüber nachsinnen, erinnern wir uns an die "großen Ohren" der 1994 entdeckten Steinfigur des
Keltenfürsten vom Glauberg in Mittelhessen aus der Zeit um 500 v.
Ztr. (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Keltische_Blattkrone">Wiki</a>). War das ein Ohrenschmuck?</span></span></span></span> <br /></span></span></div><div style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>Zum Thema "Kopfschmuck in der Vorgeschichte und Völkerkunde" bitte also noch künftige Beiträge hier auf dem Blog abwarten.<br /></span></span></div><p style="text-align: justify;"><span class="aCOpRe"><span>__________________</span></span></p><ol style="text-align: justify;"><li><span class="aCOpRe"><span>Patterned variation in prehistoric chiefdoms. Robert D. Drennan,
Christian E. Peterson Proceedings of the National Academy of Sciences
Mar 2006, 103 (11) 3960-3967; DOI: 10.1073/pnas.0510862103, <a href="https://www.pnas.org/content/103/11/3960">https://www.pnas.org/content/103/11/3960</a>.</span></span></li><li><span class="aCOpRe"><span>Bading, Ingo: Die Indogermanen des 5. Jahrtausends v. Ztr., 5/2021, <a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/05/die-indogermanen-des-5-jahrtausends-v.html">https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/05/die-indogermanen-des-5-jahrtausends-v.html</a></span></span></li><li><span class="aCOpRe"><span>Bading, Ingo: Die Jupiter-Giganten-Säulen Ein eindrucksvolles Zeugnis der Religionspsychologie und Religionsgeschichte, 18/10/2021, <a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/10/die-jupiter-giganten-saulen.html">https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/10/die-jupiter-giganten-saulen.html</a></span></span></li><li><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Tainmont, T.: </span></span>The Panoti and some other fantastic forms of macrotia. Presented at the meeting of the Royal Belgian Society of Ear, Nose, Throat, Head and Neck Surgery on 17 November 2005. In: B ENT, 2006 (<a href="http://www.b-ent.be/Content/files/sayilar/81/2006-2-2-081-Tainmont.pdf">pdf</a>)<br /></span></span></li><li><span class="aCOpRe"><span>Bading, Ingo: "Aus weiter Ferne komm ich her ...", Mai 2016, <a href="https://studiengruppe.blogspot.com/2016/05/aus-weiter-ferne-komm-ich-her.html">https://studiengruppe.blogspot.com/2016/05/aus-weiter-ferne-komm-ich-her.html</a></span></span></li><li><span class="aCOpRe"><span><span class="aCOpRe"><span>Greßmann, Hugo (Hrsg.): </span></span>Altorientalische Texte zum Alten Testament. 1909 (<a href="https://archive.org/details/altorientalische0102gres/page/n5/mode/2up?view=theater">Archive</a>); De Gruyter, Berlin 1926 (<a href="https://books.google.de/books?id=fAQ0qgHKEDwC&pg=PA215&lpg=PA215&dq=%22er+tat+seinen+mund+auf+und+sprach%22&source=bl&ots=XMV6wyuXZL&sig=ACfU3U3sDEclagi3KgvJZQULfDcIMne_qw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiPurbl06H0AhUMi_0HHdbaBKUQ6AF6BAgLEAM#v=onepage&q=%22er%20tat%20seinen%20mund%20auf%20und%20sprach%22&f=false">GB</a>)</span></span></li></ol><div style="text-align: justify;">
</div></div></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-37683670792199436302021-07-19T21:00:00.006+02:002021-07-31T10:50:26.392+02:00Die lächerliche Wut<p> </p><div class="ecm0bbzt e5nlhep0 a8c37x1j"><span class="d2edcug0 hpfvmrgz qv66sw1b c1et5uql lr9zc1uh a8c37x1j keod5gw0 nxhoafnm aigsh9s9 d3f4x2em fe6kdd0r mau55g9w c8b282yb iv3no6db jq4qci2q a3bd9o3v knj5qynh oo9gr5id" dir="auto" lang="de-DE"><div class="kvgmc6g5 cxmmr5t8 oygrvhab hcukyx3x c1et5uql"><div dir="auto" style="text-align: start;"> <span style="font-size: x-large;"></span></div><blockquote><div dir="auto" style="text-align: start;"><span style="font-size: x-large;"> <b>"..... Die lächerliche Wut</b></span></div><div dir="auto" style="text-align: start;"><b><span style="font-size: x-large;">Der Neuerung, die nur der Ketten Last,</span></b></div><div dir="auto" style="text-align: start;"><b><span style="font-size: x-large;">Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert,</span></b></div><div dir="auto" style="text-align: start;"><b><span style="font-size: x-large;">Wird mein Blut nie erhitzen. ...."</span></b></div></blockquote><div dir="auto" style="text-align: start;"><span style="font-size: x-large;"></span></div><div dir="auto" style="text-align: start;"><span style="font-size: x-large;"> </span></div><div dir="auto" style="text-align: start;"><span style="font-size: x-large;"> </span></div><div style="text-align: right;"><span style="font-size: x-large;"><span style="font-size: small;">Der Marquis Posa gegenüber dem spanischen König <br /></span></span></div><div style="text-align: right;"><span style="font-size: x-large;"><span style="font-size: small;">in Friedrich Schillers Drama "Don Carlos", 1787</span></span></div><div style="text-align: right;"><span style="font-size: x-large;"><span style="font-size: small;"> </span></span></div><div style="text-align: right;"><span style="font-size: x-large;"><span style="font-size: small;"> </span></span></div><div style="text-align: right;"><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://4.bp.blogspot.com/-3xU30VNZz2Q/WUKZTKWUAcI/AAAAAAAAV4E/J-dp6SVz5-MLrcd1k8QJhBVGiUqnfcRJwCLcBGAs/s1600/Steinadler_Aquila_chrysaetos_closeup2_Richard_Bartz.jpg" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="800" data-original-width="1200" height="213" src="https://4.bp.blogspot.com/-3xU30VNZz2Q/WUKZTKWUAcI/AAAAAAAAV4E/J-dp6SVz5-MLrcd1k8QJhBVGiUqnfcRJwCLcBGAs/s320/Steinadler_Aquila_chrysaetos_closeup2_Richard_Bartz.jpg" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb.: Steinadler<br />
<span style="font-size: xx-small;">Fotograf: Richard Bartz<br />(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Steinadler_Aquila_chrysaetos_closeup2_Richard_Bartz.jpg">Wiki</a>)</span></td></tr>
</tbody></table><br /><span style="font-size: x-large;"><span style="font-size: small;"> </span> </span></div></div></span></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-32639908819067763202021-06-28T06:14:00.009+02:002022-09-22T12:22:53.732+02:00"Hyperions Fahrt nach Kalaurea"<div><div style="text-align: justify;"><b>Ein wenig bekanntes Gemälde aus dem Jahr 1823</b><br /></div><p style="text-align: justify;">Dieser Beitrag möchte auf ein wenig bekanntes Gemälde aufmerksam machen, auf das Gemälde "Hyperions Fahrt nach Kalaurea", das im Jahr 1823 entstanden ist (Abb. 1).</p><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-ckGncSc6QLU/YNmVTcaMvCI/AAAAAAAAaEA/-XRkssvymkoL_Ta-zhyNY2lNvO41LPCRQCLcBGAsYHQ/s1175/Lohbauer%2BHyperion.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1080" data-original-width="1175" height="588" src="https://1.bp.blogspot.com/-ckGncSc6QLU/YNmVTcaMvCI/AAAAAAAAaEA/-XRkssvymkoL_Ta-zhyNY2lNvO41LPCRQCLcBGAsYHQ/w640-h588/Lohbauer%2BHyperion.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Rudolf Lohbauer - "Hyperions Fahrt nach Kalaurea" (1823)<br /></td></tr></tbody></table><p></p><p style="text-align: justify;"> Der Ernst, der von der sitzenden Figur ausgeht, zieht einen sofort in den Bann, selbst wenn man auf dieses nur flüchtig bei Bildersuche im Internet stößt. Liest man dann noch Stichworte wie "Hölderlin" und "Kalaurea", kann man es nicht an sich vorüber gehen lassen, ohne sich mit ihm genauer zu befassen.</p><p style="text-align: justify;">Seine Herkunft? Zunächst findet es sich als Umschlagbild einer englischsprachigen
Ausgabe des Romans "Hyperion" von Friedrich Hölderlin. Die genauere Recherche zeigt dann: Dieses Gemälde wurde über hundert Jahre im privaten Familienbesitz in Stuttgart weiter vererbt. Und es wurde erst 1957 der Fachwelt bekannt. 1996/97 wurde schließlich ein zweites mal innerhalb der Fachwelt an dieses Gemälde erinnert (1, 2). Auf welche Stelle des Romans "Hyperion" bezieht sich dieses Gemälde? Es bezieht sich auf die Worte:</p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="color: #38761d;"><b>"Mein fröhlicher Schiffer hätte gerne mit mir gesprochen. Aber ich war sehr einsilbig."</b></span><br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">In diesem Gemälde drückt sich der Ernst eines ganzen Jahrhunderts aus.</p><p style="text-align: justify;">Der Brief, den der Künstler dieses Gemäldes im Juni 1823, kurz vor Anfertigung desselben an seinen "Herzensbruder", den Dichter Eduard Mörike schrieb (1), macht erst darauf aufmerksam wie "real" damals, im Jahr 1823 noch die Möglichkeit war, nach Griechenland zu gehen, um sich dort mit offenen Armen in den Freiheitskampf zu werfen, und um alles Nachdenken und alles Trauern und alles tiefe Leid und alle heftige Niedergeschlagenheit vergessen zu können rund um die Schmach, Erniedrigung und Entblößung des eigenen Vaterlandes in den damaligen Zeitläufen. Davon unter anderem handelt der Roman "Hyperion". Und der Brief macht erst darauf aufmerksam, wie real damals viele von den Inhalten des Hölderlin-Romanes waren, die uns - von heute aus gesehen - nur noch "romanhaft" erscheinen.</p><p style="text-align: justify;">Im September 1823 wurde dieses Gemälde auf einer Ausstellung in Stuttgart der Öffentlichkeit gezeigt. Es fand wohlwollende Beachtung (1).<br /></p><p style="text-align: justify;">Was für ein erregender Einfluß von diesem Gemälde ausgeht. Tatsächlich möchte man recht bald zu dem Urteil kommen, daß
es sich bei diesem Gemälde um eine der nur sehr seltenen Illustrationen zu dem Werk "Hyperion" von Friedrich Hölderlin handelt, von
denen gesagt werden könnte, daß sie Aspekte des Gehaltes dieses Werkes so zum Ausdruck bringen, daß sie dabei in nicht gar zu krassem Mißverhältnis zum Roman selbst stehen. Und daß sie diesen dadurch womöglich sonderbar konterkarieren. Lasse diesbezüglich gerne jeder selbst dieses Gemälde auf sich wirken. Und natürlich den zugehörigen Roman.<br /></p><p style="text-align: justify;">Welcher junge Mann war das aber, der seine wilde, stolze, stürmische, zugleich heftig niedergeschlagene Trauer über die Zeitenläufe, über die Lieblosigkeit, den Sarkasmus, die Abartigkeit seiner Lebensumstände in diesem Gemälde zusammenfaßte? </p><p style="text-align: justify;">Von wem also stammt dieses Gemälde?</p><h2 style="text-align: justify;">Der Revolutionär Rudolf Lohbauer <br /></h2><p style="text-align: justify;">Der Maler war ein damals 21-jähriger Stuttgarter. Er sollte nachmals 1848'er Revolutionär in Berlin werden, sowie radikal-demokratischer Politiker: Rudolf Lohbauer (1802-1873)(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Lohbauer">Wiki</a>) (1).</p><p style="text-align: justify;">Um 1823 herum bewegte sich Lohbauer als 21-jähriger Mann im Freundeskreis von Eduard Mörike und Wilhelm
Waiblinger, im Umfeld eines Freundeskreises also, der zugleich Person und Werk des - ansonsten
weithin vergessenen - Friedrich Hölderlin in ehrenvollem Angedenken erhielt, und der - zumindest zum Teil - auch die Inhalte dieses Lebenswerkes in Wort und Tat nachvollziehen konnte. Das auch
sonst sehr wechselhafte Leben und die feurige Persönlichkeit dieses vielseitigen Künstlers, Politikers und Schriftstellers Rudolf Lohbauer geben Zeugnis von diesem Umstand. Haben sie doch sogar auf
Wikipedia eine - für dieses Portal ungewöhnlich - lebendige Würdigung erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Lohbauer">Wiki</a>):<br /></p><div style="text-align: justify;"><blockquote>Nach
Hans Königer zeigte Lohbauer manche Ähnlichkeit mit der
Personalstruktur Wilhelm Waiblingers in <span style="color: #cc0000;"><b>seiner kühnen, vielgestaltig
schillernden Persönlichkeit</b></span>, seinem unkonventionellen, magnetisch
anziehenden, die Menschen im Sturm erobernden Wesen, das ängstlichen
Zeitgenossen triebhaft, pathologisch oder dämonisch erschien. W. Lang
schrieb, er habe eine bewegliche phantasievolle Natur, die ihm nie
erlaubte, festen Grund zu fassen. Lohbauer war ein Suchender, der
unbefriedigt von einem Ziel zum anderen schwankte. Sein Vetter Rümelin
beschrieb ihn nach dem Tode als Mann, <span style="color: #cc0000;"><b>der zu seinen Idealen stand und
zum Höchsten berufen schien;</b></span> <span style="color: #cc0000;"><b>daß er stets in allen Lagen des Lebens ein reiner und edler Mensch gewesen war, der die höchsten Ziele vor Augen hatte</b></span>.</blockquote></div><p style="text-align: justify;">Ja, zu jenen Zeiten gab es noch Kreise, in denen "Schwanken" nicht in Widerspruch gesetzt wurde dazu, daß man ein reiner und edler Mensch wäre. Eher im Gegenteil. Gänzlich andere Verhältnisse als heute. Was für hinreißende Zeiten. Ja, etwas von dieser heftigen Energie, diesem "schwankenden Unzufriedensein" wird wohl doch auch in diesem Gemälde "Hyperions Fahrt nach Kalaurea" erzählt. Im Hölderlin-Jahrbuch von 1996/97 steht (2):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Rudolf Lohbauers Hyperion-Bild wurde 1824 in der Kunst- und Industrieausstellung in Stuttgart und 1970 in der Ausstellung zu Hölderlins 200. Geburtstag in Marbach gezeigt, nachdem Alfred Kelletat das zuletzt 1833 in einer Druckschrift erwähnte Bild 1957 im Hölderlin-Jahrbuch der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt (...) und seine Beziehung zu Hölderlins "Hyperion" nachgewiesen hatte. Da ich mit diesem Bild, das immer im Wohnzimmer meiner Eltern hing, aufgewachsen bin und es oft betrachtet (...) habe, erlaube ich mir, (...) einige ergänzende Bemerkungen zu Kelletats grundlegendem Aufsatz vorzulegen. ....</p></blockquote><p>Noch 1996 also konnte dieses Gemälde Menschen bewegen. </p><h2 style="text-align: left;">Hölderlin-Porträt aus dem Jahr 1823<br /></h2><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-uzU4g3kus0M/YNmXj-zGGYI/AAAAAAAAaEI/G4SIprHZyKU6NE7cQRWPcsLpyrodFbP7wCLcBGAsYHQ/s728/Lohbauer%2BH%25C3%25B6lderlin.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="728" data-original-width="595" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-uzU4g3kus0M/YNmXj-zGGYI/AAAAAAAAaEI/G4SIprHZyKU6NE7cQRWPcsLpyrodFbP7wCLcBGAsYHQ/w524-h640/Lohbauer%2BH%25C3%25B6lderlin.jpg" width="524" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Friedrich Hölderlin, gezeichnet von Rudolf Lohbauer (Tübingen, Juli 1823) - Im Nachlaß von Eduard Mörike erhalten<br /></td></tr></tbody></table></div><div style="text-align: justify;"><p> Von Lohbauer finden sich noch andere Kunstwerke vergleichbaren Gehalts (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Rudolf_Lohbauer">Wiki Commons</a>). Lohbauer schuf - anläßlich eines Besuches bei Hölderlin in Tübingen im Jahr 1823 - auch eines jener Portraits von diesem Dichter, das allen Hölderlin-Kennern als wichtig bekannt geblieben ist (Abb. 2). Ob Friedrich Hölderlin das Gemälde "Hyperions Fahrt nach Kalaurea" jemals zu Gesicht bekommen hat?</p></div><p></p><p style="text-align: justify;">_______</p><ol style="text-align: left;"><li style="text-align: justify;">Kelletat, Alfred: Rudolf Lohbauers Hölderlin-Brief und Hyperion-Bild aus dem Jahre 1824. In: Hölderlin-Jahrbuch 1957 (frei <a href="https://www.hoelderlin-gesellschaft.de/website/de/publikationen/jahresbuecher-digital/jahrbuecher-digital">als pdf</a> verfügbar) <br /></li><li style="text-align: justify;">Ludwig, Walther: Rudolf Lohbauers Bild "Hyperions Fahrt nach Kalaurea", Hölderlin-Jahrbuch 30 (1996/1997), S. 359-80 (frei <a href="https://www.hoelderlin-gesellschaft.de/website/de/publikationen/jahresbuecher-digital/jahrbuecher-digital">als pdf</a> verfügbar)</li></ol>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-58674225953683054762021-05-23T09:43:00.002+02:002021-05-23T09:43:25.449+02:00Porträts deutscher Menschen
<div style="text-align: justify;"><p></p><div><b>Woher stammt die Daseinsberechtigung des Deutschen auf dieser Erde?</b> <br /></div><p>Sicherlich wird es jedem schon einmal geschehen sein, daß er beim Betrachten von bestimmten Kunstwerken an bestimmte Menschen denken muß, die er in seinem Leben kennen gelernt hat. Diese Kunstwerke bringen dann Züge der Persönlichkeit eines Menschen zum Ausdruck, die sowohl persönlicherer wie allgemeinerer Art sein können. Sie bringen sie zum Ausdruck vielleicht klarer, als das im Lebensalltag und auf Fotografien, die in diesem entstehen, möglich ist. </p></div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://2.bp.blogspot.com/-X9BTMWhrnp4/XENcL0tpYFI/AAAAAAAAXVc/wtKsjod8BDE1S2Q3QR6b_42oVOiUFuLzgCLcBGAs/s1600/Tilman_Riemenschneider_schuf_%25281492-93%2529_die_Statuen_von_Adam_und_Eva._1%2B%2528960x1280%2529.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1280" data-original-width="960" height="640" src="https://2.bp.blogspot.com/-X9BTMWhrnp4/XENcL0tpYFI/AAAAAAAAXVc/wtKsjod8BDE1S2Q3QR6b_42oVOiUFuLzgCLcBGAs/s640/Tilman_Riemenschneider_schuf_%25281492-93%2529_die_Statuen_von_Adam_und_Eva._1%2B%2528960x1280%2529.jpg" width="480" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Tilman Riemenschneider - Adam (Fotograf: Holger Uwe Schmitt, bearbeitet, Herkunft: <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tilman_Riemenschneider_schuf_(1492-93)_die_Statuen_von_Adam_und_Eva._1.jpg">Wiki</a>)</td></tr>
</tbody></table>
<div style="text-align: justify;"><p>
So kann es einem etwa geschehen, wenn man auf einige
Kunstwerke des deutschen Bildhauers Tilman Riemenschneider (1460-1531)(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tilman_Riemenschneider">Wiki</a>) stößt.</p></div><div style="text-align: justify;"><p></p></div><div style="text-align: justify;"><p>Der Ernst, der sich im Gesicht des "Adam" (Abb. 1) wiederfindet, sozusagen die nach innen gekehrte Abgewandtheit vom Leben, sie scheint dem Autor dieser Zeilen ein ganz besonderer Charakterzug eines Menschen gewesen zu sein, den er im Leben kennengelernt habe, und der sich im Grunde in vielen seiner Handlungen wiederfindet, von dem seine Persönlichkeit geprägt gewesen ist. <br /></p></div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://2.bp.blogspot.com/-FGqa3cHHLfY/XENVul4NtOI/AAAAAAAAXVQ/BKphloDGyZYwD4kBLM7CwVxUKlG3_sfbQCLcBGAs/s1600/16679246255.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="752" data-original-width="487" height="640" src="https://2.bp.blogspot.com/-FGqa3cHHLfY/XENVul4NtOI/AAAAAAAAXVQ/BKphloDGyZYwD4kBLM7CwVxUKlG3_sfbQCLcBGAs/s640/16679246255.jpg" width="414" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Titelseite eines viel aufgelegten Riemenschneider-Buches von Kurt Gerstenberg, hier 1961</td></tr>
</tbody></table>
<div style="text-align: justify;"><p>Dieser Ernst, der auch mit mancher Unerbittlichkeit einher gehen kann,
kann auf manche Menschen "fremd"
wirken. </p></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://4.bp.blogspot.com/-T7wY9kjYWqs/XENVLGuJzcI/AAAAAAAAXVI/LdTkRj0ialAri7RCV_bUqiR0H4mfDwebQCLcBGAs/s1600/3466592085.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="846" data-original-width="573" height="640" src="https://4.bp.blogspot.com/-T7wY9kjYWqs/XENVLGuJzcI/AAAAAAAAXVI/LdTkRj0ialAri7RCV_bUqiR0H4mfDwebQCLcBGAs/s640/3466592085.jpg" width="432" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 3: Selbstporträt von Tilman Riemenschneider</td></tr>
</tbody></table>
<div style="text-align: justify;"><p>Im Kunstwerk drängt sich ein solches Gefühl der Fremdheit
nicht ganz so stark auf wie im lebendigen Leben. Die nach innen gekehrte
Zugewandtheit zum Göttlichen - sie könnte es gewesen sein, die das Leben eines solchen Menschen geprägt hat.</p><p>Sie hat natürlich auch nichts damit zu tun, daß ein solcher Mensch nicht auch
herzlich würde lachen und fröhlich sein können. </p></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://images.booklooker.de/x/03210611_MTcxNzc=/Kurt-Gerstenberg+Tilman-Riemenschneider.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="627" data-original-width="510" height="640" src="https://images.booklooker.de/x/03210611_MTcxNzc=/Kurt-Gerstenberg+Tilman-Riemenschneider.jpg" width="520" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Titelseite des Riemenschneider-Buches von Kurt Gerstenberg, 3. Auflage 1950</td></tr>
</tbody></table><p style="text-align: justify;">
Der geradezu verzerrte Gesichtsausdruck, den Tilman Riemenschneider in
einem seiner Selbstporträts (Abb. 3) zur Darstellung bringt, könnte eine Folge des großen Mißverhältnisses
sein des im Innern erlebten Göttlichen, Zugewandten und des äußerlich in der Welt der Mitmenschen
Erfahrenen, Erlebten. <br /></p><p>In Abbildung 4 noch einmal dasselbe Kunstwerk wie in Abbildung 2.</p>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-75222007039453799912021-05-23T09:16:00.012+02:002022-07-27T06:49:49.912+02:00Dieses Universum hat sich niemand ausgedacht<p style="text-align: justify;">Dieses Universum hat sich niemand ausgedacht. </p><p style="text-align: justify;">Es kann niemand schuldig oder verantwortlich gemacht werden für unsere Situation. </p><p style="text-align: justify;">Wir können verzweifeln, wir können zusammen brechen, wir können zynisch werden, wir können uns jeder Form von Oberflächlichkeit in die Arme werfen. Um uns von unserer Situation abzulenken. All das können wir. All das ist möglich. All das geschieht.<br /></p><p style="text-align: justify;">Aber:</p><p style="text-align: justify;">Wir befinden uns mitten im Vollzug eines Projektes der Bewußtwerdung des Göttlichen hier auf Erden. Und zwar eine Bewußtwerdung des Göttlichen durch uns selbst. </p><p style="text-align: justify;">Niemand anderer kann sich des Göttlichen bewußt werden. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-NlWWGsF2gP4/YJ_t5Ar7tBI/AAAAAAAAZtY/SNeXK7IhrPENsVtQ1hurtBJ3uQc9avYAgCLcBGAsYHQ/s900/max-beckmann-odysseus-and-the-siren-186680.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="900" data-original-width="585" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-NlWWGsF2gP4/YJ_t5Ar7tBI/AAAAAAAAZtY/SNeXK7IhrPENsVtQ1hurtBJ3uQc9avYAgCLcBGAsYHQ/w416-h640/max-beckmann-odysseus-and-the-siren-186680.jpg" width="416" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Odysseus und die Sirene - Max Beckmann - 1933<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Vielleicht ist ein solcher Prozeß das Opfer wert. Vielleicht ist ein solcher Prozeß das Leiden wert, das erdenweit besichtigt werden kann. Das Leiden wert, das erfahren werden kann, das uns befällt wie eine böse Krankheit, wie ein böser Aussatz.</p><p style="text-align: justify;">Offensichtlich stehen wir mitten in einem schmerzvollen, ja, schmachvollen Prozeß. Ein Prozeß wie eine Geburt, wie das Durchbrechen des Sprößlings aus dem Samen - aus der Erde zum Licht heraus, wie das Durchbrechen der Blüte durch die streng verkapselte, verschlossene Knospe hindurch.</p><p style="text-align: justify;">Schrei doch die Himmel an.</p><p style="text-align: justify;">Glaubst du, sie werden antworten? </p><p style="text-align: justify;">Geantwortet haben sie noch nie. Wenn die Menschen "Antworten" hörten, dann waren das Antworten, die andere Menschen sich ausgedacht haben oder die sie sich selbst ausgedacht haben. </p><p style="text-align: justify;">Wir sind die Antwort.<br /></p><p style="text-align: justify;">Jeder von uns ist die Antwort.</p><p style="text-align: justify;">Wir sind der Prozeß selbst.</p><p style="text-align: justify;">Wir stehen mitten im Werden dieses Universums. Mitten in der Bewußtwerdung, die das Universum durch uns erfährt.</p><h4 style="text-align: justify;">Natürlich .... <br /></h4><p style="text-align: justify;">Natürlich, so kann man sagen: Intelligentes oder weniger intelligentes "Design" unserer Lebenswelt gibt es. Es gibt Thinktanks, einflußreiche, die sich ein "Design" für unsere Gesellschaft ausdenken. Und sie sehen sich nicht selten an als "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft".*)</p><div style="text-align: justify;"></div><p style="text-align: justify;">Nun, wer auf der Seite des Guten steht, mag zweifeln daran, ob durch die dort vorherrschenden Methoden Gutes geschaffen wird. Was ist da alles möglich. Und kein Gott hilft?</p><p style="text-align: justify;">Nein.</p><p style="text-align: justify;">Kein Gott hilft.</p><p style="text-align: justify;">Du Mensch bist Gott. Du sollst das Gute schaffen. Und dem Bösen das Leben schwer machen.</p><p style="text-align: justify;">Sicher ist eines: Wenn abartige Mittel und Wege beschritten werden - seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden - dann ist das, wir mögen es wollen oder nicht, Teil jenes Prozesses, in dem wir uns befinden. So etwas also ist - offenbar im Geheimen - notwendig, um jene Situation schaffen zu können, in der wir uns heute befinden. </p><p style="text-align: justify;">Zunächst: Ist daran nicht - auch - die unermeßiche Kraft des Guten erkennbar? Die kaum zu besiegen ist? Wenn es systematische Gewalt, Folter und Mord geben muß - seit vielen Jahrhunderten - um das Gute und die Guten so in die Knie zu zwingen wie es heute der Fall ist?</p><p style="text-align: justify;">Wie stark muß die Kraft des Guten sein, wenn so etwas überhaupt "notwendig" ist?</p><p style="text-align: justify;">Vertrauen wir doch auf diese Kraft des Guten. Auf diese Ketten sprengende, Berge zum Bersten bringende Kraft des Guten. Nur wenn wir auf diese Kraft vertrauen, können wir den "Unrat" aus der Welt bringen.</p><p style="text-align: justify;">Ja, intelligente und weniger intelligente "Designer" haben - in Thinktanks (unter Umgehung aller öffentlichen "Gewaltenteilung") - durch politmediales "Design" unsere heutige Situation mit gestaltet. Ja. Hier haben sich tatsächlich Menschen etwas ausgedacht. Menschen, die nicht jeder Mensch für sympathisch hält.</p><p style="text-align: justify;">Ja.</p><p style="text-align: justify;">Aber bleiben wir uns eines bewußt: Auch diese können immer nur im Rahmen jener Rahmen- und Randbedingungen handeln, die ihnen vorgegeben sind. Sie sind nicht mächtiger als das Universum. Selbst wenn einige sich diese Macht zusprechen sollten. Nein, sie sind - ja - "Teil" dieses Prozesses des Universums, sich seiner selbst - durch uns - bewußt zu werden.</p><p style="text-align: justify;">Und nur als Teil dieses Prozesses haben sie Handlungsspielräume. Sie selbst wissen am besten wie weit und zugleich doch auch wieder begrenzt diese Handlungsspielräume sind. Sie sind nur deshalb so einflußreich geworden, weil sie - immer schon - höllische Angst davor hatten, über die Strenge zu schlagen und dann Gegenbewegungen auf den Plan zu rufen, denen sie nicht oder nur noch schwer Herr werden können. Über viele Jahrhunderte hinweg sind sie darüber belehrt worden und haben gelernt. Sie kennen ihre Stärken und ihre Schwächen, sie kennen ihre Handlungsspielräume und die Begrenzungen derselben. Sonst könnten sie nicht so einflußreich sein wie sie heute sind.</p><p style="text-align: justify;">Und wir?</p><p style="text-align: justify;">Kennen wir unsere Handlungsspielräume? Wissen wir von jenen Randbedingungen, die wir beachten sollten? Sind wir - klug - genug?</p><p style="text-align: justify;">Oder haben wir uns - durch Oberflächlichkeiten, durch Zynismus, durch Verbitterung - das Gehirn zukleistern lassen? Versuchen wir - wie kleine Kinder - auf kürzestem Weg zum Ziel zu kommen? (Was fast immer fehl geht.) Versuchen wir - "mit dem Kopf durch die Wand" zu rennen? Alles das ist möglich. Alles das geschieht. Keiner von uns ist davor gefeit. All das ist Teil des Prozesses.</p><p style="text-align: justify;">Und deshalb und zur Erläuterung der Abbildung oben:<br /></p><p style="text-align: justify;">Wenn sie singen ... </p><p style="text-align: right;">... die schauerlichen Sirenen dieser Zeit ... <br /></p><p style="text-align: right;"><br /></p><p style="text-align: left;"><span data-offset-key="6ntjk-0-0"><span data-text="true">... laß Dich </span></span><br /></p><p style="text-align: justify;"><span data-offset-key="6ntjk-0-0"><span data-text="true"><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span>- wie Odysseus - </span></span></p><p style="text-align: justify;"><span data-offset-key="6ntjk-0-0"><span data-text="true"><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span>an den Schiffsmast binden. </span></span></p><p style="text-align: justify;"><span data-offset-key="6ntjk-0-0"><span data-text="true"><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span><span> </span>Verfall ihnen nicht.<span style="font-size: small;"> .......<br /></span></span></span></p><p style="text-align: justify;"> </p><p style="text-align: justify;">_________</p><div style="text-align: justify;">*) "Sind nicht jene, die die Welt verderben, die Brüder der Tugendhaften?" schrieben uns Menschen, die so denken, schon vor Jahren ins Stammbuch.</div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-82467338044019437522021-04-16T13:16:00.001+02:002021-04-20T07:49:42.155+02:00Zuspruch<div style="text-align: left;"></div><p> </p><div style="text-align: left;"><span style="font-size: large;"><i><b>Herr! schicke, was du willst,</b></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: large;"><i><b>Ein Liebes oder Leides;</b></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: large;"><i><b>Ich bin vergnügt, daß Beides</b></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: large;"><i><b>Aus deinen Händen quillt.</b></i></span></div><div style="text-align: left;"><i><b> </b></i></div><div style="text-align: left;"><b> <span style="font-size: medium;"><i><span>E. Mörike</span> </i></span></b></div><div style="text-align: left;"></div><div style="text-align: left;"></div><div style="text-align: left;"> <br /></div><div style="text-align: left;"> <table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-AEtoyS9JEGU/YHaREt2TSCI/AAAAAAAAZhc/SfzJ_mVf6l8pKt3toWJ06T21XlFvFvHZQCLcBGAsYHQ/s1369/1200px-Gagea_lutea_070406a.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1369" data-original-width="1200" height="400" src="https://1.bp.blogspot.com/-AEtoyS9JEGU/YHaREt2TSCI/AAAAAAAAZhc/SfzJ_mVf6l8pKt3toWJ06T21XlFvFvHZQCLcBGAsYHQ/w350-h400/1200px-Gagea_lutea_070406a.jpg" width="350" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Wald-Gelbstern (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wald-Gelbstern#/media/Datei:Gagea_lutea_070406a.jpg">W</a>)<br /></td></tr></tbody></table><br /></div><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: center;">***</div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: center;"><br /></div><div style="text-align: left;"><br /></div><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-430kpBvc1wo/YHaPsjD8O3I/AAAAAAAAZhU/xogSgQJBBNIvpiI3PlZSzpFHquyUUdq6ACLcBGAsYHQ/s1024/Moerike_PM.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1024" data-original-width="698" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-430kpBvc1wo/YHaPsjD8O3I/AAAAAAAAZhU/xogSgQJBBNIvpiI3PlZSzpFHquyUUdq6ACLcBGAsYHQ/w436-h640/Moerike_PM.jpg" width="436" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Handschrift von Eduard Mörike - Aus Literaturarchiv Marbach (<a href="https://www.dla-marbach.de/presse/pressefotos-videos/sammlung-berge-eduard-moerike/?no_cache=1">Quelle</a>)<br /></td></tr></tbody></table><br /><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: center;">***<br /></div><div style="text-align: left;"><div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;"><b> </b></span></div><div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;"><b>Einsam und verlassen</b></span></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">Kamid, wie erträgst du</span></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">das Fehlen der Liebsten?</span></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">Sie ist von dir gegangen,</span></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">du bist hier geblieben.</span></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">Nimm eine Pfeife</span></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">und ein Pfund Tabak</span></div>
<div style="text-align: center;">
<span style="font-size: large;">mit in die Länder,</span></div>
<div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;">in die du jetzt ziehst!</span></div><div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;"> </span></div><div style="text-align: center;"><span style="font-size: large;"><span style="font-size: small;">(Gedicht der Tuareg)</span> <br /></span></div></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<b style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;"> </b></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: left;"><b style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;"> </b></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;"><span style="font-size: large;">*** </span></span><b style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;"><br /></b></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: left;"><b style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;"> </b></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: left;"><b style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;"> </b></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: left;"><span style="font-size: large;"><b style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif;">Ein bischen Freude.</b></span></div>
<div style="background-color: white; color: #252525; font-family: sans-serif; line-height: inherit; margin-bottom: 0em; margin-top: 0em;">
<br />
<span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">Wie heilt sich ein verlassen Herz,<br />
Der dunkeln Schwermuth Beute?<br />
Mit Becher-Rundgeläute?<br />
Mit bitterm Spott? Mit frevlem Scherz?</span></span></div><span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">
</span></span><div class="ws-noexport" style="background-color: white; color: #252525; position: relative;">
<span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;"><span class="zeilennummer" style="left: -4.5em; margin: 0em; position: absolute; text-align: right; top: 0em; vertical-align: middle; width: 4em;"><br /></span></span></span></div><span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525;">Nein. Mit ein bischen Freude!</span><br />
</span></span><div style="background-color: white; color: #252525; line-height: inherit; margin-bottom: 0em; margin-top: 0em;">
<span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;"><br />
Wie flicht sich ein zerrissner Kranz,<br />
Den jach der Sturm zerstreute?<br />
Wie knüpft sich der erneute?<br />
Mit welchem Endchen bunten Bands?</span></span></div><span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">
</span></span><div class="ws-noexport" style="background-color: white; color: #252525; position: relative;">
<span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;"><span class="zeilennummer" style="left: -4.5em; margin: 0em; position: absolute; text-align: right; top: 0em; vertical-align: middle; width: 4em;"><br /></span></span></span></div><span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525;">Mit nur ein bischen Freude!</span><br />
</span></span><div style="background-color: white; color: #252525; line-height: inherit; margin-bottom: 0em; margin-top: 0em;">
<span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;"><br />
Wie sühnt sich die verjährte Schuld,<br />
Die bitterlich bereute?<br />
Mit einem strengen Heute?<br />
Mit Büßerhast und Ungeduld?</span></span></div><span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">
</span></span><div class="ws-noexport" style="background-color: white; color: #252525; position: relative;">
<span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;"><span class="zeilennummer" style="left: -4.5em; margin: 0em; position: absolute; text-align: right; top: 0em; vertical-align: middle; width: 4em;"><br /></span></span></span></div><span style="font-size: large;"><span style="font-family: times;">
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525;">Nein. Mit ein bischen Freude!</span></span></span><br />
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525;">Conrad Ferdinand Meyer</span><br />
<br />
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<a href="https://3.bp.blogspot.com/-O2kTmmfMTj8/WH5EM719p_I/AAAAAAAAVKE/tPA7PRy4iCkqTybkCbAlzYlQ1GpTH5onwCLcB/s1600/Conrad_Ferdinand_Meyer_Gedichte_049.jpg" style="clear: right; float: right; font-family: "Times New Roman"; font-size: medium; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em; text-align: center;"><img border="0" src="https://3.bp.blogspot.com/-O2kTmmfMTj8/WH5EM719p_I/AAAAAAAAVKE/tPA7PRy4iCkqTybkCbAlzYlQ1GpTH5onwCLcB/s1600/Conrad_Ferdinand_Meyer_Gedichte_049.jpg" /></a><span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>
<span face="sans-serif" style="background-color: white; color: #252525; font-size: 14px;"><br /></span>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-32591412331071310202021-03-30T11:38:00.008+02:002023-03-26T11:19:34.301+02:00Der Freudengott kommt im Triumph<p></p><div style="text-align: left;"><b>... in die Völkerwelt</b></div><div style="text-align: left;"><b> - Wann beginnt sein Triumphzug?</b></div><p style="text-align: right;">[ Leitwort ]<b> </b> <br /></p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="font-size: large;"><span style="color: #274e13;"><i><span style="font-family: georgia;"><b>An unsere großen Dichter</b></span></i></span></span></p><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b>Des Ganges Ufer hörten des Freudengotts</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> Triumph, als allerobernd vom Indus her</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> Der junge Bacchus kam, mit heil'gem</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> Weine vom Schlafe die Völker weckend.</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> </b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b>O weckt, ihr Dichter! weckt sie vom Schlummer auch,</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> Die jetzt noch schlafen, gebt die Gesetze, gebt</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> Uns Leben, siegt, Heroën! ihr nur</b></span></span></i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: medium;"><i><span style="font-family: georgia;"><span style="color: #274e13;"><b> Habt der Eroberung Recht, wie Bacchus.</b></span></span></i></span></div><p style="text-align: left;"> Friedrich Hölderlin, 1798 </p></blockquote><p></p><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Ein Aufruf an die Dichter und kulturell Schaffenden seiner Zeit von Seiten des Dichters und Geschichtsphilosophen Friedrich Hölderlin (1770-1843). </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-I0t_neiDWKQ/YUbWyXKThuI/AAAAAAAAaS0/KwIDqw6M6SIJrwPANtjNrQS_rS08aLJXQCLcBGAsYHQ/s2048/Dionysus%252C_marble_bust_Knossos%252C_2nd_century_AD%252C_AMH%252C_145410.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="2048" data-original-width="1365" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-I0t_neiDWKQ/YUbWyXKThuI/AAAAAAAAaS0/KwIDqw6M6SIJrwPANtjNrQS_rS08aLJXQCLcBGAsYHQ/w426-h640/Dionysus%252C_marble_bust_Knossos%252C_2nd_century_AD%252C_AMH%252C_145410.jpg" width="426" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Dionysos - Geschaffen in Ergriffenheit vor unantastbarer, heiliger Jugend - Mamorbüste aus Knossos, 2. Jhdt. n. Ztr.<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Ob
diese nicht auch noch Aufruf für heute sein können. Haben wir nicht
auch heute noch "der Eroberung Recht, wie Bacchus"? Ist es denn nicht
tatsächlich so, daß nur noch auf diese Weise das Überleben des
Göttlichen auf dieser Erde gesichert werden kann?<br /></p><p style="text-align: justify;">Ist ein solcher Aufruf nicht sinnvoll, um als Leitwort zu dienen für einen modernen, gesellschaftlichen Aufbruch?</p><p style="text-align: justify;">In diesen - wenigen - dichterischen Zeilen ist - wie in einer großen Zahl von Dichtungen von Friedrich Hölderlin - die Rede von einem neuen Zeitalter,
das herauf kommt gemeinsam mit einer neuen Lebensanschauung, einem neuen
Zeitgeist, einer neuen philosophischen und dichterischen Gesamtdeutung
der Welt. Einer Gesamtdeutung, die zu Freudentaumeln Anlaß gibt.</p><p style="text-align: justify;">Es
geht um eine erneute Wieder-Heraufkunft der untergegangene Antike, um
eine Wieder-Heraufkunft in einer neuen, modernern, womöglich noch
lebendigerer Form. </p><p></p><p></p><p style="text-align: justify;">Viele Künstler, Denker,
Philosophen, Wissenschaftler haben dieser Wieder-Heraufkunft über viele
Jahrhunderte hinweg vorgearbeitet. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-wcYyMsCDQ4k/YGG2Z-SlkXI/AAAAAAAAZeg/1hJz0hp7iDsbDgrx8R7L9a2aglzxpayQgCLcBGAsYHQ/s2705/Sileno_del_100-150_con_testa_di_et%25C3%25A0_flavia%252C_da_originali_del_primo_ellenismo_della_cerchia_di_lisisppo.JPG" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="2705" data-original-width="1162" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-wcYyMsCDQ4k/YGG2Z-SlkXI/AAAAAAAAZeg/1hJz0hp7iDsbDgrx8R7L9a2aglzxpayQgCLcBGAsYHQ/w274-h640/Sileno_del_100-150_con_testa_di_et%25C3%25A0_flavia%252C_da_originali_del_primo_ellenismo_della_cerchia_di_lisisppo.JPG" width="274" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Silenus (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Silenus">Wiki</a>) - Römische Skulptur, Rom<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Sie
arbeiten ihr gegenwärtig vor, gebannt, vereinnahmt von den
Möglichkeiten menschlicher, gesellschaftlicher Entwicklung, gebannt von
den Möglichkeiten philosophischer Gesamtdeutung unserer Welt im
Angesicht der Moderne. </p><p style="text-align: justify;">Der hier genannte Bacchus (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bacchus">Wiki</a>)
ist ein Beiname des Dionysos, des Gottes des Weines, aber mehr noch,
des Gottes der Freude, des Tanzes, des Taumels, der Trunkenheit. Jenes
Gottes, der eine Verkörperung ist der Beseeligung durch das Erleben des Göttlichen.</p><p style="text-align: justify;">Bacchus/Dionysos und ihre Begleiter, die Bacchanten und all die anderen Fabelwesen - immer und immer wieder aufs
Neue haben sie Darstellungen
in der bildenden Kunst gefunden.</p><p style="text-align: justify;">Von der Antike (s. Abb. 1 bis 4) über die Niederländer
der Frühen Neuzeit (siehe z.B. Peter Paul Rubens), über die Deutschen des 19. Jahrhunderts (siehe z.B. Lovis Corinth) - bis
heute. </p><p style="text-align: justify;">Als wir nach einer angemessenen Bebilderung dieses Beitrages suchten, wurde uns das wieder klar.</p><h2 style="text-align: justify;">"Die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth"<br /></h2><p style="text-align: justify;">Ebenso
haben sie wieder und wieder Behandlung in der Philosophie gefunden,
etwa in "Die
Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik", jener Schrift, in der
Friedrich Nietzsche anfing, zu taumeln, zu tanzen, sich zu freuen,
exzentrisch zu sein, übermütig zu sein, um der Bigotterie seiner Zeit zu
entkommen. </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-9rMTf0BFTdw/YGG3pPMftGI/AAAAAAAAZeo/JlPoS4qF9HoGr2IrgHYZXLhHcvOzczmaACLcBGAsYHQ/s400/pic01_490x550.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="400" data-original-width="347" height="400" src="https://1.bp.blogspot.com/-9rMTf0BFTdw/YGG3pPMftGI/AAAAAAAAZeo/JlPoS4qF9HoGr2IrgHYZXLhHcvOzczmaACLcBGAsYHQ/w348-h400/pic01_490x550.jpg" width="348" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 3: Maske des Silenus, 1. Jahrhundert, Seidenstraße, Afghanistan (<a href="http://www.museo-on.com/go/museoon/home/db/events/_page_id_558/_page_id_588/_page_id_235/_page_id_993.xhtml">Begram</a>) <br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><div><p></p><p></p><div style="text-align: justify;"></div><p style="text-align: justify;">Als
Lehrer und Begleiter des Dionysos gilt auch der Silenus. Und auch er ist
dementsprechend ein beliebter Gegenstand künstlerischer Darstellung seit
mehr
als zweitausend Jahren gewesen (Abb. 2 und 3). Seine Verehrung reichte - wie von Hölderlin ausgesagt - in der Antike von der Seidenstraße
und von Indien im Osten (Abb. 3), vom Ganges und vom Indus im Osten bis an den Tiber, bis nach Rom im Westen (Abb. 2), bis an den Rhein und die Elbe und die Themse im Norden.</p><p style="text-align: justify;">Und sie alle wurden auch in Pompeji in Skulpturen und in Wandmalereien
gefeiert. Und verehrt. Als Gleichgesinnte. In jenem Pompeji, von dem
dasselbe gesagt werden könnte wie das, was Friedrich Hölderlin über "die
Stadt der Freude, das jugendliche Korinth" gesagt hat (Hyperion, 1.
Buch, 1. Brief). <br /></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-YpMPld0DKK0/YGG4VP7LABI/AAAAAAAAZew/DmdXglcyP_M3bCSZeIUdsIh6WzLu2Z37wCLcBGAsYHQ/s533/6534c9abb3e4300f7bb8f548b662f7ff.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="533" data-original-width="500" height="400" src="https://1.bp.blogspot.com/-YpMPld0DKK0/YGG4VP7LABI/AAAAAAAAZew/DmdXglcyP_M3bCSZeIUdsIh6WzLu2Z37wCLcBGAsYHQ/w375-h400/6534c9abb3e4300f7bb8f548b662f7ff.jpg" width="375" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Cupido, Wandmalerei in Pompeji<br /></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Auch über Pompeji wäre zu sprechen als von der "Stadt der Freude", von dem "jugendlichen Pompeji" (Abb. 4).</p><p style="text-align: justify;">So wie über alle Städte im Mittelmeerraum der damaligen Zeit (1, 2).<br /></p><p style="text-align: justify;">Es fragt sich, wann der Triumphzug des Freudengottes durch die Völkerwelt, dem durch so viele Generationen von Künstlern, Philosophen, Dichtern und Wissenschaftlern vorgearbeitet worden ist, seinen Anfang nimmt.</p><p style="text-align: justify;">Zwei Menschen dürften für den Zeitpunkt eine besondere Rolle spielen: Du, Leser - und Du, Verfasser dieser Zeilen.</p><div style="text-align: right;">/ überarbeitet, </div><div style="text-align: right;">mit Abb. 1 ergänzt: </div><div style="text-align: right;">26.3.23 / <br /></div><p style="text-align: justify;">___________</p><ol style="text-align: left;"><li style="text-align: justify;">Bading, Ingo: "... Iss, trink und scherze - das übrige ist nicht SO viel wert ..." Ein Ausflug in die Kultur- und Philosophiegeschichte der südtürkischen Küste, 3-2016, <a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/03/iss-trink-und-scherze-das-ubrige-ist.html">https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/03/iss-trink-und-scherze-das-ubrige-ist.html</a></li><li style="text-align: justify;">Bading, Ingo: "Damals war nichts heilig als das Schöne" Side - Die Hauptstadt Pamphyliens, 6-2016, <a href="https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/06/damals-war-nichts-heilig-als-das-schone.html">https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/06/damals-war-nichts-heilig-als-das-schone.html</a><br /></li></ol></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-48191744079363528352021-01-28T09:14:00.006+01:002022-07-14T09:12:47.860+02:00Werner Heisenberg - Seine erste, große unerfüllte Liebe<div style="text-align: left;"> <b>Sie strukturierte für ihn seine Welt- und Wirklichkeitswahrnehmung, </b></div><div style="text-align: justify;"><div><b>- Ebenso auch die Art der schöpferischen Kräfte, aus denen heraus er lebte</b></div></div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="text-align: justify;">
<div style="text-align: justify;"><p>
Der Atomphysiker Werner Heisenberg (1901-1976) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Heisenberg">Wiki</a>)
- er war ein sehr nach innen gekehrter Mensch. In Mitteilungen über
sein Innenleben und Gefühlsleben war er Zeit seines Lebens eher
zurückhaltend. Man möchte fast sagen: schamhaft. Es gibt aber eine
Schrift von ihm, in der er ein wenig mehr über sein Innenleben und über
seine Sicht auf sich selbst preisgibt (11). Er hat sie in den Jahren
1941 und 1942 verfaßt, in einer Zeit, in Kriegszeiten, in Zeiten, in
denen er Leiter des streng geheimen deutschen Atomprojektes war, und in
denen keineswegs sicher war, ob man diese Zeiten lebend überstehen
würde, so oder so. Er hat sie damals also sicherlich auch als eine Art
Testament verfaßt. Da sie vieles sehr Persönliche enthält, hat er sie
vermutlich nach 1945, nachdem er die gefährlichen Zeiten lebend
überstanden hatte, nicht mehr selbst veröffentlichen wollen. Immerhin
blieb sie in seinem Nachlaß erhalten.<br /></p></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-rJNY5HiE5Dw/WkCgACI014I/AAAAAAAAWiI/5h6vtKSWD7EMmFHKe04HVcF9q5QFIH31QCLcBGAs/s1600/1934%2Bweizsaecker%2Bheisenberg%2Bleipzig.jpeg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="528" data-original-width="800" height="422" src="https://1.bp.blogspot.com/-rJNY5HiE5Dw/WkCgACI014I/AAAAAAAAWiI/5h6vtKSWD7EMmFHKe04HVcF9q5QFIH31QCLcBGAs/s640/1934%2Bweizsaecker%2Bheisenberg%2Bleipzig.jpeg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Der 33-jährige Werner Heisenberg mit seinem Assistenten Carl Friedrich von Weizsäcker, Leipzig 1934</td></tr>
</tbody></table>
</div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><p>Aber
auch bezüglich dieser Schrift findet der Leser nur das, was er von sich
aus in diese hinein legen kann. Sie kann "klanglos" an ihm vorbei
rauschen. </p></div><div style="text-align: justify;"><p>Sollte
man aber eine gewisse Sensibilität in sich für sie ausgebildet haben,
dann findet man - geradezu plötzlich und überraschend - in dieser
Schrift den "Schlüssel" für jene Lebenswertungen, die Thema des
folgenden Beitrages sind.</p><h2>"Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll." <br /></h2><p>Denn wenn man genau liest und hinterher
horcht, wie sich Werner Heisenberg auch sonst äußert oder geäußert hat,
wird man doch manche sehr deutliche Hinweise auf sein Innenleben finden
können. So etwa in seinen - erst 2003 - veröffentlichten Briefen an
seine Eltern (1). In ihnen fallen Sätze
wie der folgende vom 28. Februar 1936 (1, S. 248):</p></div>
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll.</b></span></blockquote>
<div style="text-align: justify;">
Was für ein Satz! Wenn man nicht die Hintergründe der Lebenseinstellung
von Werner Heisenberg aus seinem "Testament" des Jahres 1942 kennen
würde, kann er einem geradezu unverständlich sein. Denn dieser Satz
wurde nicht nur niedergeschrieben von einem Professor für Physik an der
Universität Leipzig,
nein, er ist nieder geschrieben worden vier Jahre nachdem ihm vor aller
Welt der Physik-Nobelpreis des Jahres 1932 verliehen worden war. </div><p>Allein
dieser kurze Satz zeigt, daß für Werner Heisenberg selbst ein
Nobelpreis keinerlei Zeichen dafür war, daß aus einem Menschenleben -
insgesamt und in
letzter Instanz, so oder so - etwas "geworden" war, daß es also
irgendwie als ein gelungenes angesehen werden könne. Darüber entschied
für
ihn offensichtlich erst der letzte Tag im Leben dieses Menschen. Bis
dahin konnte alles noch auf des Messers Schneide stehen. Und es
entschied sich das für ihn offenbar auch innerhalb von Bereichen, an die
diesbezüglich nicht jeder Mensch als erstes denken wird.</p><p>Schlägt
man sein Manuskript von 1942 auf, wird einem sofort deutlich, welche
immense Bedeutung er der Wirklichkeit der Liebe in ihm zumißt (11). Und
dann versteht man: Wie sich das
menschliche Leben insgesamt entscheidet, konnte für ihn nur wenig allein
mit seiner
wissenschaftlichen Entwicklungen zu tun haben, etwa mit seinen
wissenschaftlichen Erfolgen und Ehrungen. Der eigentliche Wert eines
Menschenlebens,
der durch äußere Ehrungen wie einen Nobelpreis gar nicht berührt zu
werden braucht, lag für ihn in völlig anderen
Bereichen. Und das sogar sehr entschieden und konsequent, geradezu
selbstverständlich.<br /></p><p>Es kommt nicht auf äußere Erfolge im
Menschenleben an. Ein Menschenleben kann scheitern. Es kann scheitern,
auch wenn ihm viele äußere Erfolge beschieden gewesen sind. Daß Werner
Heisenberg Lebenentscheidungen so gewichtet hat, das mag ihn als einen
besonderen Menschen kennzeichnen.</p></div>
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll.</blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Es ist dieser Satz keine eitle Selbstbespiegelung oder Phrase. Dafür
wäre sich Heisenberg zu schade gewesen. Dieser Satz wurde vielmehr
geschrieben als es sich abzeichnete, daß seine langjährige Liebe zur
Schwester seines engsten lebenslangen Freundes, zur Schwester von
Carl-Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Friedrich_von_Weizs%C3%A4cker">Wiki</a>),
nämlich zu Adelheid von Weizsäcker (1916–2004) nicht Erfüllung finden
würde.*) Und zwar - wenn es recht zu verstehen ist - aufgrund der
Entscheidung dieser Adelheid von Weizsäcker selbst, nicht aufgrund
äußerer, hinderlicher Umstände.</p><p>Und auf genau dieses Geschehen scheint
sich sogar eine längere Passage gleich am Anfang seiner Schrift "Ordnung der
Wirklichkeit" zu beziehen, die weiter unten noch anzuführen ist (11, S. 33).</p><h2>"Die Erinnerung an die wesentlichen Dinge" <br /></h2></div><div style="text-align: justify;"><p>Und
genau diese Erfahrung scheint Heisenberg in dieser Zeit gemacht zu
haben. Zwar sollten in den nachfolgenden Monaten des Jahres 1936
kurzzeitig noch einmal Hoffnungen aufflackern. Aber am Ende des Jahres
klingt aus den Briefen von Heisenberg noch größere Enttäuschung heraus
als sie schon Anfang des Jahres heraus geklungen hatte. Der Satz vor dem
zitierten Satz vom 28. Februar 1936 lautete (1, S. 248):</p></div>
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
Ich weiß, daß sich in diesem Sommer nun alles entscheiden muß und ich habe etwas Angst davor.</blockquote>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="text-align: justify;"><p>
Es ist klar: Er wußte nicht, wie er selbst damit umgehen würde, ob er es
schaffen würde, diese Enttäuschung zu verkraften, ob er es schaffen
würde, an ihr menschlich zu wachsen oder ob diese Entscheidung
menschlich ihm zu viel abverlangen würde. Diese Liebe bedeutete ihm -
fast - alles. Sie strukturierte für ihn die "Ordnung der Wirklichkeit",
wie er sie bis zu dieser Zeit wahrgenommen hatte (11). Wie ernst er es
damit nahm, machte schon der erste Satz des Briefes deutlich (1, S.
248):</p>
<blockquote class="tr_bq">
<span style="color: #274e13;"><b>Liebe Mama! Dieser Brief wird ein sehr ernster Brief!</b></span></blockquote><p>
Und auch der Satz nach den beiden schon zitierten Sätzen läßt daran keinen Zweifel (1, S. 248):</p></div>
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Wenn Du in Gedanken in den nächsten Monaten bei mir bist, ohne zuviel äußerlich nach mir zu fragen, so wird mir das viel helfen.</b></span></blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Heisenberg wußte, daß er durch einen Sturm gehen würde, einen Sturm, der
ihn im Innersten erschüttern würde. Und er wappnete sich, er suchte
Rückversicherung bei seiner Mutter, aber sicherlich noch mehr in sich
selbst. Er suchte sich zu fassen, um den von ihm erwarteten Sturm zu
durchstehen. Adelheid von Weizsäcker war 1936 gerade erst 20 Jahre alt
geworden. Bis November 1936 nun scheint sich für Heisenberg das
Verhältnis zu Adelheid geklärt zu haben, wenn er es auch nicht deutlich
ausspricht. Am 3. November schreibt er an seine Mutter, die ihn an
seinen Geburtstag, seinen 35. Geburtstag am 5. Dezember erinnert hatte
(1, S. 253):</p></div>
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Es
ist mir nicht sehr nach feiern zu Mut und ich bin froh, wenn ich mich
in der nächsten Zeit tief in meine Arbeit vergraben kann. Ich empfinde
sehr stark die Wohltat, in diesem einen Bereich ganz von der übrigen
Welt abgeschlossen sein zu dürfen und beneide niemand, der gezwungen
ist, sich immer mit dem Spiel der Welt draußen abzugeben.</b></span></blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Und eine Woche später (1, S. 253):</p></div>
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Auch
ist mir das einsame Leben nur durch die Arbeit an der Wissenschaft
erträglich, aber auf die Dauer wäre es sehr schlimm, wenn ich ohne einen
ganz jungen Menschen neben mir auskommen müßte. </b></span>Wie sich
hier mein Leben weiter gestalten wird, weiß ich natürlich nicht. Die
Verbindung zur Familie Weizsäcker wird wohl ganz abgebrochen werden und
dadurch wird alles völlig anders als bisher. (...) <span style="color: #274e13;"><b>Einstweilen
will ich mich der Arbeit widmen, um derentwillen ich auf die Welt
gekommen zu sein scheine; und die Erinnerung an die wesentlichen Dinge
soll diese Arbeit nur wie eine ferne Musik begleiten.</b></span></blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Es ist erahnbar, wie viel Beben diesen Worten vorausging und von wieviel
Beben sie begleitet sind. In seinen Lebenserinnerungen "Der Teil und
das Ganze - Gespräche im Umkreis der Atomphysik" wird Heisenberg später
ja sehr genau beschreiben und kennzeichnen, wie er diesen - womöglich -
tiefsten Punkt seines persönlichen Lebens erlebt hat. Daß es dabei aber
um die unerfüllte Liebe zu einem Mädchen gegangen war, deutet er dort
mit keinem Wort an. Das wird erst in diesen Briefen an die Eltern
deutlich.</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://2.bp.blogspot.com/-q3ITq-RRIHE/WkChie3DW7I/AAAAAAAAWiM/lkqojlgM8SQ4gkOrry7QGqjg21fthrvsACLcBGAs/s1600/1946%2BHeisenberg%2Bund%2BFrau.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1082" height="640" src="https://2.bp.blogspot.com/-q3ITq-RRIHE/WkChie3DW7I/AAAAAAAAWiM/lkqojlgM8SQ4gkOrry7QGqjg21fthrvsACLcBGAs/s640/1946%2BHeisenberg%2Bund%2BFrau.jpg" width="432" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Werner Heisenberg und Ehefrau Margarethe, geborene Schumacher, etwa 1946</td></tr>
</tbody></table>
</div>
<div style="text-align: justify;"><p>
Um alles noch etwas genauer zu verstehen und einordnen zu können, muß
man acht Jahre im Leben von Werner Heisenberg zurück gehen. So lange
nämlich schon war sein Leben erfüllt von einer unerfüllten Liebe zu
Adelheid, nämlich seit 1928. 1928 war Heisenberg 27 Jahre alt und
Adelheid war erst 12 Jahre alt. .....</p>
<p>
Die einzelnen Stationen im Verhältnis von Heisenberg zu Adelheid und
insbesondere zu ihrer ganzen Familie müssen künftig an dieser Stelle
noch nachgetragen werden. Die Mutter von Adelheid, Marianne von
Weizsäcker, die Heisenberg anfangs sehr freundlich in ihrem Haus in
Berlin aufgenommen hatte, hat sich später, um so mehr erkennbar wurde,
welche inneren Bande Heisenberg an die Familie knüpften, gegen diese
Liebe gewandt. Adelheid selbst blieb diesbezüglich aber bis 1936
indifferent, so daß sich Heisenberg immer noch Hoffnungen hatte machen
können. </p>
<p>
Am 10. September 1932 hat Werner Heisenberg etwa an seine Mutter
geschrieben, daß er Adelheid während seines Berlin-Besuches aus der
Ferne gesehen habe (zit. n. 10, S. 917):</p>
<blockquote class="tr_bq">
<span style="color: #274e13;"><b>"Nachher
bin ich den ganzen Weg nochmal allein zurückgegangen, die Straßen
leuchteten noch ein wenig, wo sie vorbei gekommen war. Aber hier ist
jetzt alles grau."</b></span></blockquote><p>
Was sich in diesen wenigen Worten alles andeutet. Heisenbergs Mutter
schrieb Anfang 1933 an Adelheids Mutter. Diese antwortete auch
ausführlich. Sie beklagte sich, daß Heisenberg immer noch nicht (zit. n.
10, S. 944)</p>
<blockquote class="tr_bq">
"mehr männliche Einstellung diesen Dingen gegenüber"</blockquote><p>
zeige, das heißt, ihre Sorgen mißverstand und</p>
<blockquote class="tr_bq">
"in seiner eigenen Einstellung zu unserer damals noch nicht 16jährigen Tochter nicht selbst die Folgerung zog".</blockquote><p>
Deshalb hatte sie Heisenberg Hausverbot bei ihrer Familie ausgesprochen.</p>
<p>
Die meisten Autoren und Heisenberg-Biographen, die auf diese erste,
unerfüllte Liebe im Leben von Werner Heisenberg zu sprechen kommen (wenn
sie das überhaupt tun) (z. B. 9, 10), erwähnen doese nur sehr leichthin
im Vorübergehen. Sie scheinen sie gerne auch nur als etwas
Kindlich-einfältig-Kindisches zu erachten. Sie nehmen die Worte von
Heisenberg nicht wahr und ernst, nach dem diese unerfüllte Liebe ihm
viel wichtiger war als der ganze Nobelpreis.</p>
<p>
Solche Aussagen müssen einfach voll von jenen berücksichtigt werden, die
sich anmaßen, das innere Leben von Werner Heisenberg in diesen Jahren
voll zu verstehen, in den Jahren übrigens der Formierung der
Quantenmechanik. Als würde ein menschlich ganz unreifer Mensch fähig
sein, so grundlegende Dinge in der Wissenschaft erarbeiten zu können.
Das wäre doch ein gar zu arger Widerspruch in sich.</p><p>
Im Januar 1937 lernte Werner Heisenberg Margarethe Schumacher kennen. Er
heiratete sie nur wenige Monate später. Adelheid von Weizsäcker
heiratete ebenfalls nur ein Jahr später den ostpreußischen
Rittergutsbesitzer und Reserveoffizier Botho-Ernst Dietlof Graf zu
Eulenburg-Wicken (1903-1944). Mit ihm lebte sie auf Gut Wicken im Kreis
Friedland in Ostpreußen. Ihr ebenfalls dort lebender Schwiegervater (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried_zu_Eulenburg-Wicken">Wiki</a>)
war Major im Ersten Weltkrieg gewesen, er war außerdem 1918/19 ein
bekannter Freikorpsoffizier gewesen und war vor 1933 führer des
Frontsoldatenbundes "Der Stahlhelm" in Ostpreußen gewesen, der einen
Flügel hatte, der politisch zur DNVP hin gerichtet war und einen Flügel,
der politisch zur liberaleren DVP gerichtet war. Adelheid hatte dann
zwei Töchter. Die ältere der beiden Töchter wurde die nachmalige
Schriftstellerin Heilwig Gräfin zu Eulenburg (10. September 1939-1975) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heilwig_Eulenburg">Wiki</a>).
Seit 1944 gilt Adelheids Ehemann in Weißrußland als vermißt. Sie selbst
mußte mit ihren beiden Kindern und ihren Schwiegereltern 1945 aus
Ostpreußen fliehen. Eine neue Heimat fand die Familie in Lindau am
Bodensee.</p><h2>Verwandlungen der Wirklichkeit <br /></h2><p>Eine Deutung des Geschehens rund um seine erste, große, unerfüllte Liebe gibt Werner Heisenberg 1941/42 in dem schon genannten Manuskript. Es behandelt an verschiedenen persönlichen und geschichtlichen Beispielen, wie sich Wirklichkeit für Menschen ändern, verwandeln kann. Es wird zunächst über die Fähigkeit des Kindes gesprochen, das Wirkliche zu verwandeln, indem es sich sehr sicher im Zauberreich der Phantasie bewegt. Er gibt dann ein Beispiel aus seinem persönlichen Leben über ein Landschaftserlebnis am Übergang vom Kindsein zum Erwachsensein und schreibt dann 11, S. 33):</p><blockquote>...
Zum ersten Mal, wenn auch nur für kurze Zeit, betritt das Kind den
neuen Bereich der Wirklichkeit, in dessen Allerheiligstem später die
Liebe wohnt.</blockquote><p>Und es heißt dann dann weiter (11, S. 33f):</p><blockquote><p><span style="color: #274e13;"><b>Auch
in die Jahre des tätigen Schaffens, in denen dem erwachsenen Manne neue
Erfahrungen kaum mehr die Welt verändern, kann eine plötzliche und
unheimliche Verwandlung der Wirklichkeit einbrechen. Zu leicht etwa
verweben wir in unser Leben eine leitende Idee, einen Wunsch, der bald
als der einzige Sinn dieses Lebens erscheint. An diesem Wunsch
entwickeln sich alle guten Kräfte, der Glaube an seine Erfüllbarkeit
erscheint als die Quelle allen Lebens schlechthin. Dann kann es
geschehen, daß das Schicksal die Grundlage des Wunsches plötzlich
zerstört, daß es seine Unerfüllbarkeit ein für allemal festlegt. In
diesem Augenblick kann sich die Welt in der unheimlichsten Weise
verändern. Menschen und Dinge, die lebendig zu uns gesprochen haben,
bleiben stumm und sehen starr und unwirklich aus. Dort, wo ein
sinnerfüllter Zusammenhang unser Leben enthalten hatte, waltet ein
starres Gesetz, das nur nach Ursache und Wirkung und ohne Ansehen
höherer Zusammenhänge entscheidet. - Frühere Zeiten sprachen davon, daß
Gott einen Menschen verlassen könnte. Vielleicht gibt es in unserer Zeit
viele Menschen, für die die Welt ein graues und starres Antlitz trägt.</b></span><br /></p></blockquote><p>Solchen Verwandlungen der Wirklichkeitserfahrung durch die Liebe scheint das Weltbild von Werner Heisenberg sehr grundlegend bestimmt zu haben (11). In seinem Buch "Der Teil und das Ganze" schreibt er über dieselbe Zeit, wobei er mehr die politischen Aspekte hervor hebt (14, S. 195):</p><p></p><blockquote>Die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg sind mir, soweit ich sie in Deutschland verbracht habe, immer als eine Zeit unendlicher Einsamkeit erschienen. (...) Das Leben in dieser Welt des Mißtrauens war mir unerträglich. (...) So erinnere ich mich an einen grauen, kalten Vormittag im Januar 1937, an dem ich auf den Straßen der Leipziger Innenstadt Wirtschaftshilfezeichen zu verkaufen hatte. (...) Ich war, während ich mit der Sammelbüchse umherging, in einem Zustand völliger Verzweiflung. Nicht wegen der verlangten Geste der Unterwerfung, die mir unwichtig erschien, sondern wegen der völligen Sinn- und Hoffnungslosigkeit dessen, was ich tat und was sich um mich herum abspielte. So geriet ich in einen merkwürdigen und unheimlichen seelischen Zustand. Die Häuser an den schmalen Straßen schienen mir weit entfernt und fast unwirklich, so als seien sie schon zerstört und nur noch als Bilder übrig geblieben; die Menschen wirkten durchsichtig, ihre Körper waren gewissermaßen schon aus der materiellen Welt herausgetreten und nur ihre seelische Struktur noch erkennbar. Hinter diesen schemenhaften Gestalten und dem grauen Himmel empfand ich eine starke Helligkeit. Es fiel mir auf, daß einige Menschen mir besonders freundlich begegneten und mir ihren Beitrag mit einem Blick reichten, der mich für einen Moment aus meiner Ferne zurückholte und mich dann eng mit ihnen verband. Aber dann war ich wieder weit weg und begann zu spüren, daß diese äußerste Einsamkeit vielleicht über meine Kräfte gehen könnte.</blockquote><p></p><p>Noch am gleichen Abend lernte er, wie er weiter schreibt, auf einem Kammermusik-Abend seine spätere Frau kennen (11, S. 196):</p><p></p><blockquote>Eine der jungen Zuhörerinnen, die zum ersten Mal im Hause Bücking verkehrte, konnte schon bei unserem ersten Gespräch die Ferne überblicken, in die ich an diesem merkwürdigen Tag geraten war. Ich spürte, wie die Wirklichkeit mir wieder näher rückte, und der langsame Satz des Trios wurde von meiner Seite schon eine Fortsetzung des Gesprächs mit dieser Zuhörerin. Wir haben dann einige Monate später geheiratet und Elisabeth Schumacher hat in den kommenden Jahren mit großer Tapferkeit alle Schwierigkeiten und Gefahren mit mir geteilt. So war ein neuer Anfang gesetzt, und wir konnten uns darauf einrichten, das herannahende Unwetter gemeinsam zu bestehen.</blockquote><br /><p></p></div><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: right;"><h4>Nachbemerkung, persönliche
</h4></div><p>Sich am Leben bedeutender Menschen zu orientieren, kann viel für das
eigene Leben bedeuten. Was wir in dem Leben großer Menschen wahrnehmen,
ist auch das, was in uns selbst lebt. Oder eben nicht. </p><p>Im Jahr
2003 hat der Autor dieser Zeilen die hier behandelten Briefe Werner
Heisenbergs an seine Eltern (bzw. später nur noch an seine Mutter) (1)
das erste mal in seine Hände bekommen. Diese Briefe fielen damals bei
ihm nur auf wenig fruchtbaren Boden. Er kann nicht sagen, daß er zu
jener Zeit von diesen Briefen ähnlich ergriffen worden wäre wie er
lange zuvor - etwa um 1990 herum (oder schon früher) - von der Lektüre
der abgeklärten Lebenserinnerungen <i>"Der Teil
und das Ganze"</i> ergriffen gewesen war. Nachdem er Heisenbergs Briefe
an seine Eltern aber fünfzehn Jahre später noch einmal neu in die Hand
genommen hat (um 2018), ging ihm erst auf, wie sehr man doch von der
ganzen Stimmung, die diese
Briefe enthalten, in Bann gezogen wird, wie man in ihnen das
innere und äußere Ringen Heisenbergs nachverfolgen kann, wie deutlich
wird, was ihm wichtig war im Leben und was nicht.</p><p>Nimmt der Autor dieser Zeilen nun noch einmal seinen bislang nie veröffentlichten Aufsatz-Entwurf aus dem
Dezember 2003 zu diesem Buch in die Hand - immerhin 18 Din-A-4-Seiten! -,
dann findet er darin in keiner Weise, daß er in diesem Aufsatz-Entwurf der
Stimmung, dem Wert dieser Briefe gerecht geworden war. Es ist also doch
immer die Frage: Wo steht man eigentlich selbst, welchen Wert gibt man sich selbst,
wenn man über einen Gehalt urteilt, dem man - womöglich - innerlich
gar nicht gewachsen ist, bzw. den man innerlich gar nicht
wahrnimmt.**)</p><p>Fast dasselbe kann auch von der Lektüre der Schrift
"Ordnung der Wirklichkeit" gesagt werden, die der Autor dieser Zeilen
irgendwann Anfang der 1990er Jahre gekauft und gelesen haben muß. Daß in
dieser so auffällig von der Rose als einem Symbol für eine andere Seite
der Wirklichkeit die Rede war, das blieb vage in Erinnerung. Aber wie
viel wertvollen Inhalt diese Schrift auch sonst hat - reihenweise hat -
das geht ihm erst jetzt, im Januar 2021 auf. <br /></p>
<br />
<br />
<div style="text-align: right;">
/ <a href="https://fuerkultur.blogspot.com/2019/01/werner-heisenberg-und-seine-liebe-zu.html">ursprünglich veröffentlicht</a> 10.01.2019;</div><div style="text-align: right;">erneut überarbeitet: 14.3.2020;</div><div style="text-align: right;">inhaltlich deutlich ergänzt und überarbeitet </div><div style="text-align: right;">nach Lektüre von (11):</div><div style="text-align: right;">28.01.2021 / </div>
____________________________________________<br />
<br />
*) Zwei Fotografien von Adelheid aus dem Jahr 1929:
http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/69518834,
https://ebookstr.e-bookshelf.de/products/reading-epub/product-id/26257/title/Vier%2BZeiten.html<br />
**) Geradezu Seelenleere starrt ihm aus diesem 18-seitigen
2003-Manuskript an. Der
innere Geist in dem damaligen Manuskript stimmte nicht. Der ganze
Geist des Manuskriptes ödet den Leser an. Es ist ohne alle Ergriffenheit
geschrieben und kann deshalb auch keine wecken.<br />
</div>
<div style="text-align: justify;">
____________________________________________________<br />
<ol><li>Heisenberg, Werner; Hirsch-Heisenberg, Anna M.: Liebe Eltern! Briefe
aus kritischer Zeit 1918 bis 1945. Langen/Müller, München 2003</li><li>Kleint, Christian; Wiemers, Gerald (Hrsg.): Werner Heisenberg im
Spiegel seiner Leipziger Schüler und Kollegen. Leipziger
Universitätsverlag, 2006</li><li>Heisenberg, Werner; Heisenberg, Elisabeth; Hirsch-Heisenberg, Anna
M.: Meine liebe Li! Der Briefwechsel 1937 - 1946. Residenz, 2011 </li><li>Lindner, Konrad: Jugendliches Genie - Carl Friedrich von Weizsäcker als Student in Leipzig. Dezember 2016, <a href="http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=835">http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=835</a></li><li>Lindner, Konrad: Heisenbergs jüdische Meisterschüler - zur Physik in der Weimarer Republik. <a href="http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=679">http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=679</a></li><li>Werner Heisenberg und Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker - München 1966, <a href="https://av.tib.eu/media/14335">https://av.tib.eu/media/14335</a> </li><li>Rekonstruktion der Quantentheorie und Theorie der Ur-Alternativen -
Carl Friedrich von Weizsäcker diskutiert seine Thesen mit Manfred Eigen
und Manfred R. Schroeder, 1988, <a href="https://av.tib.eu/media/11191">https://av.tib.eu/media/11191</a></li><li>Rechenberg, Helmut; Wiemers, Gerhard: Werner Heisenberg 1901-1976.
Forscher, Lehrer und Organisator der Wissenschaft. Eine Ausstellung zum
100. Geburtstag, 2001, <a href="https://www.archiv.uni-leipzig.de/heisenberg/intro.htm">https://www.archiv.uni-leipzig.de/heisenberg/intro.htm</a></li><li>Martin Ebner: Wen schert Heisenbergs Liebeskummer? Besprechung von
"Werner Heisenberg. Liebe Eltern! Briefe aus kritischer Zeit 1918 bis
1945". Neue Züricher Zeitung, 21.9.2003,
<a href="https://www.nzz.ch/article9065U-1.306192">https://www.nzz.ch/article9065U-1.306192</a>.</li><li>Rechenberg, Helmut: Werner Heisenberg - Die Sprache der Atome. Leben
und Wirken - Eine wissenschaftliche Biographie. Band 1: Die "Fröhliche
Wissenschaft" (Jugend bis Nobelpreis). Springer, Heidelberg 2010 (<a href="https://books.google.de/books?id=PrAfBAAAQBAJ&pg=PA1000&lpg=PA1000&dq=werner+heisenberg+adelheid+weizs%C3%A4cker&source=bl&ots=26zAnDNM6C&sig=dLagd2ieBpvz-9tyFxgkNBEkjxo&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiHj5DH7OLfAhXSJFAKHZTPDp8Q6AEwDHoECAIQAQ#v=onepage&q=adelheid&f=false">GB</a>)</li><li><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto">Heisenberg, Werner: Ordnung der Wirklichkeit. Verfaßt 1941/42, aus dem Nachlaß: Piper, München 1989; </span></li><li><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto">Bading,
Ingo: Die schöpferischen Kräfte der Seele ... Behandelt in einem Manuskript Werner Heisenbergs aus den Jahren 1941/42, 24.01.2021,
<a href="https://youtu.be/40IkqgY1BKE">https://youtu.be/40IkqgY1BKE</a>, Teil 2: <a href="https://youtu.be/DnftqrKyyGI">https://youtu.be/DnftqrKyyGI</a>, Teil
3: <a href="https://youtu.be/0SK8wxmFHY0">https://youtu.be/0SK8wxmFHY0</a>.</span></li><li><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto"><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto"><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto">Heisenberg, Werner: Ordnung der Wirklichkeit. V</span>ersehen mit einem Kommentar von Ernst Peter Fischer, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2019, <a href="https://www.springer.com/de/book/9783662595282">https://www.springer.com/de/book/9783662595282</a>, <a href="https://books.google.de/books?id=4gqwDwAAQBAJ">https://books.google.de/books?id=4gqwDwAAQBAJ</a>.</span></span></li><li><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto"><span class="style-scope yt-formatted-string" dir="auto">Heisenberg, Werner: Der Teil und das Ganze (1969) dtv 1988<br /></span></span></li></ol>
</div>
</div>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-42859927599327234232020-12-24T12:48:00.007+01:002020-12-24T12:48:57.645+01:00"Ähnlich den Kokon's der Insekten"<div style="text-align: justify;"><b></b></div><div style="text-align: justify;"><div><b>Sternentstehungstheorien und ihre empirische Überprüfung<br /></b></div><div><b>- Ein Blick in die Kinderstube von Sternen und Sternhaufen - </b><b><b>1994 ist sie erstmals möglich geworden*)</b></b></div><div><b><b> / Zweiter Beitrag aus unserer Blogartikel-Serie "Wir sind Sternenstaub" /</b><br /></b></div></div><p style="text-align: justify;">Im letzten Beitrag (1) war hingewiesen worden darauf, wie die Wissenschaft heute das Entstehen der chemischen Elemente, die schwerer als Lithium sind, glaubt, erklären zu können. Damit ist aber noch nicht die Frage geklärt, wo und wie die Vielzahl der chemischen Elemente hier auf unserer Erde und in unserem Sonnensystem entstanden sind.<br /></p><p style="text-align: justify;"> </p><p style="text-align: justify;"></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-uHhmlvDU7FM/X-CTDwm6vfI/AAAAAAAAZQ8/ubtXm3erwtcRJ5QYTtD6-n2b0nj9mZ9KACLcBGAsYHQ/s1600/Hs-2007-16-e-800x800.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1600" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-uHhmlvDU7FM/X-CTDwm6vfI/AAAAAAAAZQ8/ubtXm3erwtcRJ5QYTtD6-n2b0nj9mZ9KACLcBGAsYHQ/w640-h640/Hs-2007-16-e-800x800.jpg" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Die Kinderstube eines künftigen Sternhaufens in der Milchstraße (ein sogenanntes "Bok-Globule"), hier mit dem Spitzname "Caterpillar" ("Raupe") - Seine leuchtenden Ränder legen eine Photoionisation durch die heißesten Sterne in dem Sternenhaufen nahe (NASA 2007) (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hs-2007-16-e-800x800.jpg">Wiki</a>)<br /></td></tr></tbody></table><br /><p></p><p style="text-align: justify;">Indem wir dieser Frage nachgehen, geraten wir in ein Feld moderner, aktueller Forschung, das man in der üblichen Wissenschaftsberichterstattung Jahrzehnte lang gar zu leicht hat übersehen können. Und doch geht es hier um die Erforschung der Grundlagen unserer Existenz. Und es gibt auf diesem Gebiet in der Wissenschaft der letzten Jahrzehnte stürmische Fortschritte in dem Verstehen dieser Vorgänge. Das wird einem allerdings noch nicht bewußt, wenn man sich dazu die Theorien auf Wikipedia zur Entstehung unseres Sonnensystems ansieht ... (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnensystem#Entstehung">Wiki</a>). ... Man ist beim derzeitigen Inhalt dieses Wikipedia-Artikels zunächst verwundert: Das soll eine gute physikalische Theorie sein? Unser Sonnensystem wäre entstanden aus einer diffusen "Urwolke", wie sie schon von Immanuel Kant angenommen worden war? Und mehr sollten wir heute nicht darüber wissen? Aber dann stößt man weiter unten im Wikipedia-Artikel auf den Verweis zu dem Wikipedia-Artikel "Protoplanetare Scheibe". Hier liest man nun doch einigermaßen verwundert weiter (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Protoplanetare_Scheibe">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="color: #274e13;"><b>"Die ersten protoplanetaren Scheiben wurden 1994 von C. Robert O’Dell und Mitarbeitern mit dem Hubble-Weltraumteleskop im Orionnebel beobachtet; in diesem Sternentstehungsgebiet sind etwa 50% aller jungen Sterne von einer protoplanetaren Scheibe umgeben. 1998 wurde erstmals eine Scheibe um einen massiven Stern gefunden."</b></span></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Das erstaunt. Die Wissenschaftler wissen also doch schon allerhand mehr - inzwischen - als zunächst zu ahnen war. Bilder von solchen Protoplanetaren Scheiben findet man auch in einem Astronomischen Kurzvortrag von Professor Ralf Klessen von der Universität Heidelberg aus dem Jahr 2011 (4). Von dem Wikipedia-Artikel "Protoplanetare Scheibe" kann man sich weiter leiten lassen zu dem Wikipedia-Artikel "Sternentstehungsgebiet", wissenschaftlich benannt "H-II-Gebiet" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/H-II-Gebiet">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="color: #274e13;"><b>"Ein Sternentstehungsgebiet (H-II-Gebiet, gesprochen Ha zwei, H für Wasserstoff) ist eine interstellare Wolke aus leuchtendem Gas mit einem Durchmesser von manchmal mehreren hundert Lichtjahren, in der die Sternentstehung stattfindet." </b></span></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Wer hätte davon schon jemals gehört? Finden wir uns erst einmal mit den Örtlichkeiten zurecht. Denn da gibt es ja gedanklich erst einmal einiges einzuordnen. Zunächst einmal hinsichtlich der Größenverhältnisse, von denen hier die Rede ist: Die Milchstraße hat einen Durchmesser von 200.000 Lichtjahren und eine Dicke von 1.000 Lichtjahren. Die Dimensionen, von denen hier die Rede ist ("mehrere hundert Lichtjahre"), sind also deutlich kleiner als eine durchschnittliche Galaxie im Durchmesser. Aber immerhin, mit der Dicke der Milchstraße kommen wir diesen Dimensionen schon nahe. Aber fangen wir noch einmal von der anderen Seite her an, die Größenverhältnisse einzugrenzen und verständlicher zu machen: Die "Oortsche Wolke", das nächstliegende Phänomen außerhalb der äußersten Planetenbahnen unseres Sonnensystems, ist 1,6 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt. Auch hier sind wir noch nicht in dem Größenbereich angekommen, von dem bezüglich eines "Sternentstehungsgebietes" die Rede sein könnte.</p><h2 style="text-align: justify;">Die "Lokale Blase", unsere Heimatregion in der Milchstraße <br /></h2><p style="text-align: justify;">Schließlich ist aber zu finden: <span style="color: #274e13;"><b>300 Lichtjahre Durchmesser hat die sogenannte "Lokale Blase" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lokale_Blase">Wiki</a>), in der sich seit einigen hunderttausend oder Millionen Jahren unser Sonnensystem befindet.</b></span> Das Alter dieser "Lokalen Blase" um uns herum, eines weitgehend staubfreien Gebietes um unser Sonnensystem, ist nämlich, wie hier zu erfahren ist, nicht so alt wie unser Sonnensystem selbst. Es soll vielmehr eine Supernova oder mehrere derselben in den letzten 100 Tausend oder 20 Millionen Jahren in unserer "galaktischen Nähe" gewesen sein, die diese "Lokale Blase" staubfrei gefegt hat. Wenn diese "Staubfreiheit" um uns herum also nicht unbedingt als "Normalfall" anzusehen sein muß, stellt sich ja hier auch die Frage: Konnten denn die Dinosaurier schon genauso "staubfrei" in den Nachthimmel blicken wie wir? Diese Frage scheint berechtigt zu sein. Denn zumindest zu dem Gegenteil von "Staubfreiheit", nämlich zu "Dunkelwolken" lesen wir (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkelwolke">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Wenn das Sonnensystem durch einen solchen Nebel driften sollte, könnte der kosmische Staub das Licht der Sterne verdunkeln.<br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Es könnte also - soweit uns bisher übersehbar - noch gar nicht sicher sein, daß die Dinosaurier die Sterne gesehen haben. Ja, manche Forscher vermuten sogar noch mehr (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkelwolke">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Eine Dunkelwolke mit einer Dichte von 100 bis 300 Molekülen pro cm³ könnte die Heliosphäre stark zusammendrücken, wodurch ihre Materie bis ins Innere des Sonnensystems gelangen und sogar die Sonne verdunkeln könnte. Dies könnte die Photosynthese stören oder verunmöglichen. Einige Forscher vermuten einen derartigen "Nebel-Winter" hinter vergangenen Eiszeiten und Massensterben.<br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Gut, sichere Kenntnisse scheint es dazu also noch nicht zu geben. Ganz allgemein ist zu "Molekülwolke" noch das folgende sehr Interessante zu erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Molek%C3%BClwolke">Wiki</a>): </p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="color: #274e13;"><b>Wenn die Wolke dicht genug ist, können sich viele Arten von Molekülen bilden, bis hin zu komplexen Aminosäuren.</b></span> (...) Ab Mitte der 1960er Jahre wurde mit Radioteleskopen eine Vielzahl von Molekülen im interstellaren Medium nachgewiesen. (...) Inzwischen sind <span style="color: #274e13;"><b>über 150 unterschiedliche Moleküle in Molekülwolken entdeckt</b></span> worden, wie z. B. Wasser (H2O), Cyanwasserstoff (HCN) oder Ethanol. Kohlenmonoxid ist von besonderer Bedeutung für die Erforschung der Molekülwolken, weil man auf Grund des CO/H2-Verhältnisses die Masse einer solchen Wolke bestimmen kann. <br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Worauf stoßen wir eigentlich, wenn von "Lokaler Blase" die Rede ist? Ist diese "Lokale Blase" nicht die eigentliche Heimat in unserer Galaxie? Warum sprechen wir immer nur von unserem Sonnensystem und nicht davon, daß unser Sonnensystem - wahrscheinlich (das sehen wir gleich weiter unten) - Teil eines Sternenhaufens ist, unprosaisch "Lokale Blase" geannt, dessen Sterne alle gleichzeitig zu Sternen so wie die Sonne geworden sind, und dessen "Umhüllung" - womöglich - erst vor 100 Tausend oder 20 Millionen Jahren staubfrei gefegt worden ist (oder womöglich auch "wieder" staubfrei gefegt worden ist).</p><h2 style="text-align: justify;">"Sternentstehungsgebiete" </h2><p style="text-align: justify;">Jene Supernovi in unserer eigenen Lokalen Blase, die diese Staubfreiheit bewirkten, hätten dann aber auf jeden Fall nicht die Ausgangsbasis für unser eigenes Sonnensystem bilden können, denn dazu waren sie ja viel zu jung. Aber welche waren es dann? Diese Frage leitet uns im folgenden. Aber an die Antwort auf diese Frage müssen wir uns - offenbar - über Umwege heran tasten, womöglich viele. So schnell kriegen wir hier die Zusammenhänge nämlich nicht zusammen gesetzt. Schauen wir uns erst einmal an, was ganz allgemein über die Kinderstuben von Sonnen und Planetensystemen außerhalb unseres eigenen Sonnensystems bekannt ist. Hier sind höchst erstaunliche Dinge zu erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/H-II-Gebiet">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">"Einige Sternentstehungsgebiete (H-II-Gebiete) sind so hell, daß man sie schon mit bloßem Auge sehen kann. Jedoch wurde ihnen vor der Erfindung des Teleskops im frühen 17. Jahrhundert kaum Beachtung geschenkt." "Im frühen 20. Jahrhundert bemerkte man, daß die H-II-Gebiete meist heiße helle Sterne enthalten. Diese haben ein Vielfaches unserer Sonnenmasse und sind die kurzlebigsten Sterne mit nur wenigen Millionen Jahren Lebensdauer (zum Vergleich: Unsere Sonne lebt etwa 10 Milliarden Jahre). Es wurde bald vermutet, daß in den H-II-Gebieten neue Sterne entstehen: <span style="color: #274e13;"><b>Über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren bildet sich ein Sternhaufen aus einer H-II-Region, bevor der Sternwind der heißen jungen Sterne den Nebel zerstreut.</b> <b>Die Plejaden sind ein Beispiel solch eines Haufens</b></span>, der seine H-II-Gasnebel, aus denen er entstanden ist, schon großteils weggeblasen hat. Nur ein kleiner Rest von ihnen blieb als Reflexionsnebel erhalten."</p></blockquote><p></p><p style="text-align: justify;">Die Plejaden, die Plejaden. Das macht uns jetzt aber neugierig ... (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Plejaden">Wiki</a>): </p><blockquote><p style="text-align: justify;">Der Sternhaufen (...) umfaßt mindestens 1200 Sterne und ist etwa 125 Millionen Jahre alt. <br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Erst 125 Millionen Jahre alt? Dann ist er ja wiederum viel jünger als man eigentlich so ohne weiteres hätte erwarten können!? Er entstand ja dann erst auf dem Höhepunkt der Dinosaurierzeit! Aber wie hat man das Alter herausbekommen? Professor Schwarmintelligenz von der Universität Wikihausen führt dazu das folgende aus (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Pleiades">Wiki</a>):</p><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;">Das Alter von Sternenhaufen kann geschätzt werden, indem man das Hertzsprung-Russell-Diagram dieses Haufens mit theoretischen Modellen zur Sternenentwicklung vergleicht. Indem man diese Technik benutzt, wurde für die Pleiaden ein Alter zwischen 75 Millionen und 150 Millionen Jahren geschätzt.<br /></div><div style="text-align: justify;">Ages for star clusters can be estimated by comparing the Hertzsprung-Russell diagram for the cluster with theoretical models of stellar evolution. Using this technique, ages for the Pleiades of between 75 and 150 million years have been estimated. </div></blockquote><div style="text-align: justify;"><p>Der Autor dieser Zeilen wußte bislang nicht, daß wir am Himmel heute Sterne sehen, die man in der Frühzeit der Dinosaurier noch gar nicht sehen konnte! Er dachte, die Sterne am Himmel sind im Allgemeinen so alt oder älter als die Sonne. Denkst du, du Winzling hier auf der Erde. Also noch einmal in anderen Worten (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Pleiades">Wiki</a>):</p></div><div style="text-align: justify;"><blockquote><p style="text-align: justify;"></p></blockquote><blockquote><p>In
H-II-Gebieten entstehen meist tausende neuer Sterne in einer
Zeitperiode von einigen Millionen Jahren. Am Ende führen jedoch
Sternwinde der massereichsten Sterne oder vereinzelte
Supernova-Explosionen dazu, daß das Gas des H-II-Gebietes zerstreut
wird. Zurück bleibt ein Offener Sternhaufen wie die am Winterhimmel
sichtbaren Plejaden.</p></blockquote></div><p style="text-align: justify;">Also ist womöglich auch unsere "Lokale Blase" auf diese Weise entstanden? Wir müssen das vorerst als Frage im Raum stehen lassen.</p><h2 style="text-align: justify;">Sternentstehung - Sie findet nicht in der "Öffentlichkeit" statt<br /></h2><p style="text-align: justify;">Aber legen wir das Augenmerk noch einmal auf diesen Umstand, nämlich daß die Geburt eines Sternes nicht in der Öffentlichkeit statt findet (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/H-II-Gebiet">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="color: #274e13;"><b>"Die Geburt eines Sternes in einer H-II-Region wird durch dichte Wolken und Staub um entstehende Sterne verdeckt."</b></span></p></blockquote><p style="text-align: justify;">In dichte Wolken und Staub ist also (auch) "unsere" Geburtsstunde eingehüllt. Die Sternenhaufen machen also - offenbar - ein Geheimnis aus dem, was in ihrem Innern geschieht. Sie "zaubern". Sie sind "schamhaft". Sie verbergen das Kostbarste (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/H-II-Gebiet">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;"><span style="color: #274e13;"><b>"Nur wenn der Sternenwind seinen 'Kokon' wegweht, wird der Stern sichtbar."</b></span></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Erst wenn die Sterne also Sterne sind, wird die verhüllende Hülle abgeworfen, weggefegt. Sie werden in aller Pracht der "Öffentlichkeit", der Welt sichtbar. So wie die Plejaden - oder wie die Gürtel- und Schwertsterne im Orion. Sie sprechen dann: "Seht her, da sind wir. In die Knie mit Euch, betet uns an, uns, die Sterne, die so hell und strahlend und gütig leuchten, mitunter heller als tausend Sonnen (um einmal Bezug zu nehmen auf einen Buchtitel von Robert Jungk)." Man fühlt sich fast an das Aufblühen von Blumen erinnert. Man fühlt sich an die Verhüllung der Blüte in Knospen erinnert. Und an viele ähnlich anmutende Erscheinungen in der Biologie, an Vorgänge von Verhüllung und Enthüllung.<br /></p><p style="text-align: justify;">Ist das nicht alles Grund genug zu sagen: Habe acht vor den Sternen, du Winzling, du Mensch, der du durch die Gassen schreitest? Sie, die Sterne, sehen dich - ? Auch wenn du nicht zu ihnen aufschaust? Sie haben nämlich auch ihr eigenes "Leben". Sie sehen dich und - womöglich sogar: deine Schamlosigkeit. Denn ihr eigenes Leben ist ja in der Frühphase in geheimnisvolle Schamhaftigkeit gehüllt. Sie wissen deshalb um Schamhaftigkeit, um Umhüllung bei der Zeugung, bei der Geburt neuer Welten, neuer Grundlagen für etwaiges Leben.<br /></p><p style="text-align: justify;">Weißt Du Winzling, Du Mensch, wenn Du durch die Gassen schreitest, dich zu benehmen - "im Angesicht der Sterne"? Weißt Du es? Erzeigst Du Dich ihrer würdig? Bist Du würdig, sie in all ihrer Entschleierung sehen zu dürfen? In all ihrer Pracht und Herrlichkeit? All diese "jungen" Sterne, all diese Pracht, dieses Glitzern und Glänzen aus der Dinosaurierzeit?</p><h2 style="text-align: justify;">Was Hoimar von Ditfurth noch nicht wußte ...<br /></h2><p style="text-align: justify;">Ja, man versteht es schon, warum man in Jugendzeiten nichts von diesen Dingen erfahren hat, die man hier auf Wikipedia jetzt zu seiner eigenen Überraschung findet. Warum man nichts von ihnen erfahren hat, obwohl man doch eine breite naturwissenschaftliche Grundbildung genossen hatte. Man versteht es schon, warum die Physiker der 1980er Jahre, auch die philosophisch Interessierten, einem davon nichts erzählt haben. Warum man davon noch so wenig hat lesen können in "Im Anfang war der Wasserstoff" oder in "Kinder des Weltalls" von Hoimar von Ditfurth. Hoimar von Ditfurth starb 1989. Und erst 1990 gab es den empirischen Beleg dafür, daß die Geburtsstätten der Sterne in Dunkel gehüllt sind. Erst 1990. <br /></p><p style="text-align: justify;">Aber warum erfährt der Autor dieser Zeilen - und womöglich auch der Leser - erst jetzt davon, 30 Jahre später? Weil die ganze Welt - womöglich - mit Irrsinn beschäftigt ist? Und weil auch von dem Autor dieser Zeilen immer und immer wieder erwartet wird, daß er sich mit Irrsinn beschäftigt, statt mit dem Erhabenen, Großen, Wertvollen, Prächtigen, Glänzenden, Funkelnden und Geheimnisvollen, mit dem sternenübersäten Nachthimmel? Hat irgendetwas anderes Sinn, als sich mit dieser erhabenen Pracht zu beschäftigen? In "heutigen Zeiten"? Wer möchte das gar so kühn und schlankweg behaupten in einer Welt, die in den reinen Irrsinn versunken ist. Also noch einmal, wohlgemerkt:</p><blockquote><p style="text-align: justify;">"Die ersten protoplanetaren Scheiben wurden 1994 von C. Robert O’Dell und Mitarbeitern mit dem Hubble-Weltraumteleskop im Orionnebel beobachtet."</p></blockquote><p style="text-align: justify;">Was hat der Autor dieser Zeilen im Jahr 1994 gemacht, daß diese und ähnliche Entdeckungen an ihm hatten vorbei gehen können und ihm seither niemals mehr hatten bedeutsam werden können? In welchen dunklen Gassen war er unterwegs, mit Blick zum Boden anstatt mit Blick zu den Sternen? In welcher Schamlosigkeit war er befangen, in welcher Nichtbeachtung der Sterne? Oh, ihr Sterne, verhüllt eure Häupter. Ist denn nun nicht genug von der Schande die Rede gewesen? Genug, genug. Ja, wir sprechen mit Hölderlin:</p><blockquote><p style="text-align: justify;">"Wär ich mit Themistokles aufgewachsen, hätt ich unter den Scipionen gelebt, meine Seele hätte sich wahrlich nie von dieser Seite kennen gelernt."</p></blockquote><p style="text-align: justify;">Von dieser Nachtseite der Welt, die die Sterne Sterne sein läßt. Wie darf das sein? Unsere Seele hätte schon vor 30 Jahren von diesen faszinierenden Erkenntnisfortschritten in der Wissenschaft Kenntnis nehmen müssen und die Augen zu den Sternen richten müssen, anstatt - anstatt sich mit so viel überbordender Blödsinnigkeit während unserer eh nur viel zu kurzen Lebenszeit zu beschäftigen. Wenn ich einstmals auf dem Sterbebett liege, wenn ich einstmals auf dem Totenbett liege, erzählt mir vom Ursprung der Sterne, von den wabernden Gaswolken, von den geheimnisvollen und von ihrem geheimnisvollen Wirken. Davon zu wissen, ist genug. Mehr als genug. Was über die Kindheit der Menschen zu sagen ist, ist das nicht noch um so viel mehr von der Kindheit der Welt, unserer Welt, von der Kindheit der Sterne zu sagen?</p><blockquote><p style="text-align: justify;">"Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgibt, nichts wußte, war ich da nicht mehr, als jetzt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?"</p></blockquote><p style="text-align: justify;">Und:</p><blockquote><p style="text-align: justify;">"Ruhe der Kindheit! himmlische Ruhe! wie oft steh ich stille vor dir in liebender Betrachtung, und möchte dich denken!"</p></blockquote><p style="text-align: justify;">Um wie viel leichter ist es uns nun geworden, die Ruhe der Kindheit, die Kindheit in der erhabenen Sternenwelt zu denken - "in liebender Betrachtung". <br /></p><h2 style="text-align: justify;">1947 wurden sogenannte "Globule" als Sternentstehungsgebiete vermutet, 1990 wurde diese Vermutung empirisch bestätigt<br /></h2><p style="text-align: justify;">Fahren wir also fort. Wir lesen über den Orionnebel (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Orionnebel">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Anfang der 1990er Jahre gelang es durch hochaufgelöste Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops, eine Vielzahl in Entstehung begriffener Sterne anhand ihrer zirkumstellaren Scheibe (Proplyd) zu identifizieren. Der Orionnebel selbst war vermutlich noch vor 50.000 Jahren nicht sichtbar, da die jungen O- und B-Sterne von der Molekülwolke umschlossen waren.</p></blockquote><p style="text-align: justify;">Vor 50.000 Jahren. Genauer gesagt, heißen die Geburtsstätten der Sterne übrigens "Globule" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Globule">Wiki</a>). Über sie lesen wir (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/H-II-Gebiet">Wiki</a>):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Die dichten Nebelregionen, die die Sterne enthalten, sind oft als Schatten vor dem Rest des ionisierten Nebels zu sehen. Diese Dunklen Flecke nennt man Globule (engl. Bok globules), nach dem Astronom Bart Bok, welcher in den 1940ern (1947) vorschlug, daß sie Geburtsstätten von Sternen sind. Boks Hypothese wurde 1990 bestätigt, als Infrarotbeobachtungen den dicken Staub durchdrangen und junge Sterne offenbarten. Heute nimmt man an, dass ein Bok Globule etwa die zehnfache Masse der Sonne besitzt, welche sich auf einen Durchmesser von ungefähr einem Lichtjahr verteilt. Meistens entsteht aus ihm eine Formation aus einem Doppel- oder Mehrfachsternensystem. <br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Nur durch Infrarotbeobachtungen können wir in die Kinderstube der Sterne blicken. Nur durch sie. Das macht uns auch Professor Ralf Klessen klar (4). Und von seinem Heidelberger Kollegen, dem Astrophysiker Philipp Girichidis, erfahren wir, daß diese Dunkelwolken - im Gegensatz zu dem heißen sonstigen interstellaren Medium - "eiseskalt" sind, so kalt, daß sie fast den absoluten Nullpunkt erreichen. Denn nur Kinderstuben, die so eiskalt sind, können aus sich neue junge Sterne gebären (5). Aber zunächst lesen wir weiter (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Bart_Bok">Wiki</a>):</p><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;">In den 1940er Jahren beobachtete Bok in der Milchstraße zum ersten mal kleine, dunkle Wolken von dichtem kosmischen Staub und Gas, die später als Bok Globule bekannt geworden sind. In einer Studie, die 1947 veröffentlicht wurde, vermuteten Bok und E. F. Reilly, daß diese Wolken "ähnlich den Kokon's der Insekten" einen Gravitationskollaps durchlaufen, in dem sich neue Sterne und Sternhaufen formen. Diese Hypothese war sehr schwer zu verifizieren, weil es Schwierigkeiten in der Beobachtung gab, um herauszubekommen, was innerhalb einer dichten, dunklen Wolke, die alles sichtbare Licht, das innerhalb derselben abgestrahlt wurde, verdunkelte, geschah. Aber nach dem Tod von Bok wurden seine Ideen bestätigt, als 1990 Analysen von Beobachtungen im Nahinfrarotbereich bestätigten, daß Sterne innerhalb der Bok Globule geboren wurden.<br /></div><div style="text-align: justify;">In the 1940s, Bok first observed small, dark clouds of dense cosmic dust and gas which would later become known as Bok globules in the Milky Way. In a paper published in 1947, Bok and E.F. Reilly hypothesized that these clouds were "similar to insect's cocoons" that were undergoing gravitational collapse to form new stars and star clusters. This hypothesis was difficult to verify due to the observational difficulties of establishing what was happening inside a dense dark cloud that obscured all visible light emitted from within it, but after Bok's death his ideas were confirmed when analyses of near infrared observations published in 1990 confirmed that stars were being born inside Bok globules.<br /></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><p>Der Aufsatz von 1947 wurde eingeleitet mit den Worten (2):</p></div><div style="text-align: justify;"><span class="fontstyle0"></span></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><span class="fontstyle0">In den letzten Jahren haben mehrere Autoren die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit der Entstehung von Sternen in Kondensationen im interstellaren Medium gelenkt. Es ist deshalb notwendig, nach Hinweisen für das Vorhandensein von relativ kleinen, dunklen Gaswolken in unserer Milchstraße zu suchen, denn diese repräsentieren womöglich das evolutionäre Stadium, das der Entstehung eines Sterns voraus geht.</span></div><div style="text-align: justify;"><span class="fontstyle0">Original: In recent years several authors have drawn attention to the possibility of the formation of stars from condensations in the interstellar medium.</span><span class="fontstyle0" style="font-size: 7pt;"> </span><span class="fontstyle0">It is therefore necessary to survey the evidence for the presence in our galaxy of relatively small dark nebulae, since these probably represent the evolutionary stage just preceding the formation of a star.</span> </div></blockquote><div style="text-align: justify;"><p>Die geradezu philosophische Formulierung "ähnlich den Kokon's der Insekten" ("similar to insect's cocoons"), die wir in dieser Studie suchen, weil sie mit dieser Herkunftsangabe in dem zitierten Wikipedia-Artikel enthalten war, finden wir in ihm allerdings so schnell nicht. Vielleicht stammt sie von woanders. </p><h2>Unsere Existenz - Sie hing an dem seidenen Faden einer "Jeans-Länge" <br /></h2><p>Wenn wir nun versuchen, noch weiter zurück zu gehen zu den Ursprüngen der Sternenentwicklung, so werden wir über die sogenannte Jeans-Masse (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jeans-Kriterium">Wiki</a>) belehrt, benannt nach dem britischen Astrophysiker James Jeans (1877-1946) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/James_Jeans">Wiki</a>, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/James_Jeans">engl</a>). Von diesem hatten wir schon zuvor gehört. Er war seinen Zeitgenossen durch interessante philosophischen Deutungen des physikalischen Weltbildes bekannt geworden, über die damals auch in der deutschen Wissenschaftspresse berichtet wurde. Wir lesen über "Molekülwolken" (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jeans-Kriterium">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Unter irdischen Bedingungen breiten sich Gase aufgrund der kinetischen Energie der Moleküle und ihrer damit verbundenen Kollisionen in dem zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus. Im freien Weltall dagegen werden größere Ansammlungen von Gasen durch ihre Schwerkraft zusammengehalten und sind deswegen räumlich begrenzt. Nach Überschreiten der Jeans-Masse zieht sich die Wolke immer weiter zusammen, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht wird (Sternentstehung).</p></blockquote><p>Die Jeans-Masse hatte James Jeans aus der Jeans-Länge berechnet (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/James_Jeans">Wiki</a>):</p><div></div><blockquote><div>Eine von Jeans' Hauptentdeckungen, benannt Jeans-Länge, ist ein kritischer Radius von interstellaren Wolken im Weltraum. Die Jeans-Länge hängt ab von der Temperatur und der Dichte der Wolke, sowie der Masse der Teilchen, aus denen die Wolke besteht. In einer Wolke, die kleiner ist als ihre Jeans-Länge, wirkt nicht genügend Gravitationskraft, um größer zu sein als die abstoßenden Kräfte des Gasdruckes und um deshalb kondensieren zu können, um dadurch einen Stern bilden zu können, während eine Wolke, die größer ist als ihre Jeans-Länge, kollabieren wird.<br /></div><div>One of Jeans' major discoveries, named Jeans length, is a critical radius of an interstellar cloud in space. It depends on the temperature, and density of the cloud, and the mass of the particles composing the cloud. A cloud that is smaller than its Jeans length will not have sufficient gravity to overcome the repulsive gas pressure forces and condense to form a star, whereas a cloud that is larger than its Jeans length will collapse.</div></blockquote><div></div><div><p><span style="color: #990000;"><b>Mensch, der Du ins Weltall blickst: Alles nur Gas. Langsam sich formendes, langsam sich bewegendes, langsam sich wandelndes Gas, vielmehr: Gasgemische. Oft nur sehr dünn verteilt, kaum zu sehen. Ob jene Elemente, die dich später formten, sich überhaupt bilden konnten - all das hing damals - unter anderem - ab von der Jeans-Länge jener Wolke, in der sich zunächst Wasserstoff, Helium und Lithium, später schwerere Elemente gasförmig bewegten und waberten. An einem so seidenen Faden hing deine Existenz. Sie hing an einer Jeans-Länge.</b></span></p><p>Diese Molekülwolken sind jedenfalls die Vorstadien der Globule, von denen zuvor die Rede gewesen war, die in ihrer Bedeutung als Kinderstuben der Sterne 1946 erahnt, theoretisch vorausgesagt worden waren, die empirisch aber erst 1990 durch Nahinfrarotbeobachtungen als solche nachgewiesen werden konnten. Wir lesen (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Stern">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Die Periode der Kontraktion dauert insgesamt etwa 10 bis 15 Millionen Jahre.</p></blockquote><p>Das ist - gemessen in astronomischen Zeiten - eine vergleichsweise kurze Zeit. Es ist die Zeitspanne eines durchschnittlichen Erdzeitalters. In einem solchen Erdzeitalter also bilden sich auch junge Sterne. Ist das nicht bewegend, faszinierend? Ein solches "Rhythmus-Gefühl" für Sternentstehung bekommen zu können? Wir lesen dann über eine Entdeckung des japanischen Astrophysikers Chushiro Hayashi (1920-2010)(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hayashi_Ch%C5%ABshir%C5%8D">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Hayashi entwickelte die ersten Modelle sich zusammenziehender junger Sterne, in einem Stadium noch bevor sie die Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms erreicht haben. Nach ihm ist die Hayashi-Linie benannt. </p></blockquote><p>Das so wichtige "Hertzsprung-Russell-Diagramm" wird einem von Professor Ralf Klessen recht gut erklärt (4). Wir lesen weiter (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hayashi-Linie">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Die Hayashi-Linie spielt eine wichtige Rolle bei der Sternentstehung. Betrachtet man die Entwicklung der kollabierenden Materie, aus der der Stern entsteht, im Farben-Helligkeits-Diagramm, so nähert sich diese der Hayashi-Linie von rechts. <span style="color: #274e13;"><b>Der Kollaps der Wolke im freien Fall ist bei Erreichen der Hayashi-Linie beendet. Dieser Zeitpunkt kann also in gewissem Sinne als Geburtsstunde des Sternes angesehen werden.</b></span> Die weitere Entwicklung des Sterns verläuft entlang der Hayashi-Linie nach unten, d. h., bei gleichbleibender Oberflächentemperatur verringert sich durch die Kontraktion die Oberfläche und somit auch die Leuchtkraft. <br /></p></blockquote><p>Die betreffende Arbeit erschien im Jahr 1961 (3). Es heißt darüber (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Chushiro_Hayashi">Wiki</a>):</p><div></div><blockquote><div>Seine vielleicht berühmteste Arbeit war die astrophysikalische Berechnung, die zu der Hayashi-Linie der Sternenentstehung führte, und zu der Hayashi-Grenze, die eine Begrenzung des Sternenradius festlegt.</div><div>Probably his most famous work was the astrophysical calculations that led to the Hayashi tracks of star formation, and the Hayashi limit that puts a limit on star radius.</div></blockquote></div><p>Und (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Stern">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Bei der weiteren Kontraktion der Globulen nimmt die Dichte zu und wegen der freiwerdenden Gravitationsenergie (wie des damit erhöhten Gravitationsdrucks) steigt die Temperatur weiter an (Virialsatz; die kinetische Energie der Teilchen entspricht der Temperatur). Der freie Kollaps kommt zum Stillstand, wenn die Wolke im Farben-Helligkeits-Diagramm <span style="color: #274e13;"><b>die so genannte Hayashi-Linie</b></span> erreicht, <span style="color: #274e13;"><b>die das Gebiet abgrenzt, innerhalb dessen überhaupt stabile Sterne möglich sind</b></span>. Danach bewegt sich der Stern im Farben-Helligkeits-Diagramm zunächst entlang dieser Hayashi-Linie, bevor er sich auf die Hauptreihe zubewegt, wo das sogenannte Wasserstoffbrennen einsetzt, das heißt die stellare Kernfusion von Wasserstoff zu Helium durch den Bethe-Weizsäcker-Zyklus oder die Proton-Proton-Reaktion. <span style="color: #274e13;"><b>Als Folge des Drehimpulses der Globule bildet sich eine Scheibe aus, die den jungen Stern umkreist, und aus der er weiter Masse akkretiert.</b></span> Aus dieser Akkretionsscheibe können ein oder mehrere Sterne sowie Planeten entstehen. Diese Phase der Sternentwicklung ist jedoch bisher noch nicht so gut verstanden. Aus der Ebene der Scheibe wird die Ekliptik. Bei der Akkretion aus der Scheibe bilden sich auch in beide Richtungen der Polachsen Materie-Jets (siehe Bild), die eine Länge von über 10 Lichtjahren erreichen können. <br /></p></blockquote><div>Im folgenden Astronomischen Kurzvortrag von Professor Ralf Klessen ist nun zusätzlich zu dem bis hier von uns Zusammengetragenen noch zu erfahren (4) (1'50): Im Sternbild des Orion befinden sich riesige Molekülwolken aus molekularem Wasserstoff,
die viele hunderttausende von Sonnenmassen schwer sind, und die sich
über 50 bis 60 Lichtjahre hinweg erstrecken. Im "Schwertbereich" des Sternbilds Orion befindet sich nun ein Sternentstehungsgebiet mit etwa 2000 jungen Sternen. All das kann man nur im Infrarot-Wellenbereich des Lichtes sehen (4).</div><div> </div><p style="text-align: center;"><iframe allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/g3XJpgzhtwg" width="560"></iframe><br /></p><div><br /></div><div>Sterne bilden sich niemals allein, so erfahren wir von Ralph Klessen. Sie sind sehr "gesellig", sie bilden sich in Grüppchen, Haufen und Superhaufen. Die 2000 jungen Sterne im Schwertbereich des Orion sind etwa 1 Million Jahre alt. Also schon zur Zeit unseres Vorfahren, des Homo habilis hat es sie nicht in dieser Form gegeben. Der zentrale Stern Zeta 1c Orionis ist nun so massereich und strahlt so hell, daß er es schafft, das umgebende Gas zu ionisieren, das heißt, Proton und Elektron in den Wasserstoff-Atomen zu trennen und damit eine heiße Blase ionisierten Gases zu schaffen, mit dem er sozusagen eine "Höhle" in das dahinter liegende (nicht ionisierte) Gas hinein brennt. Diese Ionisierung beeinflußt auch "Gasklumpen", die in diesem Bereich schon vorhanden sind (4'15). Wenn man an diese "Gasklumpen" nun aber näher heran "zoomt", sieht man Scheiben um einen jungen Stern herum, Scheiben aus Gas und Staub, aus deren einer auch unser eigenes Sonnen- und Planetensystem entstanden ist. Klessen:</div><blockquote><p>"Das heißt, die Bildung von Sternen ist eng verkoppelt mit der Bildung von Planeten und Planetensystemen."</p></blockquote><p>8'07 (4): Molekülwolken sind hochgradig inhomogen. Sterne bilden sich in den dichtesten und kältesten Teilen der Wolke. Man könnte nun meinen, die Graviationskräfte innerhalb dieser Wolke wirken dahingehend, daß sich die ganze Wolke zu einem einzigen riesigen Stern zusammen ballt. Ob dies geschieht, hängt von der Schnelligkeit ab, mit der sich einzelne ,kleinere Regionen im Verhältnis zur Gesamtregion zusammen ballen. Überschall-Turbulenzen bewirken dabei nämlich komplexe Dichtestrukturen, die Schwereanziehung überwindet den Gasdruck dann nur in bestimmten Bereichen. Und zwar in einigen Bereichen früher als in anderen. Dadurch fragmentiert sich das gesamte Wolkengebiet und bildet Haufen, aus denen dann jeweils einzelne Sterne entstehen. Da diese Sterne aber über Materieflüsse innerhalb der Wolke noch miteinander im Austausch stehen, ist der Prozeß bis zu diesem Zeitpunkt sozusagen immer noch "turbulent", einzelne Massepunkte entziehen anderen Massepunkten die Materie. Wenn aber dann der zentrale Stern dieses Sternentstehungsgebietes - in dem hier behandelten Beispiel Zeta 1c Orionis - so massereich geworden ist, daß er ionisierende Strahlung aussenden kann, fegt er seine Umgebung und auch die Umgebung der ihn umgebenden etwa 2000 Sterne von Staub und Molekülwolken frei, so daß im wesentlichen kein kontinuierlicher Austausch von Materie mehr zwischen ihnen stattfinden kann und sich nun jeder Stern für sich weiter entwickelt und in aller Pracht und Herrlichkeit erstrahlen kann.</p><p>So lautet also die moderne Sternentstehungstheorie. Und zwar scheint das
der Stand der Erkenntnisse des Jahres 2011 gewesen zu sein. <br /></p><h2>Geburt der Sterne nur dicht am absoluten Temperatur-Nullpunkt<br /></h2><p>Im Jahr 2020 referiert wiederum ein Wissenschaftler der Universität Heidelberg, Philipp Girichidis, schon sehr viel konkretere Vorstellungen zu diesem Sternentstehungsprozeß (5). </p><p>Aber zunächst sei noch festgehalten: Die Sternentstehungsrate nimmt im Laufe des Bestehens einer Galaxie ab. Und die Sternentstehungsrate wird deutlich erhöht, wenn zwei Galaxien miteinander zusammen stoßen (5). Vermutlich deshalb, weil es einfach mehr Turbulenzen und damit mehr Materie-Ungleichgewichte gibt. Die dunklen Regionen in einer Galaxie, die Staubwolken, die man in jeder Galaxie sieht ,das sind nun die Sternentstehungszentren (6). Sie unterscheiden sich in entscheidenden Merkmalen von dem übrigen interstellaren Raum innerhalb einer Galaxie.<br /></p><p>Teile der interstellaren Materie innerhalb von Galaxien sind nämlich im Allgemeinen vom Molekularen Dichtegrad her gesehen sehr dünn. Sie sind gleichzeit auch sehr, sehr heiß, nämlich mehrere hunderttausend oder mehrere hundert Millionen Grad heiß. Sie werden aufgeheizt von Sternen, sehr heißen Sternen und von Supernovi. Andere Regionen einer Galaxie hingegen, nämlich die dunklen Molekülwolken, stehen von der Temperatur her gesehen im größtmöglichen Gegensatz zu diesem dünnen, interstellaren Medium. Ihre Temperatur beträgt nämlich Minus 250 Grad Celsius, bewegt sich also dicht am absoluten Nullpunkt. Es sind das damit zugleich auch die kältesten Regionen in der Galaxie. Und ist sogar deshalb so, obwohl dort die Atome viel dichter gepackt sind. Das liegt daran, daß die Atome im dünnen interstellaren Medium sich sehr schnell bewegen, aber trotzdem nur sehr selten mit anderen Atomen zusammen stoßen. Deshalb können sie jene Strahlung, die bei Zusammenstößen abgegeben wird, gar nicht abgeben und bleiben heiß. Wenn die Atome aber dichter gepackt sind aufgrund von Gravitationskräften, stoßen sie viel häufiger zusammen und geben dabei Strahlung (Wärme) ab, die die Galaxie verläßt. Deshalb ist es in Molekülwolken so eiseskalt (6). Dieser Vorgang wird von der Wissenschaft "Strahlungskühlen" genannt.</p><p>Nur weil in diesen Molekülwolken der thermische Druck in Form von Temperatur so niedrig ist, nur deshalb kann es dort zu Sternentstehungen kommen (6). Nur dort herrschen dafür die idealen Voraussetzungen. Das heißt, die Kinderstube der Sterne muß nahe am absoluten Nullpunkt kalt sein.</p><h2>Das "Herausperlen" neuer Sterne aus eiskalten, turbulenten Materie-Filmanenten in allen Armen einer Muttergalaxie</h2><p>Aber diese dunklen Molekülwolken können auch voller Turbulenzen sein (6) (14'00):<br /></p><blockquote><p>"Starke Explosionen durch Supernovi durchmischen das Gas."</p></blockquote><p>Außerdem dreht sich die ganze Galaxie, wodurch die Molekülwolken ebenfalls in Bewegung bleiben, in Turbulenzen kommen. In filamentartigen Strukturen, Armen dieser Turbulenzen, obsiegt nun in allen Teilen der Galaxie immer wieder die vor Ort wirkende Gravitation der dort vorliegenden Molekülmassen gegenüber dem dort ebenfalls vorliegenden thermischen Druck der Molekülwolke. Und dieser zufällige "Sieg" der Gravitation gegenüber dem thermischen Ausdruck der Gaswolke, dieser Sieg bewirkt das Entstehen der Sterne.<br /></p><p>Ab 15'57 (6) sieht man in einem geradezu "bezaubernden" Modell, wie aus turbulenten Materie-Strömungen, wo die Gravitation jeweils nur punktuell gegenüber dem thermischen Druck "gewinnt", Sterne entstehen. Was für ein Geschehen. Es wird erkennbar, daß die oben schon genannten Überschall-Turbulenzen tatsächlich notwendig sind, um aus den dabei verwirbelten Materieströmen sich eine Fülle von Proto-Sternen heraus "kristallisieren" zu lassen, <span style="color: #274e13;"><b>geradezu wie an einer Schnur entlang "herausperlen" zu lassen</b></span> (wie Bläschen aus dem Wasser heraus), wie die Materieströme die jungen Sterne aus sich selbst heraus "sprühen" zu lassen. Welch ein aufregender Geburtsvorgang! Wenn sich denn diese Simulationen wirklich an den eigentlichen Beobachtungen bewähren sollten, was offenbar noch nicht ganz sicher zu sein scheint.<br /></p><p>Aber gäbe es dann irgend etwas Richtungweisendes, Neues im Universum, das ohne "Erhabenheit", ohne "sprühende" Schönheit geschieht? So wie hier? <span style="color: #274e13;"><b>Dieses "Herausperlen" von Sonnen aus tief kalten, verwirbelten Materieströmen, dieses "Herausperlen" von Planetensystemen aus diesen tiefkalten, turbulenten Materieströmen - ist dies nicht voller wirbelnder, sprühender Schönheit? Voller wirbelnder Freude? Werden Sterne hier nicht wie in einem wirbelnden Strom von Freude geboren? Wirft die Galaxie nicht aus sich in unterschiedlichen Strömungsarmen, Filamenten Sterne aus sich selbst heraus hinaus in die Existenz, geradezu wie in Übermut und Freude? Wurden einstmals womöglich auch "wir" so geboren? Wir "Kinder des Weltalls"? Mit unserem Sonnen- und Planetensystem? Vor 4,7 Milliarden Jahren? Welche Freude, auf solche Weise von einer herrlich sich drehenden Muttergalaxie heraus in die Existenz gewirbelt worden zu sein, hinaus geworfen zu sein in die Existenz. Danke, Weltall, daß Du nicht "langweilig" bist, daß Du das in solcher Herrlichkeit tust. Daß Du uns nicht armselig und glücklos, "unmutig" und gelangweilt in die Welt hinaus geworfen hast. Weltall - wie bist Du herrlich.</b></span><br /></p><p>In den jungen, neuen Sternhaufen kommt es dann dabei zu ganz komplizierten, wirbelnden Bewegungen der jungen Sterne zueinander. All das geschieht innerhalb von 30.000 Jahren. Der Geburtsvorgang einer solchen Sternengruppe von mehreren hundert oder tausend Sternen, so kann gesagt werden, dauert also nicht nur ungefähr so lang wie eine Erdepoche (so wie oben gesagt) von 10 bis 20 Millionen Jahren, nein er dauerte so lang, bis sich der archaische Homo sapiens aus sich selbst heraus zum anatomisch modernen Homo sapiens entwickelte oder bis sich der Mensch der Eiszeit im Vorderen Orient aus sich selbst heraus - in Glück und Freude, in Übermut und Lachen - zum seßhaften, Ackerbau treibenden Menschen weiter entwickelte.</p><p>Die hier vorgelegte Sternentstehungstheorie (6) läßt es auch erst verständlich erscheinen, weshalb Sterne niemals - oder selten - einzeln und allein für sich, quasi als "Einzelkinder" geboren werden, weshalb sie fast immer in glückliche, freudesprühende Sternenfamilien hineingeboren werden wie der Sternfamilie der Plejaden, wie der Sternfamilie der Gürtel- und Schwertsterne des Orions. Mit vielen anderen Kindern gemeinsam werden sie geboren und nicht gar zu selten dabei sich herum gruppierend um einen zentralen "Mutterstern", bzw. sich herum gruppierend um die "älteste" "Schwester" all dieser Sternen-Kinder (oder auch um den "ältesten" "Bruder"). Die größten der Geschwister sorgen dann für sich und alle anderen, indem sie sie ihrer Hülle entledigen.<br /></p><p>In diesen turbulenten Materiefilamenten eines Arms einer Spiralgalaxie werden nämlich nun gleichzeitig auch noch Sterne ganz unterschiedlicher Größe geboren. Es entsteht eine große Vielfalt unterschiedlicher "Sternpersönlichkeiten".</p><p>Wir brechen an dieser Stelle erst einmal ab. Um Atem zu schöpfen vor diesen bezaubernden Vorgängen am Sternenhimmel. Wir werden die Ausführungen dieses Blogartikels noch fortsetzen. Uns interessieren zum einen insbesondere die Rhythmen der Sternenentstehung in ihren zeitlichen Abläufen. Zum zweiten wüßten wir gerne ganz konkret um jene Vorgänge, die unsere eigene "Lokale Blase" schufen, bzw. das Lebensschicksal dieser Lokalen Blase in den letzten 4,7 Milliarden Jahren gestalteten. Vielleicht bekommen wir über solche Dinge noch einiges heraus.</p><p>Weltall, du bist herrlich. Danke für Deine Existenz, für Deine blühende, funkelnde, strahlende, leuchtende, erhabene Existenz.<br /></p></div><p style="text-align: justify;">___________ <br /></p><div style="text-align: justify;">*) Vorlesungsmitschriften aus einer Ringvorlesung im Rahmen des "Studium generale" der Universität Wikihausen, Fachbereich Astrophysik.</div><div style="text-align: justify;">_________</div><ol style="text-align: justify;"><li>Bading, Ingo: Wir sind Sternenstaub - Das Entstehen der chemischen Elemente in
den Sternen - Ein Ausflug in die Wissenschaftsgeschichte, ein Vortrag, um
zu verstehen, wie unsere Welt "tickt ... 20.12.2020 (<a href="https://youtu.be/pWWSTcGNt-c">Yt</a>) </li><li>Bok, Bart J.; Reilly, Edith F.: "Small Dark Nebulae", Astrophysical Journal, 105: 255, March 1947 </li><li>Hayashi, C. (1961). "Stellar evolution in early phases of gravitational contraction". Publications of the Astronomical Society of Japan. 13: 450–452 </li><li>Klessen, Ralf: Wie entsteht ein Stern? Uni(versum) für alle! Astronomische Kurzvorträge der Universität Heidelberg, 2011, <a href="https://youtu.be/g3XJpgzhtwg">https://youtu.be/g3XJpgzhtwg</a>. </li><li>Girichidis, Philipp: Entstehung von Sternen. Babelsberger Sternennächte. November 2020, <a href="https://youtu.be/nqtbZVbws88">https://youtu.be/nqtbZVbws88</a>. </li><li>Hahn, Hermann-Michael: Sternentstehung in der Milchstraße. Die Geburtenrate von Sternen. Sternzeit, Deutschlandradio, 10.02.2019, <a href="https://youtu.be/Dk0sU_yQ-yA">https://youtu.be/Dk0sU_yQ-yA</a>. <br /></li></ol>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-33782727256184712442020-12-20T08:17:00.020+01:002020-12-21T07:49:47.855+01:00Wir sind Sternenstaub<div style="text-align: justify;"><p></p><blockquote></blockquote><a href="https://youtu.be/pWWSTcGNt-c"></a><i></i><p></p><h4><b>Das Entstehen der chemischen Elemente in den Sternen</b><i> <br /></i></h4><p><i>"Geheimnisse der Welt des unsichtbar Kleinsten"</i>, so lautet das zweite Kapitel des Buches <i>"Der Siegeszug der Physik"</i> von Mathilde Ludendorff, das im Frühjahr 1941 entstanden ist. Am Ende dieses Kapitels wird über die Frage des Werdens der Elemente das folgende ausgeführt (1, S. 61):</p><blockquote><p><span style="color: #990000;"><b>Die Physik</b></span>, die das Zerfallen der schwersten Elemente in leichtere, wie wir noch sehen werden, beobachtet, ja künstlich hervorruft, und die auch annimmt, daß Wasserstoff das erste der Elemente war, <span style="color: #990000;"><b>kann uns nicht sagen, <span>welche Kraft denn aber das Werden der schweren Elemente aus dem leichtesten auslöste</span></b></span>!</p></blockquote><p></p><p>Ein solcher Satz macht zweierlei deutlich: Erstens wie dicht am jeweiligen aktuellen Forschungsstand entlang sich Mathilde Ludendorff in ihrem Philosophieren bewegte, zweitens aber auch wie viel sie noch gar nicht wußte, wissen konnte von dem, was wir heute wissen. Aus dem wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick wissen wir, daß die hier gestellte Frage im Jahr 1957 im Wesentlichen geklärt worden war (2-4). <br /></p><p> </p><p style="text-align: center;"><iframe allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/pWWSTcGNt-c" width="560"></iframe><br /></p><p>Es könnte nun gefragt werden, ob dieser Umstand von Seiten von Mathilde Ludendorff oder von Wissenschafts-Interessierten in ihrem Umfeld in den 1950er oder 1960er Jahren irgendwo noch einmal behandelt - und vielleicht auch in Bezug zu ihrer philosophischen Deutung - gestellt worden ist.<br /></p><h2>Wie "tickt" unsere Welt? <br /></h2><p></p><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-7ATqe3lmFGo/X93EErvDsMI/AAAAAAAAZQY/Zm6iPq5zSYsw3eCscCRvR6qnjgwDOy2XgCLcBGAsYHQ/s220/31594131758473.png" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="220" data-original-width="179" height="320" src="https://1.bp.blogspot.com/-7ATqe3lmFGo/X93EErvDsMI/AAAAAAAAZQY/Zm6iPq5zSYsw3eCscCRvR6qnjgwDOy2XgCLcBGAsYHQ/w261-h320/31594131758473.png" width="261" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Fred Hoyle (aus: 2)<br /></td></tr></tbody></table><p>Schauen wir uns aber, um hier die Zusammenhänge zu verstehen, die zugehörigen Details aus der Wissenschaftsgeschichte zu diesem Thema noch etwas genauer an. (Diesen Blogbeitrag gibt es auch als Videovortrag [12].)</p></div><div style="text-align: justify;"><p>Im folgenden also ein Ausflug in die Wissenschaftsgeschichte, wobei wir sehr schnell merken, daß wir uns hier in einem Bereich bewegen, mit dem zu beschäftigen sogar dazu dienen kann zu verstehen, wie unsere Welt insgesamt "tickt". Denn schon das Entstehen der Elemente zu erklären, erfordert so viel Abstraktion, ist mit so viel Unanschaulichkeit verbunden, daß man das Thema vielleicht sehr gut als "Einführung" in die moderne Physik überhaupt nutzen kann, als Hinführung zu den noch viel unanschaulicheren Themen.</p></div><div style="text-align: justify;">Es wird schon an einem solchen simplen Thema deutlich, wie "Theorie-belastet" moderne, menschliche Erkenntnissuche sein kann. Diesen Umstand zu benennen und zu erläutern, dürfte heute immer noch - oder auch: heute wieder besonders - sehr notwendig sein. <br /></div><div style="text-align: justify;"><p>Denn das, auf was wir hier stoßen, <span style="color: #990000;"><b>ist die Art wie unsere moderne Welt "tickt"</b></span>. Und zwar sowohl einerseits von ihren <b>Erkenntnis-Möglichkeiten</b> her, wie zum zweiten von den gewonnenen <b>Erkenntnissen</b> her und schließlich auch zum dritten von den <b>Anwendungen</b> her, die aus diesen Erkenntnissen dann abgeleitet werden, seien sie nun technischer Art oder handele es sich um "Anwendungen" dahingehend, wie wir von diesen Erkenntnissen her unser Weltbild und unsere Moral, also schlicht unser Leben und Alltagsleben "formen" lassen.</p></div><div style="text-align: justify;"><p>Wir sind also hier dicht an dem zu verstehen, wie unsere Welt im Innersten "tickt". Wir bewegen uns nicht mehr in Äußerlichkeiten. Ob wir es nun gerne so haben, daß unsere Welt so und nicht anders - also durch die Köpfe von Wissenschaftlern hindurchgehend - "tickt" oder nicht. Sich jedenfalls persönlich mit diesem "Ticken" unserer Welt in Verbindung zu setzen, dürfte jedem Einzelmenschen und auch ganzen Gesellschaften jenen Energieschub geben, der notwendig ist, um sich im gesellschaftlichen Diskurs so zu positionieren, um gesellschaftliche Diskurse so sich ausformen zu lassen, daß die beteiligten Gesellschaften dabei <b>zukunftsbereit, zukunftsoffen und zukunftsfähig</b> sind, bleiben - oder auch überhaupt erst einmal: werden. </p><h2>Wie sind die chemischen Elemente entstanden? <br /></h2></div><div style="text-align: justify;"><p>Nach solchen grundlegenderen Worten wieder zurück zum eigentlichen Thema: Es war vor allem der britische Astrophysiker Fred Hoyle (1915-2001) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Hoyle">Wiki</a>), der den Gedanken aufbrachte, daß die schwereren Elemente dadurch entstanden sind, daß sie im Innern von Sternen "zusammen gebacken" werden (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/B2FH_paper">Wiki</a>):</p><p></p><div></div><blockquote><div>Eine Hypothese zum Ursprung der schweren Elemente schlug Fred Hoyle vor. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1946, die er 1954 erweiterte, schlug er vor, daß alle Atomkerne, die schwerer als Lithium sind, in Sternen synthetisiert wurden.<br /></div><div>Original: Fred Hoyle offered a hypothesis for the origin of heavy elements. Beginning with a paper in 1946, and expanded upon in 1954, Hoyle proposed that all atomic nuclei heavier than lithium were synthesized in stars. </div></blockquote><p>In jener Zeit, in der auch das Modell vom Urknall immer mehr Anerkennung in der Wissenschaft erfuhr, gab es durchaus auch noch andere
Theorien zur Entstehung der schweren Elemente. So unter anderem von Seiten des Atomphysikers George Gamow. Der britische Wissenschaftsjournalist Marcus Chown hat darüber ein Buch geschrieben, das 2004 auch ins Deutsche übersetzt wurde (10). Darüber erfahren wir (11):</p><p><span></span></p><blockquote><span><span>Wie Marcus Chown schreibt, hatte sich der Astronom Fred Hoyle schon im Jahr 1945 der Ansicht angeschlossen, daß die Sterne vor Zeiten
die Hochöfen waren, in denen die Atome hergestellt wurden.</span></span></blockquote> <p></p><p>Was in einem Astronomischen Kurzvortrag der Universität Heidelberg recht gut erklärt wird (5), kann auch noch einmal in folgenden Worten wiedergegeben werden (2):</p><div></div><blockquote><div>Nach dem Zweiten Weltkrieg war es schon recht verbreitet, die Anfänge des Universums als eine Expansion aus einem sehr dichten Stadium heraus anzunehmen. Aber die Versuche, die Elemente aus dieser Situation heraus entstehen zu lassen, die das ursprüngliche Ziel waren, erwiesen sich als erfolglos; sie versandeten allmählich. 1946 änderte Hoyle das Nukleosynthese-Paradigma, indem er zeigte, daß das Innere von evoluierten, massereichen Sternen eventuell sehr hohe Temperaturen und Dichten sollte erreichen können. In dieser Situation könnte die natürliche Dominanz von Eisen in dem Eisenanteil-Spitzenwert verstanden werden als die Konsequenz eines statistischen Gleichgewichts, vorausgesetzt daß ein geeignetes Verhältnis von Neutronen und Protonen gewählt wurde. (...) Wenn die Explosion des Sterns erfolgte, könnte das interstellare Gas mit Eisen angereichert worden sein. Diese Arbeit verschob die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Nukleosynthese von Atomkernen hin zu den Sternen. Sie schuf das Arbeitsgebiet der galaktischen chemischen Evolution. <br /></div><div>Original: After World War II, it was already popular to envision the beginnings of the universe as an expansion from a very dense state. But attempts to create the elements in that setting, which was the initial goal, were unsuccessful; so the picture languished. Hoyle changed the nucleosynthesis paradigm in 1946 by showing that the interiors of evolved massive stars should eventually reach very high temperature and density. In that setting, the natural dominance of iron in the iron abundance peak could be understood as a consequence of statistical equilibrium, provided the neutron/proton ratio was properly chosen. (...) If explosive disruption of the star followed, the interstellar gas would be enriched in iron. This paper shifted attention to nucleosynthesis in the stars and created the field of galactic chemical evolution.</div></blockquote><p>Und weiterhin ist dazu zu erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nukleosynthese">Wiki</a>):</p><div></div><blockquote><div>Thermonukleare Kernfusionsreaktionen hängen sehr stark von der Temperatur im Inneren des Sterns ab. Daher bestimmt die Masse des Sterns, in welchem Maß die schwereren Elemente im Laufe des Sternenlebens gebrannt werden können. Leichtere Sterne kommen durch den geringeren Druck im Inneren oft über das Heliumbrennen nicht hinaus, Sterne wie unsere Sonne produzieren hauptsächlich die leichteren Elemente bis zum Kohlenstoff, während <span style="color: #274e13;"><b>Sterne, die deutlich schwerer sind als die Sonne, sämtliche Elemente bis hin zum Eisen erzeugen können</b></span>. Hier endet die positive Energiebilanz der Fusionsreaktionen. Der innere Kern solcher Riesensterne besteht dann aus Eisen, ihm folgen die anderen Elemente in Schichten nach außen, ein Wasserstoff-Helium-Gemisch bildet die äußerste Schicht. </div><div>Daß Sterne in ihrem Aufbau zuletzt einem Zwiebelschalenmuster entsprechen, erkannte in den 1940er Jahren Fred Hoyle. Seine Berechnungen zeigten, daß Sterne mit der fortschreitenden Aufzehrung ihres nuklearen Brennstoffs in ihrem Aufbau zunehmend uneinheitlicher werden und daß dies wieder höhere Temperaturen und Dichten in ihrem Inneren bedingt. <span style="color: #274e13;"><b>Das Modell stimmt überraschend gut mit den gemessenen Elementhäufigkeiten im Universum überein.</b></span> Wie oft sich der Zyklus aus Kontraktion, Aufheizung und Entzündung neuen, schwereren Brennstoffs wiederholt, hängt nur von der Masse des Sterns ab. Die Sternentwicklung treibt die Nukleosynthese an, und gleichzeitig treibt die Nukleosynthese wieder die Sternentwicklung. </div></blockquote><div></div><p>Und noch genauer (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nukleosynthese">Wiki</a>):</p><blockquote><p>Schwerere Sterne können einen höheren Gravitationsdruck aufbauen, was die Fusion von schwereren Elementen bis zur Massenzahl 60 ermöglicht. Im Zentrum von Sternen ab 0,4 Sonnenmassen wird nach dem Wasserstoffbrennen zunächst die Kernreaktion von Helium zu Kohlenstoff möglich. Ab 0,7 Sonnenmassen wird die Kohlenstoff-Fusion, bei der je zwei Kohlenstoff-Atome zu Neon, Helium oder Natrium und Protonen sowie Magnesium und Protonen oder Neutronen fusionieren, möglich. <span style="color: #274e13;"><b>Nach Wasserstoff und Helium sind daher die Elemente Kohlenstoff, Neon, Natrium und Magnesium die nächst häufigsten Grundstoffe im Universum, gefolgt von den Elementen Sauerstoff, Silicium, Phosphor und Schwefel.</b></span> Im Zuge des Heliumbrennens entsteht auch Sauerstoff. Ab etwa 1,4 Milliarden Kelvin verschmelzen je zwei Sauerstoff-Atomkerne (unter Abgabe von Helium, Wasserstoff, Protonen und Neutronen) zu Silicium-28, Phosphor-31 oder den beiden Schwefelisotopen Schwefel-31 und -32, unter Umständen auch zu Chlor und Argon. Beteigeuze, der rote Schulterstern im Sternbild Orion, ist vermutlich ebenso ein solcher Stern wie Antares, der tiefrot strahlende Hauptstern im Skorpion. Beide gehören zur Kategorie <span style="color: #274e13;"><b>Roter Riese, haben fast allen Wasserstoff verbraucht und das Heliumbrennen begonnen. Ein solcher Stern rußt: Kohlenstoff wird in ihm gebildet, und Ruß wird auch durch den Sternenwind aus ihm freigesetzt. </b></span> <br /></p></blockquote><p>Daß das Element Kohlenstoff zu den häufigsten chemischen Elementen in diesem Universum gehört, dürfte ein nicht ganz unwichtiger Umstand sein. 1957 veröffentlichte Fred Hoyle - zusammen mit drei weiteren Astrophysikern - eine Studie, die den damaligen Forschungsstand zusammen faßte und bis heute als ein "Landmark-Paper" gilt: <i>"</i><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;"><i>Synthesis of the Elements in Stars"</i> </span>("Die Entstehung der Elemente in Sternen") (3) (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/B2FH_paper">Wiki</a>). Wir erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Hoyle">Wiki</a>):</p><blockquote><p>In einer seiner frühen Arbeiten über die Abläufe der stellaren Nukleosynthese stellte er (Fred Hoyle) fest, daß eine bestimmte Kernreaktion - der 3α-Prozess, bei dem Kohlenstoff erzeugt wird - voraussetzt, daß der Kohlenstoff-Kern dafür ein sehr spezifisches Energieniveau besitzen muß. Basierend darauf machte er eine Vorhersage über die Energieniveaus im Kohlenstoffkern, 1954 wurde der Hoyle-Zustand experimentell bestätigt und konnte 2011 mit JUGENE berechnet werden. 1957 verfaßte er zusammen mit Margaret Burbidge, Geoffrey Burbidge und William Alfred Fowler die B2FH-Theorie zur Entstehung der leichten Elemente durch Kernfusion in Sternen.<br /></p></blockquote><p>Nachdem 2011 mit "JUGENE", dem Supercomputer am Forschungszentrum Jülich, neue, vollständigere Berechnungen des instabilen Kohlenstoff-Isotops C12 hatten angestellt werden können, wurde berichtet (4):</p><blockquote><p>... der sogenannte Hoyle-Zustand. Diese energiereiche Form des Kohlenstoffkerns, genauer: des Isotops C12, bildet sozusagen die alles entscheidende Zwischenstufe, um bei der Bildung der Elemente im heißen Inneren großer Sterne vom Helium zum herkömmlichen Kohlenstoff und weiter zu schwereren Elementen zu gelangen. Bereits im Jahr 1954 hat man den Hoyle-Zustand experimentell nachgewiesen, aber seine Berechnung scheiterte stets - zumindest bis heute. Diese Form des Kohlenstoffs besteht lediglich aus drei sehr lose gebundenen Heliumkernen - ein eher wolkiger diffuser Kohlenstoffkern. Und er liegt nicht einzeln vor, sondern stets zusammen mit anderen Formen von Kohlenstoff. <span style="color: #660000;"><span><b>Gäbe es den Hoyle-Zustand nicht, hätten im Weltall nur sehr wenig Kohlenstoff oder andere höhere Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff und Eisen entstehen können</b></span><b>.</b></span></p></blockquote><p>Aus Sicht der Philosophie von Mathilde Ludendorff, in der dem Element Kohlenstoff als dem "genialsten" aller Elemente eine besondere Bedeutung zugesprochen wird, dürften all diese Forschungsergebnisse doch von großem Interesse sein. In demselben Bericht heißt es übrigens auf genau dieser Linie auch weiter (4):</p><blockquote><p>Sogar philosophische Fragen sind in Zukunft möglicherweise wissenschaftlich zu beantworten. Seit Jahrzehnten gilt der Hoyle-Zustand als Paradebeispiel für die Theorie, daß die Naturkonstanten bei der Entstehung unseres Universums genauso und nicht anders aufeinander abgestimmt sein mußten, da wir sonst nicht hier wären, um das Universum zu beobachten. Man spricht hier vom anthropischen Prinzip. "Für den Hoyle-Zustand heißt das: Er muß genau diese Energie haben, die er hat, weil es uns sonst nicht gäbe", sagt Meißner. "Wir können jetzt berechnen, ob in einer veränderten Welt mit anderen Parametern der Hoyle-Zustand im Vergleich zur Masse von drei Heliumkernen tatsächlich eine andere Energie hätte." Wenn dem so ist, spräche das für das anthropische Prinzip.<br /></p></blockquote><p>Mathilde Ludendorff hat sich in einem ganz eigenen Buch mit der "Genialität" des Kohlenstoff-Atoms beschäftigt. Es wäre noch einmal zu überprüfen, ob ihr dabei die "Zentralität" des Kohlenstoff-Atoms für das Entstehen schwerer Elemente bekannt gewesen ist. Daß der Hoyle-Zustand im Rahmen des Anthropischen Prinzips eine wichtige Rolle spielt, konnte ihr noch gar nicht bekannt sein.</p><p>_______________________</p></div><div style="margin: 0px;"><div style="text-align: justify;">
</div>
<ol style="text-align: justify;">
<li><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;">Ludendorff, Mathilde (Dr. med. v. Kemnitz): Der Siegeszug der Physik. Ein Triumph der Gotterkenntnis meiner Werke. Ludendorffs Verlag GmbH, München 1941 (263 Seiten) (<a href="http://books.google.de/books?ei=3OEiUtxfit2yBuC0gPgB&hl=de&id=vgEaAAAAMAAJ&dq=ludendorff+siegeszug+der+physik&q=gerold#search_anchor">Google Bücher</a>) (mit einem Anhang aus dem Jahr 1955, 31 Seiten) </span></li><li><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;">Clayton, D. D.: Fred Hoyle (1915–2001). Bulletin of the AAS, 33(4), 2001. Retrieved from <a href="https://baas.aas.org/pub/fred-hoyle-1915-2001">https://baas.aas.org/pub/fred-hoyle-1915-2001</a>. </span></li><li><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;">Margaret Burbidge, Geoffrey Burbidge, William Alfred Fowler, Fred Hoyle: Synthesis of the Elements in Stars. In: Review of Modern Physics 29. 1957, S. 547 </span></li><li><span class="Apple-style-span" style="font-size: small;">Rätselhafter Hoyle-Zustand - Physiker lösen grundlegende Frage zur Kohlenstoff-Entstehung - Berechnungen ermöglichen damit Einblick in die gesamte Kette der Elemententstehung. In: Der Standard, Mai 2011, <a href="https://www.derstandard.at/story/1304551497349/raetselhafter-hoyle-zustand-physiker-loesen-grundlegende-frage-zur-kohlenstoff-entstehung">https://www.derstandard.at/story/1304551497349/raetselhafter-hoyle-zustand-physiker-loesen-grundlegende-frage-zur-kohlenstoff-entstehung</a>.<br /></span></li><span style="font-size: small;">
<span>
</span>
</span><li><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Lisker, Thorsten</span></span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">: </span>Sind wir wirklich aus Sternenstaub gemacht? - Uni(versum) für alle! Astronomische Kurzvorträge des </span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg</span></span></span>, 8.6.2011, <a href="https://youtu.be/Tkn1SC92ylM">https://youtu.be/Tkn1SC92ylM</a>.</span></li><li><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Lorenzen, </span></span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Dirk</span></span>: </span>Fred Hoyle und die Schande des Nicht-Nobelpreises. Deutschlandfunk, 24.6.2020, <a href="https://www.deutschlandfunk.de/englischer-astropyhsiker-fred-hoyle-und-die-schande-des.732.de.html">https://www.deutschlandfunk.de/englischer-astropyhsiker-fred-hoyle-und-die-schande-des.732.de.html</a> </span></li><li><span style="font-size: small;">Freistetter, Florian: Fred Hoyle, ein genialer Astronom mit Hang zum Absurden, 2017, <a href="https://www.derstandard.at/story/2000059489914/fred-hoyle-ein-genialer-astronom-mit-hang-zum-absurden">https://www.derstandard.at/story/2000059489914/fred-hoyle-ein-genialer-astronom-mit-hang-zum-absurden</a> <br /></span></li><li><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Schnabel, Ulrich: </span>Unbeirrbarer Urknallrebell - Fred Hoyle. In: Die Zeit, 5. Januar 1994, <a href="https://www.zeit.de/wissen/astronomie/urknall_011994">https://www.zeit.de/wissen/astronomie/urknall_011994</a>.</span></li><li><span style="font-size: small;">Lambourne, </span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Robert</span>: Besprechung von "Home is where the wind blows" von Fred Hoyle. In: </span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Phys. Educ., </span></span><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Volume 32, Number 4, 1997, </span><a href="https://iopscience.iop.org/article/10.1088/0031-9120/32/4/031">https://iopscience.iop.org/article/10.1088/0031-9120/32/4/031</a></span></li><li><span style="font-size: small;"><span style="font-size: small;">Jentsch, Horst: </span>Weltgeschichte zwischen Wissenschaft und Glaube. Evolution aus naturalistischer Weltsicht oder Schöpfung. BoD, 3. Aufl 2020, <a href="https://books.google.de/books?id=XN_sDwAAQBAJ">https://books.google.de/books?id=XN_sDwAAQBAJ</a>.</span></li><li><span style="font-size: small;">Chown, Marcus: Die Suche nach dem Ursprung der Atome. Marix-Verlag, Wiesbaden 2004</span></li><li><span style="font-size: small;">Bading, Ingo: Wir sind Sternenstaub, 20.12.2020, <a href="https://youtu.be/pWWSTcGNt-c">https://youtu.be/pWWSTcGNt-c</a>.<br /></span></li>
</ol>
</div>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-46193476975456511312020-12-20T07:17:00.004+01:002020-12-20T07:17:24.768+01:00Werner Heisenberg als "religiöser Physiker"<p></p><p style="text-align: justify;"><b>Eine philosophische Aufgabe, die die Physiker des 20. Jahrhunderts nicht geleistet haben</b> <br /></p><p style="text-align: justify;">Von all den vielen Vorträgen und Interviews, die man sich inzwischen von Werner Heisenberg im Internet anhören kann, ist es vor allem eine Radiosendung aus dem Jahr 1969, in der uns die philosophischen und religiösen Probleme rund um die Atomphysik besonders deutlich hervorzutreten scheinen (1). <br /></p><p style="text-align: justify;"> </p><p style="text-align: center;"><iframe allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/nfFnbBUkxes" width="560"></iframe><br /></p><p style="text-align: justify;"> </p><p style="text-align: justify;">Und zwar insbesondere auch deshalb, weil in dieser Sendung nicht nur ein
Physiker, sondern sehr viele verschiedene Physiker zu Wort kommen und
dabei auch die unterschiedlichen Haltungen zu den philosophischen und
religiösen Fragen, die sich aus der Quantenphysik ergeben können,
deutlich werden.</p><p style="text-align: justify;">Der
Sprecher dieser Sendung, der in derselben auch die Interviews mit Werner
Heisenberg und anderen Physikern
führt, ist einstweilen nicht bekannt. Er läßt aber sowohl
philosophische wie christlich-theologische Interessen erkennen. Einmal
kommt er auch auf den Papst zu sprechen. Vielleicht ist er Katholik.
Aber dieser Umstand drängt sich nicht in den Vordergrund. Vielmehr läßt
er alle Stimmen zu Wort kommen, auch ernstzunehmende Gegenstimmen aus
dem Bereich des Atheismus. Sie können ja auch geradezu als Stachel zur
Erkenntnis genutzt werden.</p><p style="text-align: justify;">In dieser Sendung wurde ein Interview geführt mit Werner Heisenberg, ebenso ein kurzes mit dem
Hamburger Atomphysiker Pascal Jordan. Es werden beider Aussagen einander
gegenüber gestellt (bis 27'12). Es werden dann interessanterweise auch
junge Physiker an der Universität Heidelberg mit den Aussagen von
Heisenberg konfrontiert (27'13-33'06). Auch am Ende der Sendung kommen einige dieser jungen Physiker noch einmal zu Wort.<span><br /></span></p><p style="text-align: justify;"><span>Insbesondere die Reaktionen der jungen Physiker im Jahr 1969 in Heidelberg machen
deutlich, daß Physiker wie Werner Heisenberg damals immer noch - oder schon wieder - eine Ausnahmestellung innegehabt haben innerhalb der Physik und
daß sie diese bezüglich der philosophischen Ausdeutung der Quantenphysik bis heute letztlich auch irgendwie immer noch innehaben.</span></p><p style="text-align: justify;"><span>Aber die Teile der Sendung nach diesem Abschnitt sind noch aufwühlender. <br /></span></p><p style="text-align: justify;"><span>Der Autor dieser Zeilen ist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, zwischen 1985 und
1996 in immer wiederkehrender Konfrontation mit dem so
selbstverständlichen Gottvertrauen eines deutschen Physikers, Biophysikers und Hochschullehrers aufgewachsen. Dieser wiederum war wissenschaftlich sozialisiert
worden im Umfeld des Biophysikers Max Delbrück, einem Umfeld (in dem sich damals übrigens auch einer der Söhne von Werner Heisenberg bewegte). Dieser Biophysiker konnte dem Verfasser dieser Zeilen auch
eine Fülle von naturwissenschaftlichen Sachbüchern der 1980er und 1990er Jahre </span>empfehlen,
aus denen dieses Gottvertrauen ganz ebenso herauszulesen war. So daß
der Verfasser dieser Zeilen derzeit fast mit ein wenig Befremden auf die "Probleme" schaut, die in dieser Radiosendung und in Interviews mit führenden deutschen Physikern um
1969 herum behandelt worden sind (1).</p><p style="text-align: justify;">Die Radiosendung scheint nicht zuletzt angestoßen worden zu sein durch das Erscheinen des Buches "Der Teil und das Ganze - Gespräche im Umkreis der Atomphysik" von Werner Heisenberg (2). </p><h2 style="text-align: justify;">Desinteresse einer neuen Physiker-Generation an philosophischen Fragen im Jahr 1969<br /></h2><p style="text-align: justify;">Aber das ist - insbesondere im zweiten Teil der Radiosendung - ein Stottern, das ist ein "Raten",
das ist ein "Meinen", das ist ein Herumtasten, daß es nur so eine Art hat. Und am Ende steht man -
fast - mit leeren Händen dar. Ergebnis der Sendung ist: Eine Minderheit der Physiker
aus der Gründergeneration der Quantentheorie und der Relativitätstheorie können "religiöse
Physiker" genannt werden. Insbesondere fast alle der bedeutendsten und namhaftesten unter ihnen (Max Planck, Albert Einstein, Werner Heisenberg und andere). Alle anderen waren und sind - wenn es um die Physik und ihre philosophischen Schlußfolgerungen geht - sozusagen bloße "Techniker",
die sich für religiöse und philosophische Fragen gar nicht interessieren. </p><p style="text-align: justify;">So ähnlich
formuliert es dann auch Carl Friedrich von Weizsäcker in dieser Sendung ausdrücklich. Er war über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg der engste Mitarbeiter von Werner Heisenberg (1). von Weizsäcker wird von dem Interviewer nun interessanterweise konfrontiert mit der Aussage des damaligen atheistischen DDR-Philosophen
Olof Klohr (1927-1994) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Olof_Klohr">Wiki</a>). Dieser war von 1963 bis 1969 Professor für "Religionssoziologie und
wissenschaftlichen Atheismus" an der Universität Jena. Interessanterweise wurde Klohr nach 1969 sogar in der DDR aufgrund seiner Christentums-Feindlichkeit ins geistige Abseits geschoben. Ob nicht an diesem Umstand der Einfluß der monotheistischen Hintergrundmächte sogar in der DDR erkennbar wird? War die philosophische Auseinandersetzung, die Klohr führte, unerwünscht? Er hatte eine sehr interessante Beobachtung gemacht (1) (36'41):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Kirchliche
Kreise berufen sich auf die Religiosität berühmter Naturwissenschaftler
wie zum Beispiel Carl Friedrich von Weizsäcker, Werner Heisenberg,
Pascual Jordan, Albert Einstein. Das häufig angeführte Standardbeispiel
für den religiösen Naturwissenschaftler ist Max Planck. <span style="color: #274e13;"><b>Bei näherer
Überprüfung ergibt sich jedoch, daß bei keinem Naturwissenschaftler eine
Einheit von Wissenschaft und Religion vorhanden ist. Denn bei keinem
der angeführten Wissenschaftler ergeben sich aus den wissenschaftlichen
Erkenntnissen religiöse Schlußfolgerungen.</b></span><br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Das sind starke Worte. Ist man nicht unmittelbar veranlaßt zuzustimmen? Aber was für ein harter Satz. Mit einem Schlag klärt er sofort die Dinge. Der Verfasser dieser Zeilen muß ihn jedoch - mit dem oben genannten Hintergrund - auch fast mit einem Lächeln lesen. Zu ihm sagt nun Carl Friedrich von Weizsäcker etwas eigentlich sehr Wesentliches. Er sagt (38'10):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Ich
finde, die Beschreibung des durchschnittlichen Zustands der
Wissenschaft durch diesen Satz, den Sie hier zitieren, ist ziemlich
richtig. Ich glaube allerdings, daß die Beziehung zwischen dem
religiösen Empfinden und vielleicht auch Glauben der Leute, die Sie
zitiert haben, und ihrer Wissenschaft, in Wirklichkeit besteht. <span style="color: #990000;"><b>Das klar
zu machen, ist eine philosophische Aufgabe, die keiner der
Wissenschaftler, die Sie genannt haben, geleistet hat.</b></span></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Da wäre sofort die Frage zu stellen: Hat diese Aufgabe denn dann nun endlich der Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker geleistet? Das wird man vorderhand bezweifeln dürfen. Aber dieser Frage kann ja noch einmal nachgegangen werden. von Weizsäcker sagt etwas später über den Antrieb zum Philosophieren oder zur Auseinandersetzung mit religiösen Fragen (41:00):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Was ich jetzt meine, das ist, daß die - ich will es mal nennen: religiöse Wirklichkeit nur dort in den Blick kommt, wo der Schein einer Kohärenz, eines ungebrochenen Zusammenhangs der Wirklichkeit, der täglichen Welt zerreißt.<br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">Dies kann bei völlig unterschiedlichen Anlässen geschehen, technische Anwendungen wie die Atombombe würden hier einen sehr konkreten Anlaß geben für ein solches Zerreißen. Aber bevor diese technische Anwendung wichtig wurde, waren es andere Anlässe, so von Weizsäcker (42:50):</p><blockquote><p style="text-align: justify;">Als ich anfing zu studieren, (...) standen die großen Grundsatzprobleme
im Vordergrund. Und wenn jemand über die grundlegenden Fragen so
nachdachte und darin so erschüttert wurde in seinen
Selbstverständlichkeiten wie das in der Zeit der Entstehung der Relativitätstheorie und der Quantentheorie der Fall war, dann konnte ihm da eine religiöse Frage sehr wohl auftauchen. (...) Wenn man eine saubere Methodologie der Wissenschaft betreibt, wenn man das macht, was man heute etwa Wissenschaftstheorie nennt, dann würde ich bereit sein, die These durchzufechten - aber das geht nicht in wenig Worten - daß die Wissenschaftstheorie zu keinem anderen Resultat kommt und zu keinem anderen kommen kann, als daß schon die Möglichkeit von Erfahrung ein tiefes Rätsel ist. <br /></p></blockquote><p style="text-align: justify;">An dieser Stelle würde natürlich die Evolutionäre Erkenntnistheorie einsetzen, auf die von Weizsäcker im nachfolgenden aber gar nicht rekurriert. </p><p style="text-align: justify;">Der Verfasser dieser Zeilen möchte sagen, daß er aufgewachsen ist in Konfrontation mit dem
stetigen Bemühen, genau das klar zu machen und zu klären, was hier gefordert ist, nämlich der Beziehung nachzugehen zwischen dem religiösen Empfinden der Wissenschaftler und der Wissenschaft, die sie betreiben.</p><p style="text-align: justify;">Bei der Klärung dieser Beziehung hat
geholfen Hoimar von Ditfurth, hierbei hat geholfen die Evolutionäre
Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz, hierbei haben geholfen die Bücher von Paul Davies
(z.B. "Die Urkraft"), hierbei hat geholfen Manfred Eigen ("Das Spiel"),
hierbei hat geholfen Stephen Hawkings ("Eine kurze Geschichte der Zeit"). Und hierbei haben so viele andere Sachbücher, die damals gelesen wurden und zu lesen
waren, geholfen. Es haben dabei vor allem auch geholfen wissenschaftlich-philosophische Aufsätze, die erschienen sind in der Zeitschrift "Die Deutsche Volkshochschule", die von dem Hintergrund dieser genannten breiten Literatur ausgehend verfaßt worden waren und die zu dieser genannten Literatur auch wieder zurück geführt haben.<br /></p><h2 style="text-align: justify;">Eingreifen Gottes durch die Quantenphysik? <br /></h2><div style="text-align: justify;">Im vorderen Teil der Sendung waren vielleicht noch ein wenig "banalere" Dinge besprochen worden. Aber gerade auch bezüglich dieser Dinge ist es doch einmal gut, klare Worte von Werner Heisenberg zu hören. Die Quantentheorie zu benutzen, um ein "Eingreifen Gottes" in diese Welt als möglich zu erklären oder auch die Willensfreiheit des Menschen als möglich zu erklären, weist Werner Heisenberg hier entschieden und klar zurück. <br /></div><div><p>________ <br /></p><ol style="text-align: left;"><li style="text-align: justify;">"Wir reden auch nur in Gleichnissen" (Werner Heisenberg). <u><span style="color: #990000;"><b>Gespräche mit Werner Heisenberg, Pascual Jordan, Carl Friedrich von Weizsäcker und jungen Atomphysikern</b></span></u>. Etwa <b>1969</b>, <a href="https://youtu.be/nfFnbBUkxes">https://youtu.be/nfFnbBUkxes</a>. <br /></li><li style="text-align: justify;">Heisenberg, Werner: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper-Verlag, München <b>1969</b>.</li><li style="text-align: justify;">Heisenberg, Werner: Atomphysik und Philosophie. Vortrag <b>1967</b>, <a href="https://youtu.be/mvLDNHQLFcg">https://youtu.be/mvLDNHQLFcg</a>, <a href="https://youtu.be/xhNS3cJX5EU">https://youtu.be/xhNS3cJX5EU</a>.<br /></li><li style="text-align: justify;">Troschke, Harald von: Interview Werner Heisenberg. Etwa 1967, <a href="https://troschke-archiv.de/interviews/werner-heisenberg">https://troschke-archiv.de/interviews/werner-heisenberg</a>; 30.3.<b>1968</b>, <a href="https://youtu.be/SJSmdErgcHs">https://youtu.be/SJSmdErgcHs</a>, <a href="https://youtu.be/b57qe1esX4o">https://youtu.be/b57qe1esX4o</a>.</li><li style="text-align: justify;"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">Egloff
Schwaiger, Martin Posselt: <u><span style="color: #990000;"><b>Porträt Werner Heisenberg</b></span></u>. Deutschland, <b>1968</b>
(30 Minuten). Neu gesendet vom Bayerischen Rundfunk im Januar 2019 in
der Reihe "alpha-retro" bei ARD-alpha. (Veröffentlicht auf dem
Videokanal "<a href="https://www.youtube.com/user/dete38">dete38</a>".) 1. Teil: <a href="https://youtu.be/zio9r1lXL9Q">https://youtu.be/zio9r1lXL9Q</a>, 2. Teil: <a href="https://youtu.be/kov2890PEHM">https://youtu.be/kov2890PEHM</a>.</span></span></span></span></li><li style="text-align: justify;">Bading, Ingo: Werner Heisenberg privat. Ein wertvolles Filmdokument aus dem Jahr 1968, 28. November 2020, <a href="https://studgenpol.blogspot.com/2020/11/werner-heisenberg-privat.html">https://studgenpol.blogspot.com/2020/11/werner-heisenberg-privat.html</a>.</li></ol></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-77847049095966693852020-11-28T09:11:00.010+01:002020-12-06T19:20:46.439+01:00Werner Heisenberg privat<p style="text-align: justify;"><b> Ein Filmdokument aus dem Jahr 1968</b> <br /></p><p style="text-align: justify;">Auf unserem Videokanal haben wir uns in der letzten Woche mit Ausschnitten aus dem Leben des Begründers der Quantentheorie, mit Werner Heisenberg (1901-1976), beschäftigt, sowie mit dem damit verbundenen Denken auf den Gebieten von Wissenschaft, Philosophie und Ethik (1). Dies lies einmal erneut danach fragen, ob es in Videoform weitere Beiträge gäbe, die man als besonders geeignet ansehen und empfehlen könnte, sich dem Leben und Denken von Werner Heisenberg anzunähern. Überraschenderweise wurden wir fündig (2):</p><p style="text-align: justify;"><span data-offset-key="3qatj-1-0"><span data-text="true"> <br /></span></span></p><p style="text-align: center;"><span data-offset-key="3qatj-1-0"><span data-text="true"><iframe allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/zio9r1lXL9Q" width="560"></iframe><br /></span></span></p><div data-contents="true"><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="5iqgg-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="5iqgg-0-0"><span data-offset-key="5iqgg-0-0"></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="7jrs-0-0" style="text-align: justify;"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-text="true">Für die Zugänglichmachung eines solchen 30-minütigen Filmdokumentes aus dem Jahr 1968, in dem Werner Heisenberg offenbar die volle Freiheit hat, das von ihm zur Darstellung zu bringen, was er darstellen möchte, darf man sehr dankbar sein. Denn d<span><span data-offset-key="3qatj-0-0"><span data-text="true">ie</span></span></span><span data-offset-key="3qatj-1-0"><span data-text="true">
grundlegende Wende im menschlichen Denken, die mit der Quantenphysik in
die Welt getreten ist - sie mag doch für Nichtphysiker schwer
nachvollziehbar sein, insbesondere in ihrer Bedeutung für unser heutiges
Weltverständnis.</span></span></span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="3qatj-1-0"><span data-text="true"> </span></span> <br /></span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-text="true">Der tiefere Grund dafür mag sein, daß hier die strengste Rationalität - wie sie in der modernen Wissenschaft üblich ist - auf eine nicht mehr hintergehbare nichtrationale Seite der Wirklichkeit stößt. Während über die rationale Seite der Wissenschaft jeder Wissenschaftler ganz "nüchtern", ja, geradezu "plappernd" sprechen kann, ohne daß dabei ein Verlust allzu deutlich spürbar werden muß, wird es insbesondere dann auffällig, wenn Wissenschaftler "nur" rational über jene nichtrationale Seite der Wirklichkeit sprechen. Nämlich wenn sie - zum Beispiel - im Bereich der Quantentheorie auf diese wieder und wieder stoßen und sich dann - vielleicht ein wenig hohl - bemühen, diesen Umstand gar zu wortreich zu erläutern.</span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-offset-key="7jrs-0-0"><span data-text="true">So bescheiden nun Werner Heisenberg im persönlichen Leben auftreten mag - wie man es in diesem Filmdokument (2) erleben kann - oder vielleicht gerade deshalb - ist er eben als Person und als der eigentliche Begründer der Quantenphysik dann doch nicht jemand, der "nur" rational über das spricht, was ihm das wesentlichste Anliegen seiner Wissenschaft ist. Fast meint man sagen zu wollen, Heisenberg wirke "schamhaft", wenn er über die tieferen Gehalte seiner Wissenschaft spricht. Seine Annäherung an das Nichtrationale ist jedenfalls immer wieder so behutsam, daß viele Menschen diese Annäherung gar nicht richtig wahrnehmen mögen. <br /></span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="3si42-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="3si42-0-0"><span data-offset-key="3si42-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="dpg3p-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="dpg3p-0-0"><span data-offset-key="dpg3p-0-0"></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="ciol3-0-0" style="text-align: justify;"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="ciol3-0-0"><span data-offset-key="ciol3-0-0"><span data-text="true">Er spricht zum Beispiel einleitend - wie hier in diesem Filmdokument (2) - über die Musik. Wer nicht genau hinhört, bekommt gar nicht mit, <span style="color: #274e13;"><b>daß diese Musik für ihn Ausdruck dessen ist, auf was er an Nichtrationalem in seiner Wissenschaft von der Quantenphysik ebenfalls gestoßen ist</b></span>. Das ist doch eine philosophisch sehr grundlegende Aussage - oder Vermutung. Diese andeutende Vermutung ist hier geradezu versteckt in dem kleinen Nebensatz (2'00): <i>"... Aber vielleicht ist da doch eine Verwandtschaft"</i> - nämlich gemeint zwischen der Musik und der Natur. Über so etwas dürfte doch wohl nicht gar zu oberflächlich und schnell hinweg gegangen werden, wenn man es in der Auseinandersetzung mit der Quantentheorie ernst nehmen sollte.</span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="bc954-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="bc954-0-0"><span data-offset-key="bc954-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="7ltgq-0-0" style="text-align: justify;"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7ltgq-0-0"><span data-offset-key="7ltgq-0-0"><span data-text="true">Da von Werner Heisenberg derzeit nur ganz wenige Filmdokumente im Internet zugänglich sind, mag man ein solches Filmdokument als um so kostbarer erachten. Es ist erst seit einem Jahr im Internet zugänglich (2). </span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="638q5-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="638q5-0-0"><span data-offset-key="638q5-0-0"><br data-text="true" /></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="1cbjt-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="1cbjt-0-0" style="text-align: justify;"><span data-offset-key="1cbjt-0-0"><span data-text="true">Von den zahlreichen Schülern von Werner Heisenberg und den zahlreichen </span></span><span data-offset-key="1cbjt-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="1cbjt-0-0"><span data-text="true">und "Erklärern" der </span></span>grundlegenden Wende im menschlichen Denken, die mit der Quantentheorie verbunden ist - es seien etwa Namen genannt wie: Hans-Peter Dürr, Carl-Friedrich von Weizsäcker, Ernst Peter Fischer - finden sich recht zahlreich Filmdokumente. Es mag jeder für sich entscheiden, ob all diese - als Menschen - jenen nichtrationalen Gehalt der Wissenschaft wirklich gelungen selbst verkörpern, über den sie dabei immer wieder zu sprechen versuchen. Oder wenigstens so wie man das bei Werner Heisenberg - aufgrund eines solchen Filmdokumentes (2) - ansatzweise erahnen mag.</span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="1cbjt-0-0"><span data-offset-key="1cbjt-0-0"><span data-text="true"> </span></span></div><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="1cbjt-0-0" style="text-align: justify;"><span data-offset-key="1cbjt-0-0"><span data-text="true">Besonders schön ist vielleicht auch, daß an einer Stelle in dieser Filmdokumentation die Ehefrau von Werner Heisenberg zu Wort kommt. Durch sie wird vielleicht gleich viel deutlicher, von wie viel Innenleben das Leben von Werner Heisenberg getragen gewesen sein muß. Dazu ist schon in zwei anderen Beiträgen etwas gesagt worden (3, 4).<br /></span></span></div></div><div data-block="true" data-editor="cvsmd" data-offset-key="ajolq-0-0"><div class="_1mf _1mj" data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-offset-key="ajolq-0-0">_________</span><ol style="text-align: left;"><li><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">Bading, Ingo: Ausschnitte aus dem Leben und Denken von Werner Heisenberg - Nach seinem Buch "Der Teil und das Ganze", November 2020, <a href="https://youtu.be/J7qrbgVen8I">https://youtu.be/J7qrbgVen8I</a>, <a href="https://youtu.be/mhQSbOW1-RM">https://youtu.be/mhQSbOW1-RM</a>, <a href="https://youtu.be/VUgV2VjQPDc">https://youtu.be/VUgV2VjQPDc</a>, <a href="https://youtu.be/JSYKOsGmSZI">https://youtu.be/JSYKOsGmSZI</a>.</span></span></li><li><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">Egloff
Schwaiger, Martin Posselt: Porträt Werner Heisenberg. Deutschland, 1968
(30 Minuten). Neu gesendet vom Bayerischen Rundfunk im Januar 2019 in
der Reihe "alpha-retro" bei ARD-alpha. (Veröffentlicht auf dem
Videokanal "<a href="https://www.youtube.com/user/dete38">dete38</a>".) 1. Teil: <a href="https://youtu.be/zio9r1lXL9Q">https://youtu.be/zio9r1lXL9Q</a>, 2. Teil: <a href="https://youtu.be/kov2890PEHM">https://youtu.be/kov2890PEHM</a>.</span></span></span></span></li><li style="text-align: justify;"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">Bading, Ingo: Die Liebe, die Wissenschaft und Max Delbrück - Wie fühlt es sich an, wenn man einen genialen Wissenschaftler als Freund hat?, </span></span></span></span><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">3. Januar 2019, </span></span></span></span><a href="https://fuerkultur.blogspot.com/2019/01/max-delbruck-und-sein-sex-life.html">https://fuerkultur.blogspot.com/2019/01/max-delbruck-und-sein-sex-life.html</a>.<br /></span></span></span></span></li><li style="text-align: justify;"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">Bading, Ingo: Werner Heisenberg - Seine erste große unerfüllte Liebe - "Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll" (Februar 1936) ,</span></span></span></span><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true"><span data-offset-key="7ud5t-0-0"><span data-text="true">10. Januar 2019</span></span></span></span>, <a href="https://fuerkultur.blogspot.com/2019/01/werner-heisenberg-und-seine-liebe-zu.html">https://fuerkultur.blogspot.com/2019/01/werner-heisenberg-und-seine-liebe-zu.html</a>.<br /></span></span></span></span></li></ol></div></div></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-62430875393624658252020-11-12T18:19:00.004+01:002020-11-29T10:33:15.181+01:00"Wenn junge Eltern sterben" - Eine Dokumentation<p></p><p></p><p></p><p style="text-align: justify;"><b>Eine Fernseh-Dokumentation, in der der Tod - unser aller Tod - einmal seine Würde zurück erhält</b></p><p style="text-align: justify;"> </p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-5LMpgWU5lKA/X7JQ00Jfs8I/AAAAAAAAZGM/6wdLB_CJN3o4n9ZdQoZfi2silUIFGaMegCLcBGAsYHQ/s480/7a41a7ccd3e1f7327e337e8ae7f841fa.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="360" data-original-width="480" height="300" src="https://1.bp.blogspot.com/-5LMpgWU5lKA/X7JQ00Jfs8I/AAAAAAAAZGM/6wdLB_CJN3o4n9ZdQoZfi2silUIFGaMegCLcBGAsYHQ/w400-h300/7a41a7ccd3e1f7327e337e8ae7f841fa.jpg" width="400" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Vorschaubild zur Dokumentation<br /></td></tr></tbody></table><br /><p style="text-align: justify;"></p><p style="text-align: justify;">Sogar im "Mainstream"-Fernsehen ist diese Dokumentation gelaufen. Selten genug geschieht das.</p><p><br /></p><p style="text-align: center;"><iframe frameborder="0" height="270" src="https://www.youtube.com/embed/hRaNu4DdCco" width="480"></iframe></p><p>- - - <br /></p><p>______________ <br /></p><div style="text-align: justify;"><ol><li>
Renate Werner: Das will ich dir noch sagen - Wenn junge Eltern sterben. WDR Doku, 09.07.2019, https://youtu.be/hRaNu4DdCco. </li></ol></div>Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-9282725820674080312020-04-26T09:15:00.001+02:002020-08-22T08:19:32.501+02:00Warum Wissenschaft?<div style="text-align: justify;">
<b>Wissenschaft für Anfänger </b></div>
<div style="text-align: justify;">
<b>- Die Wissenschaft und ihr Platz in der heutigen Welterfahrung</b> </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wer sich für Philosophie interessiert und innerhalb derselben insbesondere naturwissenschaftsnahe philosophische Ansätze verstehen oder gar nachvollziehen will, sich für sie einsetzen will, muß sich zunächst klar machen, daß es sich bei moderner Philosophie immer nur um eine solche auf wissenschaftlicher Grundlage handeln kann.*)</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Aber was heißt "wissenschaftliche Grundlage"?</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wissenschaft ist ein Gemeinschaftsunternehmen vieler Völker, vieler Generationen, ja, ganzer Jahrtausende. Der wissenschaftliche Erkenntnisprozeß erstreckt sich über Jahrhunderte, nein, Jahrtausende. Wissenschaft im engeren, konkreteren Sinne begann in der griechischen Antike. Natürlich können zahllose "Vorläufer" benannt werden (siehe Himmelsscheibe von Nebra, Stonehenge, sprich: Astronomie, Zahlen- und Schriftsysteme, Heilkunde der Bronzezeit). Insbesondere ist <b><span style="color: #990000;">Wissenschaft</span></b> aber <b><span style="color: #990000;">an Schriftkultur gebunden</span></b> und an die Weitergabe von Wissen über Schriftdokumente.**)</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: center;">
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-MFlp4tBhN9Q/XyO896zu4FI/AAAAAAAAY1w/OFgTqWDGMSY8M0JtKkWDpiHyijbKA78JwCLcBGAsYHQ/s500/9783788614409-de-300.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img alt="Erstmals erschienen 2006 (aus dem Englischen)" border="0" data-original-height="500" data-original-width="388" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-MFlp4tBhN9Q/XyO896zu4FI/AAAAAAAAY1w/OFgTqWDGMSY8M0JtKkWDpiHyijbKA78JwCLcBGAsYHQ/w497-h640/9783788614409-de-300.jpg" title="Erstmals erschienen 2006 (aus dem Englischen)" width="497" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Tessloffs Sachbilderbuch "Wissenschaft einfach erklärt" (als Beispiel) - Erstmals erschienen 2006 (aus dem Englischen)</td></tr>
</tbody></table>
</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
Deshalb bedeutete es einen ungeheuren Einschnitt in der Wissenschaftsgeschichte, als mit Einbruch des Frühmittelalters der größte Teil der bis dahin angesammelten Schriftdokumente der Antike verloren ging. Nur bruchstückhaft sind einzelne Bestandteile der wissenschaftlichen (und natürlich auch Dicht-)Werke der Antike über das Mittelalter hinweg auf uns überkommen. Es beruhte das zum Teil auf andächtiger Pflege dieser Schriftüberlieferung durch einzelne wenige Gelehrte und Schriftkundige, zum Teil im arabischen Raum, zum Teil in Byzanz, zum Teil in diversen europäischen Klöstern und anderwärts.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
"Wissenschaftliche Grundlage" heißt weiterhin, daß <b><span style="color: #990000;">Wissenschaft immer im Kampf gegen die Unvernunft, gegen den "Glauben", gegen "gefühlte Wahrheiten"</span></b>, gegen Dogmen, gegen Maulkörbe und Denkverbote langsam, Schritt für Schritt an Boden gewinnen konnte. Nur langsam und über lange Jahrhunderte hinweg gewannen Menschen und Völker zunehmend mehr Vertrauen zur wissenschaftlichen Erkenntniswelt. Kam den Menschen anfangs der Blitzableiter als ein abergläubischer Spuk vor, vertrauen sie heute ganz selbstverständlich auf seine Wirksamkeit.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Der Mensch und menschliche Kultur, auch die menschliche Seele wurzeln in "Unwissenschaftlichkeit". Seien wir uns dessen klar. Was ist damit gesagt? In der Wissenschaft ist am Anfang selten klar, was eigentlich das Ergebnis der Forschung sein wird. <b><span style="color: #990000;">In der Wissenschaft tritt immer wieder "Unerwartetes" ein.</span></b> Man stößt auf Dinge, die völlig unerwartet sind. Warum eigentlich sind sie unerwartet? Weil wir alle in uns bestimmte Vorannahmen über die Wirklichkeit tragen. Von Kindheit an versucht unsere Vernunft, die uns umgebende Welt zu verstehen. Und das kindliche Gemüt nimmt zunächst alles für "bare Münze". Der Weihnachtsmann ist der Weihnachtsmann, der Osterhase der Osterhase. So hat der vorwissenschaftliche Mensch durchgehend gedacht. Man muß, um sich davon zu überzeugen, nur in die "Ilias" des Homer schauen. Oder in die germanischen Heldensagen. Eine Wunder- und Märchenwelt.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Hier hat sich überall die Vernunft und die Seele der Menschen eine Welt so "gebastelt" wie sie ihnen auf den ersten Augenschein hin am schlüssigsten erschien und wie sie sie sich - über ihre noch bestehenden <b><span style="color: #990000;">Lücken der Erkenntnis</span></b> hinweg - <b><span style="color: #990000;">märchenhaft "ergänzten"</span></b>. Die Wissenschaft und Philosophie traten demgegenüber zweitausend Jahre lang immer nur wieder als Kräfte der "Entzauberung" auf. Der Blitz wird nicht von Göttern gesendet, sondern kann durch eine simple Metallstange folgenlos in die Erde gelenkt werden. Die ungeheure, gewaltige Kraft des Blitzes ist dieselbe und bietet Anlaß für Erstaunen wie schon immer. Aber diese Kraft ist dem Menschen "beherrschbar" geworden. Und manche Menschen können ja nur das "bestaunen", was ihnen unbeherrschbar erscheint. Aber weiter: Der Teufel, an den Martin Luther noch als einen "Leibhaftigen" geglaubt hat, und nach dem er auf der Wartburg sein Tintenfaß warf, weil er glaubte, dieser wolle ihn verführen, dieser Teufel ist eine Phantasiegestalt, entstammt der Märchenwelt der Menschheitsgeschichte.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Und so können unglaublich viele Dinge unserer alltäglichen Welt durchgegangen werden, deren "Märchenhaftigkeit" wir schon seit vielen Jahrhunderten eingesehen haben, und über die sich der allergrößte Teil der Menschheit heute nicht mehr großartig "aufregt". Es halten sich allerdings zähe Überreste von Aberglaube und Unwissenschaftlichkeit auch in der heutigen, modernen Welt. Soweit ich das erkennen kann, liegt ein Hauptgrund für dieses zähe Weiterbestehen von Aberglaube in der modernen Welt in dem Umstand begründet, daß Wissenschaft gerade in den letzten hundert Jahren komplexer und immer komplexer geworden ist. Es ist hier in der modernen Wissenschaft eine "befremdliche", "abstrakte" Welt entstanden. Allerdings sind sogar für diesen Umstand schon wieder - von Seiten der Wissenschaft - Erklärungen möglich geworden.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<h2 style="text-align: justify;">
Menschliche Erkenntnis stößt an Grenzen </h2>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die wissenschaftliche Erkenntniswelt ist in Teilen abstrakter geworden, weil sie an die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens gelangt ist. Und auch, weil sie an die beiden Grenzen gestoßen ist jener Kategorien, in die unsere Welt eingeordnet ist, nämlich an die Grenzen von Raum und Zeit. Was für ein ungeheures Geschehen. Wir sind bis zum Allergrößten und bis zum Allerkleinsten vorgestoßen und haben beide male erkannt: Hier geht es nicht weiter. Wir sind bis zum zeitlich Allerlängsten und Allerkürzesten vorgestoßen und haben erkannt: Noch weiter kommen wir nicht. Aber wir erkennen auch: Dort, an den Grenzen unseres Erkenntnisvermögens wird es auffallend komplex und auch - für unseren Alltagsverstand - auffallend "absurd". </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Beispiel: Alles gegenwärtige Sein, alle Materie soll aus dem Nichts entstanden sein. Geht es - für den Alltagsverstand - absurder? Aber andererseits: Haben Philosophen nicht immer schon über das Wechselverhältnis von Sein und Nichts nachgedacht? Welche Steilvorlagen bietet hier die moderne Naturerkenntnis für uraltes philosophisches Denken.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Physiker haben erkannt, daß sie dort, an den Grenzen, mit der Mathematik noch ein Stück weiter kommen als sie es auch selbst mit ihrem eigenen Alltagsverstand noch können. Und sie sagen deshalb, daß die Schönheit der modernen Physik nur der wirklich nachvollziehen kann, der die Schönheit der ihr zugrundeliegenden Mathematik nachvollziehen kann. Da wir Alltagsmenschen das nicht können, bleibt uns hier ein Zugang zur Schönheit der Welt versperrt. Unglaublich, daß so etwas im Weltall vorgesehen ist. Daß nur wenige Superkluge eine Schönheit sehen können, "dürfen", die viele andere nicht sehen können. Immerhin, ein Trost: Viele Physiker haben sich schon Jahrzehnte lang bemüht, die Schönheit der Dinge, auf die sie bei ihren Forschungen gestoßen sind, auch denen zugänglich zu machen, die nicht so mathematisch begabt sind wie sie selbst. Aber daß moderne Physik ein wesentlicher Bestandteil unseres Kulturlebens ist oder sein könnte, davon werden nur die wenigsten heutigen Menschen ein Bewußtsein haben.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Allerdings ist ein Bewußtsein davon ein Bestandteil dessen, wenn gesagt wird: Philosophie auf wissenschaftlicher Grundlage. Auch die Philosophie hat ihren gut strukturierten Platz in der Gesamtheit aller Wissenschaften. Sie steht in Bezug zu allen übrigen Wissenschaften, sie steht weder <i>über</i> ihnen, noch <i>unter</i> ihnen, sondern sie kommuniziert auf Augenhöhe mit ihnen. Und sie ist unentbehrlich - auch zur Einordnung der wissenschaftlichen Erkenntniswelt in die Gesamtheit der menschlichen Erfahrung.</div>
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<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Wissenschaft ist ein einheitlicher, in sich widerspruchsfreier Bau. Hegel benannte das mit seinem berühmten Satz: "Die Wahrheit ist das Ganze." Wenn Teilbereiche des menschlichen Wissens in logischem oder empirischem Widerspruch stehen zu einem anderen Teilbereich des menschlichen Wissens, ist das ein Hinweis darauf, daß in einem dieser beiden Teilbereiche noch nicht alles vollständig widerspruchsfrei geklärt ist, daß hier noch Dinge vorliegen, die von der Wissenschaft zu klären sind. Die Wissenschaft steht also quasi - soweit sie die Dinge in den letzten Jahrhunderten tatsächlich schon geklärt hat - monolithisch anderen menschlichen Erfahrungsbereichen gegenüber. Sie spricht diesen anderen menschlichen Erfahrungsbereichen gegenüber "mit einer Stimme". Warum spricht sie mit "einer Stimme"? Weil das, was sie erforscht mit "einer Stimme" spricht, nämlich die Natur.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Naturwissenschaft ist immer und immer nur wieder auf die durchgehende Gültigkeit der von ihr erforschten Naturgesetze im gesamten Weltall, im Größten wie im Kleinsten gestoßen. Eine Durchbrechung von gut erforschten Naturgesetzen hat sie niemals feststellen können. Das ist der Grund, weshalb die Naturwissenschaftler in Südamerika mit derselben Stimme sprechen wie die Naturwissenschaftler in Sibirien oder Australien. Die Wissenschaft ist "Eines", ist eine Einheit. Man kann sich aus diesem großen Bau der Wissenschaft nicht einen Teil heraus brechen und sagen: Der Rest stimmt schon - aber dieser Teil, da haben sich die Wissenschaftler aber gewaltig geirrt.</div>
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<br /></div>
<h2 style="text-align: justify;">
Eine Sache um ihrer selbst willen tun </h2>
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<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Diese große Macht der Naturwissenschaft wirkt auf all jene, die in ihrem Alltag seltener mit ihr in Berührung kommen, befremdlich. Sie fühlen sich von diesem allmächtigen Erklärungsprinzip eingeschränkt. Sie wollen - womöglich - "auch noch mitreden". In ihrem Bildungsgang hat man sie womöglich selten mitreden lassen, selten nachvollziehen lassen, was da - in der Wissenschaft - eigentlich alles so an umwälzenden Dingen geschieht. Deshalb fühlen sie sich nach und nach "entmachtet". Wie sollen sie noch mitreden können, wenn nur noch Wissenschaftler das Sagen haben? Wenn Wissenschaftler das letzte Wort haben? Wenn Wissenschaftler die Welt "beherrschen"?</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Diese monolithische Erklärungskraft moderner Wissenschaft ruft also - weil sie so unerbittlich und monolithisch auftritt - Widerspruch hervor, Widerstreben hervor. Dieses Widerstreben wird aber auch noch durch einen anderen Umstand hervor gerufen: Die große Begeisterung, die Wissenschaftler beflügelt, die unglaubliche emotionale Anteilnahme, die sie bei ihrem Erkenntnisstreben "gepackt" hat, die innere Erfülltheit, die sie bei ihrem Erkenntnisstreben beseelt, all solche sehr menschlichen Dinge, die auch Bezug haben könnten zu wertvollen sonstigen menschlichen Erfahrungen, diese "innere Erfahrungswelt" der Wissenschaft wird nur noch selten an die Öffentlichkeit weiter gegeben.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wissenschaft wird stattdessen wahrgenommen als würde sie nur um Anwendungen willen betrieben, als ginge es nur um irgendeinen "Nutzen". Der tiefere Antrieb der Wissenschaft ist aber jener Antrieb, der alle wertvolleren menschlichen Handlungen, der alle menschliche Kultur antreibt: eine Sache um ihrer selbst willen tun. Nicht um ihrer Folgen willen. Wissenschaft um der Wissenschaft willen, um der Erkenntnis willen, nicht um daraus irgendeinen persönlichen oder gar wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wer diese so außerordentlich wertvolle und dem sonstigen Kulturleben so außerordentlich nahestehende Seite der Wissenschaft nicht berücksichtigt, wird ihr niemals gerecht werden können. Diese Seite der Wissenschaft steht dem Kulturleben nicht nur nahe, nein, sie ist Bestandteil, womöglich sogar Kernbestandteil von menschlicher Kultur. Wer Wissenschaftler ständig und fortlaufend eigensüchtige Motive unterstellt - was für ein Bild von Wissenschaft würde dann gezeichnet? Ist das nicht eine Herabwürdigung aller großen Wissenschaftler, die jemals gelebt haben - von Aristoteles und Platon an? Sie alle sollen nur eigensüchtige Motive verfolgt haben? Wie flach wäre das Bild, das hier gezeichnet werden würde. - Soweit erste Überlegungen zum Thema. </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
__________ </div>
<div style="text-align: justify;">
*) Die Philosophie ist umgekehrt ja schließlich auch nichts anderes als selbst ein Teil der Wissenschaft.</div>
<div style="text-align: justify;">
**) Inzwischen ist erahnbar geworden, daß die Gott- und Weltauffassung des Homer um 700 v. Ztr. und der heidnischen Germanen aus der Zeit zwischen 0 und 1200 n. Ztr. eine gemeinsame bronzezeitliche Wurzel hat, der die <i>schriftliche</i> Überlieferung des Homer deutlich näher zu stehen scheint als die <i>mündliche</i> Überlieferung der heidnischen Germanen über viele Jahrhunderte nach 700 v. Ztr. hinweg.</div>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-53955722188441512592020-03-28T06:50:00.002+01:002020-03-28T11:37:02.928+01:00Warum ist dieses Universum entstanden?<div style="text-align: justify;">
<b>Physikern und Philosophen tauschen miteinander die </b><b><b>Stühle </b></b><br />
<b><b>- Zeichen für einen Wandel im Zeitgeist?</b></b><br />
<br />
Frage: <br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="color: #274e13;"><b>Warum braucht das Universum einen intelligenten Erkenner?</b></span></blockquote>
Antwort: <br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="color: #274e13;"><b>Wenn es erkennbar ist, ist es auf Erkennbarkeit angelegt. Dann ist es ohne Erkennenden unvollständig.</b></span></blockquote>
Was sind denn das für Sätze!?! <br />
<br />
<div style="text-align: center;">
<br />
<iframe allow="accelerometer; autoplay; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/dAUJ8IB3N_0?start=12" width="560"></iframe></div>
<br />
<br />
Und wie locker und selbstverständlich plätschern sie hier in die Diskussion? - Siehe Video (1). - Was ist denn hier überhaupt los? Ist die ganze Welt
verrückt geworden?<br />
<br />
Diese Sätze sind entnommen einer philosophischen Diskussion, die im
Dezember 2018 in Stuttgart geführt worden ist (1). Die zitierte Antwort wurde von dem Philosophie-Professor Jens
Halfwassen (Heidelberg) ausgesprochen (1). Und den beiden anwesenden Theoretischen
Physikern scheint eine solche Antwort noch einigermaßen neu zu sein. Zunächst kurz eine Anmerkung zum Verständnis schon der Eingangsworte in dieser Diskussion: "teleologische Struktur des Universums" heißt: die Entstehung und Entwicklung des Universums könnte von einem Ziel (Griechisch "teléōs" = "Zweck", "Ziel", "Ende") her bestimmt sein. Sprich, sie wäre nicht rein zufälliger - und damit - bedeutungsloser Art (wie sehr oft bislang in der Physik angenommen). Und das Ziel könnte dann eben - neben der Erkennbarkeit - auch das Erschaffen eines "intelligenten Erkenners" sein.<br />
<br />
Die Reaktionen der Physiker in dieser Diskussion auf die vorgebrachten Gedanken zeigen, daß auch sie allmählich ein Gefühl
dafür bekommen, daß sie sich mit solchen philosophischen Deutungen
auseinandersetzen müssen. Nicht weil diese eine zeitgeistige
Modeerscheinung wären (davon sind wir ja ziemlich weit entfernt). Aber weil der innerwissenschaftliche Diskussionsstand innerhalb der
Astrophysik solchen Argumentationsstrukturen gegenüber immer weniger Ausweichmöglichkeiten zuläßt.<br />
<br />
Was geschieht hier, wie ist das einzuordnen? Machen wir einen Versuch: <span style="color: #073763;"><b>In dieser Diskussion spiegelt sich ein neuer Bewußtseinsstand wieder,
ein neuer Diskussionsstand zwischen moderner Physik einerseits und
moderner Philosophie andererseits.</b></span> Die Philosophie wird sich der Stärke ihrer eigenen Argumentationsmuster bewußt, und zwar gerade in Auseinandersetzung mit dem aktuellen Kenntnisstand der Astrophysik. Die Philosophie gibt nicht mehr "klein bei" oder weicht Diskussionen mit dem naturwissenschaftlichen Kenntnisstand aus. Nein: Sie übernimmt inzwischen sogar die Führungsrolle in der Diskussion. Und war es nicht genau diese Situation, mit der einstmals die große neuzeitliche Philosophie bei Immanuel Kant angefangen hat? Daß die Philosophie der Naturwissenschaft vorgegeben hat, gezeigt hat, wo sie, die Naturwissenschaft steht? Und wird es nicht hoch an der Zeit, daß das endlich einmal wieder geschieht? Genau das ist es, was in dieser Diskussion, die in Stuttgart im Dezember 2018 geführt worden ist, deutlich wird. Sie wurde im April 2019 auf Youtube zugänglich gemacht (1). Der beteiligte Theoretische Astrophysiker Matthias Bartmann von der Universität
Heidelberg (zweiter von links) versucht dann, aus Sicht der Naturwissenschaft eine Antwort auf die erörterte Frage,<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="color: #274e13;"><b>warum das Universum seine eigene Erkenntnis gleich mitproduziert.</b></span></blockquote>
Aber was für Sätze im Grunde. Was für Sätze (Minute 10:14).<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
*** </div>
</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
Nachdem wir den ersten Teil dieses Videos zum ersten mal gesehen hatten, brauchten und brauchen wir allerhand Tage zur geistigen "Verdauung". Versuchen wir zunächst eine geistesgeschichtliche Einordnung: Die Geistes- und Religionsgeschichte der letzten 250 Jahre läßt sich - beim derzeitigen Stand - ungefähr folgendermaßen zusammen fassen: Die Christen glauben an den Gott, den sie sich vorstellen so, als wäre so sicher über ihn zu reden wie über eine naturwissenschaftliche Tatsache. Im Jahr 1781 veröffentlichte Immanuel Kant in Königsberg sein berühmtes Buch "Kritik der reinen Vernunft". In diesem legte er - für alle Philosophen-Generationen nach ihm und bis heute - überzeugend dar, daß über Fragen wie jene nach "Gott, Freiheit und Unsterblichkeit", also über metaphysische Fragen nicht in der gleichen Weise gesprochen werden kann und darf wie über naturwissenschaftliche Tatsachen. Kant wollte damit keineswegs sagen, daß der Glaube an Gott, an die Willensfreiheit des Menschen und an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele "absurd" wären oder daß darüber keine Aussagen gemacht werden könnten. Kant war kein Atheist.<br />
<br />
Aber es war ihm wichtig zu sagen, daß hier genau geprüft werden müsse, wie die Gültigkeit metaphysischer Aussagen beschaffen sei, und daß über sie eben - auf jeden Fall - nicht gesprochen werden könne wie über naturwissenschaftliche Tatsachen, also daß die bis dahin unter Christen übliche Art, über Gott zu sprechen, keine angemessene Art sei, sich diesen Fragen - den womöglich wesentlichsten Fragen des Menschseins - zu nähern. Der Kulturhistoriker Jan Assmann hat diese christliche Art, über Gott zu sprechen, übrigens die <i>"mosaische Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch"</i> genannt. Und er hat heraus gearbeitet, daß es genau diese ist, die jenen <i>"monotheistischen Eifer"</i> bewirkt, der allseits in der Welt sichtbar ist. Diese Unterscheidung und dieser Eifer sind nun - der Sache nach - von Immanuel Kant als ungültig erwiesen worden. Ungültig ist also das schlichte Postulat, die schlichte Behauptung, daß über Gott und seine Existenz ebenso geredet werden könne wie zum Beispiel über den Stuhl, auf dem wir gerade sitzen und dessen Existenz.<br />
<br />
Seit Immanuel Kant dies gesagt hat, sind die Völker auf der Nordhalbkugel nach und nach immer nachlässiger geworden in ihren "Eifer", in ihrem Glauben an die Existenz von etwas Göttlichem. Es ist ja auch viel "entspannter" und viel bequemer, von der Nichtexistenz von etwas Göttlichem ausgehen. Außer in einem sehr beschränkten Bereich des menschlichen Daseins, der mit der Moral des "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu" hinreichend zu klären ist, gibt es dann keinen Anlaß mehr, daß Menschen weitergehende Ansprüche an einander oder an sich selbst haben bräuchten. "Hey, easy going", "let it be", "take it easy" und wie all die Slogans der hedonistischen, aber in letzter Instanz atheistischen und materialistischen Gesellschaft lauten, der Gesellschaft, die keinen ethischen Eifer, keinen unbedingten Glauben an Göttliches mehr kennt. Angekommen im "Delta der Beliebigkeit", in der "Ebene" wie das Peter Sloterdijk nennt, weit weg von aller "Vertikalspannung" im Bereich des Menschlichen.<br />
<br />
Nach Immanuel Kant hat es zwar viele philosophische Versuche gegeben, über die nicht vollständig naturwissenschaftlich erfaßbare Seite der Wirklichkeit und der darin eingebetteten menschlichen Seele gültige Aussagen zu machen. Hölderlin, Hegel, Schelling haben große philosophische Systeme entworfen, Schopenhauer hat auf die Willenskräfte in allem Sein abgehoben ("Die Welt als Wille und Vorstellung"). Marx hat den Materialismus populär gemacht, der als Ausgangspunkt das Postulat wählt, Antworten auf Fragen zu suchen rund um die Kant'schen Themen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit würde letztlich bloß in den banalen Bereich "Opium für das Volk" fallen. Eine nicht vollständig naturwissenschaftlich faßbare Seite der Wirklichkeit wäre doch gar nicht existent. Und von da aus war es dann nur konsequent, wenn ein weiterer deutscher Philosoph sagte: "Gott ist tot - und wir haben ihn getötet." (Nietzsche) Materialismus und Atheismus wurden - diesseits und jenseits des Atlantiks - zu den vorherrschenden Weltanschauungen und Lebensphilosophien des 20. Jahrhunderts, auch wenn nach außen hin noch die Fassade eines christlichen Welt- und Menschenbildes sollte aufrecht erhalten werden. Und so ist der Stand heute, im Jahr 2020 immer noch. <br />
<br />
Parallel dazu aber hat sich nun der naturwissenschaftliche Kenntnisstand über die uns umgebende Wirklichkeit und auch im Bereich der Hirnforschung (also über die uns innewohnende Wirklichkeit) immens erweitert. Außerordentlich immens. Seit Ende der 1920er Jahre weiß die moderne Physik, daß unser Universum einen Anfang in der Zeit hat. Und in den 1970er Jahren hat sich die moderne Astrophysik immer intensiver mit den Anfangsbedingungen des Universums beschäftigt und hat im Zuge dieser Beschäftigung das sogenannte "Anthrophische Prinzip" aufgestellt, das eine Auseinandersetzung mit der Feststellung enthält, daß die Anfangsbedingungen des Universums, die vier Grundkräfte des Universums in ihren Werten zueinander außerordentlich "speziell" sind, daß diese Werte um viele Stellen hinter dem Komma nicht verändert werden können, ohne daß das Universum, das dabei herauskäme, unfähig wäre, sich überhaupt zu bilden oder in sich Strukturen auszubilden, insbesondere dann vor allem Kohlenstoff-Atome, die hinwiederum die Voraussetzung bilden für die Entwicklung von komplexeren Strukturen im Universum wie Biomolekülen, Leben, Nervenzellen, Bewußtsein und menschlichen Wissensgesellschaften.<br />
<br />
Um diesen philosophisch außerordentlich herausfordernden Befund zu umgehen, hat die Mehrheit der Astrophysiker in den letzten Jahrzehnten an Multiversen-Modellen gearbeitet. Nicht zuletzt die deutsche Astrophysikerin Sabine Hossenfelder war dann eine der ersten, die zu all diesen Multiversen-Modellen sagte: "Der Kaiser ist nackt." All diese physikalischen Theorien haben gar keine Fundierung in irgendeiner empirischen Evidenz. Und als dann auch noch die Reputation eines der lautstärksten Propangandisten dieser Multiversen-Theorien - Lawrence Krauss - in den Sturmfluten der Mee too-Debatte versank, war es vollends um diese geistesgeschichtliche Entwicklung geschehen.<br />
<br />
Und das ist - grob umrissen - der geistesgeschichtliche Ort, an dem wir heute stehen. Wir sind zurück geworfen auf die Erkenntnis, daß unser Universum außerordentlich speziell ist, daß es auch nicht besonders einfach bloß als ein "Zufallsereignis" erklärt werden kann (im Rahmen von Multiversen-Theorien), und daß wir uns damit zurecht finden müssen, daß dieses Universum auf - - - "Erkennbarkeit" hin angelegt ist. Und genau an diesem Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und auch Bewußtseins-Entwicklung, genau in diesem Bereich des philosophischen Nachdenkens setzt die eingangs erwähnte Diskussion - in einem Tagungshaus in Stuttgart im Dezember 2018 - ein.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
<div style="text-align: center;">
***</div>
<br />
Sehr schnell wird erkennbar: Die
Grundfragen der Stellung von uns Menschen in diesem Universum werden
hier (in der Diskussion im Dezember 2018) auf einem Niveau und in einer Tiefe erörtert, wie man sie so schon sehr lange nicht mehr hat erleben dürfen.<br />
<br />
Als der
Autor dieser Zeilen vor 30 Jahren - um 1990 herum - an die Freie Universität Berlin kam, lagen solche Gedanken durchaus schon in
der Luft. Er saß auch in entsprechenden Seminaren drin, in denen sich Philosophen mit dem aktuellen Forschungsstand in der modernen Physik auseinander gesetzt haben, etwa in den Seminaren von Philosophie-Professor Rainer E. Zimmermann. Aber das war damals
keinesfalls der "große" Mainstream innerhalb der Philosophie, keinesfalls.
Noch vor zehn Jahren war er das nicht.
Erst neulich hat der Autor dieser Zeilen gesucht, wo Harald Lesch etwas
zum Anthropopischen Prinzip gesagt haben könnte. Das hat der Harald Lesch in der Tat schon vor
zehn Jahren getan, nämlich in der Sendung "Alpha Centauri". Und sachlich auch
sehr richtig. Aber man muß vermuten, daß die wenigsten Zuschauer damals
sich der philosophischen Fundamentalität der von Lesch erörterten Fragen durch dessen Ausführungen bewußt geworden sind.<br />
<br />
Hier nun, in
dieser Stuttgarter Diskussison im Dezember 2018 ist diese Fundamentalität sofort da, sie ist sofort spürbar.
Hat man denn schon jemals Physiker, also - - - Physiker, Theoretische Physiker so
in die Ecke gedrängt gesehen von Philosophen - wie hier?!? Sonst war es doch immer genau umgekehrt. Sonst hatten doch die Physiker immer nur ein nachsichtiges Lächeln für Philosophen übrig.<br />
<br />
Aber im Grunde genommen ist diese Situation von weitsichtigen Physikern und philosophisch Denkenden schon vor 30 Jahren genau so voraus gesagt worden, zumindest vereinzelt
vorausgesagt worden. Daß eine solche Entwicklung kommen wird, so ahnt man jetzt auch selbst, ist ab einem bestimmten Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis der menschlichen Geistesgeschichte wohl mehr oder weniger "inhärent". Und zwar weil
eben die moderne Physik voller philosophischer Implikationen ist.
Und das war den Weitsichtigeren schon vor mehreren Jahrzehnten erkennbar. Jetzt scheint jedoch der Zeitpunkt gekommen, wo dieses Bewußtsein das Potential dazu hat, "Mainstream" zu werden, wo Philosophen und Physiker vollkommen auf
Augenhöhe miteinander über alles zu reden beginnen. Und kein Atheist wie Jürgen Habermas weit und breit, der ihnen diese so wertvollen Diskussionen zerreden würde. Das würde einen völligen Umschwung im Zeitgeist bedeuten. Und zwar von den Fundamenten unseres Denkens her, nicht aufgrund irgendwelcher ideologischer Modeströmungen, wie sie innerhalb des 20. Jahrhunderts so herein und hinaus geschwemmt werden innerhalb der geistig orientierungslos gewordenen materialistischen und atheistischen Gesellschaften der Nordhalbkugel.<br />
<br />
Noch ein
Hinweis: Im Mittelpunkt dieser ganzen Erörterung in Stuttgart im Dezember 2018 steht das sogenannte
Anthropische Prinzip der modernen Astrophysik und eine mögliche
philosophische Deutung desselben, nämlich jene Deutung, die sagt: Dieses
Anthropische Prinzip legt nahe, daß bewußtes Leben in diesem Weltall
schon bei seinem Beginn angelegt gewesen sei.
Von dem Mitdiskutanten Jens Halfwassen gibt es im Rahmen desselben Workshops da in Stuttgart einen
Einzelvortrag über die Philosophie Plotins (3), die eigentlich nur die
Philosophie Platons sein will, vielleicht etwas anders in Worte gefaßt. Und es sagen nun immer mehr
kluge, kundige Leute, daß diese philosophische Tradition Plotins zunächst am besten
geeignet sei, wenn man das Anthropische Prinzip von philosophischer
Seite aus deuten will. Bislang hat es auf diesem Gebiet immer nur einen Einzelgänger unter den Philosophen gegeben, nämlich den kanadischen Philosophen John Leslie, der das
getan hatte, schon vor 20 Jahren.<br />
<br />
Jetzt ist dieser John
Leslie offenbar längst nicht mehr so "abseitig" wie man das vor 20
Jahren noch wahrnehmen konnte.
Und genau dieser Umstand wird in dieser Diskussion deutlich. Hier
scheint also wirklich etwas im Gange zu sein.
Man möchte rufen: Menschheit, horche auf. Deine Philosophen
beginnen wieder, sinnvolle Dinge zu tun. <br />
<br />
Menschheit, horche auf, das 20. Jahrhundert, sein Materialismus, sein Atheismus sind zu Ende. Und nicht das Christentum ist die Zukunft der Menschheit, sondern moderne philosophische Deutungen wie sie in diesen Diskussionen zum ersten mal geäußert werden.<br />
<br />
<div style="text-align: center;">
*** </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
Dieses
Universum und unser Leben in ihm sind also keineswegs ohne Sinn. Denn das wäre die
absurdeste Deutung, die man ihnen - vor dem Hintergrund des heutigen
Wissens- und Diskussionsstandes - geben könnte. Vollends begeistert war
der Autor dieser Zeilen, als ab Minute 26 in dieser Diskussion der
Philosophie-Professor Holm Tetens (geb. 1948) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holm_Tetens">Wiki</a>) (ganz rechts sitzend), vormals Berlin, anfing, von Kunst zu
reden, von Johann Sebastian Bach. "So muß das,", rief er geradezu verzweifelt aus, "so muß das, verdammt noch mal - - - meine Güte!!!" - - - Tetens sagt (1):<br />
<blockquote class="tr_bq">
Das ist erst einmal eine Intuition und über die kann man natürlich streiten, daß ein Universum, in dem Einstein auftritt und die Feldgleichungen hinschreibt (...) für die Struktur der Raumzeit und für den Zusammenhang mit der Verteilung der Materie und in dem er damit etwas Objektives, Richtiges am Universum feststellt, daß ein solches Universum ein "besseres" Universum ist, als ein Universum, in dem es auch diesen Sachverhalt, diese Gesetzmäßigkeit gibt, in dem es aber niemanden gibt, der das erkennt, der das zu würdigen weiß, und der sagt "Ach, das ist aber großartig". Ein anderes Beispiel zur Unterstützung, zur Plausibilisierung dieser Intuition, daß ein erkanntes Universum ein besseres Universum ist, ist natürlich jede Form von Kunst. Ich meine, ich finde es großartig, daß Johann Sebastian Bach Musik geschrieben hat, und daß wir diese Musik hören können, und daß wir von dieser Musik angerührt sind, daß wir sogar so angerührt werden können von dieser Musik, daß unsere grundsätzliche Einstellung zum Ganzen der Welt sich ändert. Das hat ja auch etwas mit religiösen Gefühlen zu tun.</blockquote>
<blockquote class="tr_bq">
Und in diesem intuitiven Sinne (...) würde ich sagen, ist ein Universum, in dem es Subjekte gibt, die dieses Universum erkennen, ein besseres Universum als ein Universum, wo Materie, geistlose, bewußtseinslose, blinde Materie einfach vor sich hin agiert, nach bestimmten Mechanismen abläuft, ohne daß jemals jemand auftritt, der das erkennt, und der sich fragt "Welchen Sinn hat das Ganze? Hat das Ganze einen Sinn oder hat es keinen Sinn? Was muß ich denn annehmen, wenn es einen Sinn hat oder nicht?" Ich gebe zu, das kann ich nicht beweisen. Aber das ist meine Intuition. Und das ist im übrigen eine Intuition, die betrifft einen so zentralen Aspekt meines Selbstverständnisses, daß ich nicht ohne weiteres bereit bin, davon Abstand zu nehmen. Denn es betrifft mich vor allem als ein Wesen, das im Positiven wie im Negativen damit beschäftigt ist, die Wahrheit zu erkennen, daran scheitert, es wieder versucht und so weiter. Es betrifft also einen so zentralen Aspekt unseres Menschseins, daß ich jedenfalls die These, daß alles nur Zufall sei, "Du bist als ein erkennendes Wesen in diese Welt geworfen, aber da steckt keine Absicht dahinter, mach dir nichts draus, du wirst sowieso sterben, ein paar werden sich noch an dich erinnern, irgendwann werden auch die letzten, die sich noch an dich erinnern, gestorben sein, du wirst spurlos aus diesem Universum verschwunden sein", bevor ich das glaube, muß man wirklich sehr, sehr starke Gründe haben, um zu sagen: "Das ist aber leider so, gewöhne dich bitte an den Gedanken, das ist so." Denn zuerst einmal möchte ich sagen können: Ich darf mich in dieser Welt als ein um Vernunft bemühtes, selbstbewußtes Wesen verstehen. (...) Deshalb lasse ich mir die These, daß das Universum auf Erkennbarkeit angelegt ist, nicht so leicht von jemandem ausreden, sondern da würde ich sagen: Da mußt du sehr, sehr gute Gründe haben, wenn du sagst "Das ist eine völlig unhaltbare, alberne, nur von Wunschdenken bestimmte These."</blockquote>
Ein unglaubliches Statement. Fast möchte man sagen, eine neue Luther-Rede: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!" Man spürt sofort, wie viel "Hintergrund" dieses Statement hat, daß damit ein ganzes - und insbesondere: ein neues - Weltbild verbunden ist. Ein Weltbild, in dem wir Menschen uns mehr zu Hause fühlen können, das uns Menschen angemessener ist als all der - man Entschuldige schon! - atheistische Scheiß, der uns seit Jahrzehnten so unendlich lang um die Ohren gehauen wurde. Als all der materialistische und atheistische Scheiß. Man entschuldige schon.<br />
<br />
Und vor allem: Man beachte doch bitte, wie sich hier plötzlich die Rollen vertauscht haben. In früheren Generationen haben Physiker selbst noch recht oft mit Nachdruck aus der Haltung heraus geforscht, daß ihre Forschung und die Ergebnisse dieser Forschung - natürlich - etwas zu tun haben und zu sagen haben in Richtung auf Sinnfragen des Menschen. Auch Albert Einstein gehörte übrigens zu diesen Wissenschaftlern, ebenso Werner Heisenberg, ebenso Manfred Eigen. Und so unzählige weitere, nicht zu vergessen insbesondere auch Konrad Lorenz. Und die Philosophen haben das - nicht selten - infrage gestellt oder zerredet oder - was wohl am häufigsten vorkam: ignoriert.<br />
<br />
In dieser Diskussion jedoch wenden die beiden anwesenden Physiker alle rhetorischen und argumentativen Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, dazu auf, einer solchen Stellungnahme, einem solchen Bekenntnis auszuweichen. Sie wollen sich nicht festlegen. Sie wollen auch nicht festgelegt werden. Sie wollen ihre Wissenschaft im Nirwana des Elfenbein-Turmes der Wissenschaft machen. Aber bitteschön soll sie doch niemand danach fragen, welche Bedeutung diese ihre Wissenschaft für eine Sinngebung des menschlichen Lebens hier in diesem Universum haben könnte. Dafür ist die Religion zuständig. Und die Religion soll - bitteschön - nicht danach fragen, was die Wissenschaft macht. (Das Mantra von so höchst "lieben" Leuten wie Stephen Jay Gould oder Jürgen Habermas, wobei letzterer sich schon vor zehn Jahren zu ersten Rückzugsgefechten diesbezüglich - nämlich in Bezug auf Fragen zur Willensfreiheit des Menschen - bereit gefunden hatte.)<br />
<br />
Jetzt hier in dieser Diskussion aber sind die Rollen vollständig vertauscht. Die Philosophen fordern - aus ihrer Frage nach Sinngebung in diesem Leben heraus - die Physiker zum Bekenntnis, zur Stellungnahme. Eine völlig neue Situation. Deshalb können einen diese Ausführungen des Herrn Tetens so hinreißen. Sie fordern neuerdings die Vereinheitlichung unseres Weltbildes, unseres Wissens, nicht mehr die Naturwissenschaftler. Was für eine Situation! Wie sind plötzlich die Stühle vertauscht! Wenn das Schule macht. Nicht auszudenken.<br />
<br />
Fast unnötig darauf hinzuweisen, daß alle Ausführungen, die hier gemacht werden, in vollständigem Einklang stehen mit jenem naturwissenschaftsnahen philosopischen Entwurf, der ab 1921 Teil der Geistesgeschichte der Menschheit wurde und von Seiten einer Schülerin von August Weismann, einer vormaligen Anhängerin von Ernst Haeckel und einer Assistentin von Emil Kraeppelin stammt (7).<br />
<br />
(Man beachte allerdings, daß die Diskussion in dem obigen Video nach der ersten Hälfte abflacht. Da kommt dann nicht mehr so viel Neues - aber das wollen wir im Laufe der Zeit noch selbst genauer überprüfen.) <br />
<br />
<div style="text-align: center;">
***</div>
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Diese Ausführungen geben natürlich Anlaß, sich auch noch einmal den Einzelvortrag des Professors Tetens auf dieser Tagung anzuhören (2). Dieser Mann hat Logik, Wissenschaftstheorie und Argumentationstheorie an der Freien Universität Berlin gelehrt. Er hat sich bis etwa 2015 selbst als Atheist verstanden. Es gibt also wirkich Gründe genug zu sagen, daß seine Argumentationsstruktur ernst zu nehmen ist. Man kann ihr folgen, sie ist naheliegend und nachvollziehbar. In letzter Instanz ist die Annahme eines göttlichen Willens, aufgrund dessen das Universum und die menschliche Erkenntnisfähigkeit innerhalb dieses Universums entstanden sind, "Glaubenssache". So wie der Atheismus auch. Aber die Plausiblitätsargumente für die Annahme eines göttlichen Willens (den man sich nicht mit Tetens monotheistisch vorstellen muß) sind längst viel größer geworden als jene gegen eine solche Annahme. Und dies geschah, das stellt Tetens in seinem Vortrag womöglich noch nicht genügend heraus: <i>durch</i> die moderne naturwissenschaftliche Forschung.<br />
<br />
Wenn man beachtet, welchen angesehenen Lehrstuhl Tetens innerhalb der deutschen Philosophie innegehabt hat, dann muß man doch sagen, daß einem in der Öffentlichkeit ein bisschen auffällig zu wenig über diese doch recht gewichtigen Argumente von Tetens (und Leuten seiner Art) geredet wird. Man darf sich auch fragen: Was sagen denn die etwaig noch existenten, früheren Anhänger des Jürgen Habermas, unseres einstigen atheistischen "Staatsphilosophen" dazu? Sollte nicht womöglich endlich einmal klar das Ende des Zeitalters der "Postmoderne" verkündet werden? Es geht ja nicht nur um die Lebensentscheidung einzelner Menschen, es geht auch um den Geist des Zeitalters, von dem diese Lebensentscheidungen mit beeinflußt sind.</div>
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<br /></div>
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Auf Verständnisfragen zu dieser Diskussion hin könnte gesagt werden: Daß das Weltall auf Selbsterkenntnis hin ausgelegt ist, steht ja außer Zweifel. (Jedenfalls inzwischen auch für viele Physiker.) Philosophisch könnte gesagt werden: Es will die Menschen "groß". Deshalb ist es selber so "groß". Und im Angesicht der Weiten des Alls, der - für uns - dimensionslos großen Größen des Alls, im Angesicht der ungeheuren Zeiträume, die schon menschlich gesprochen "ewig" genannt werden müssen, die das All besteht, will es uns - womöglich - darüber belehren, daß es auf Zeit, Raum und Materie an sich auch gar nicht ankommt. Wenn aber schon das platonisch "Gute" (Halfwassen, John Leslie) in ein materielles Gewand eintaucht (weil Selbsterkenntnis, Bewußt-Werden des jenseits von Raum, Zeit und Kausalität als vorliegend zu vermutenden "Großen" nur dadurch möglich wird), daß es sich dann allerdings ein Gewand von erhabener Größe gibt. "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre."</div>
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<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Tetens jedenfalls wendet die von ihm selbst über viele Jahre hinweg gelehrte Argumentationstheorie an, um das Anthropische Prinzip der Astrophysik philosophisch in nicht-atheistischem Sinne zu deuten. 2015 erschien seine Monographie "Gott denken" (5), in der er argumentierte, daß es vernünftige Gründe gäbe, die Möglichkeit eines persönlichen Gottes anzunehmen und sein Leben darauf auszurichten.
Die Argumentationsstruktur dieses Buches stellt Tetens dann in diesem Vortrag aus dem Jahr 2018 vor (2).</div>
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<br /></div>
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Insbesondere kann einen das Engagement von Teten faszinieren, das mehr noch sichtbar wurde in der Diskussion mit Theoretischen Physikern, auf die hier eingangs hingewiesen wurde (1). Aber was folgt denn daraus, wenn der Mensch gewollt ist in diesem Universum?
War denn damit die heute im öffentlichen Leben allseits verbreitete Versimpelung, Infantilisierung und Veridiotisierung gemeint? Man möchte doch meinen, daß eine Besinnung auf die geistigen Grundgehalte unserer Kultur schon lange an der Zeit ist und auch seit langem überfällig. <br />
<br />
Kommt sie also hier zurück, die "Vertikalspannung des Menschen", wie dies von Peter Sloterdijk benannt worden ist - <i>durch</i> die moderne Naturwissenschaft?<br />
<br />
Tetens bezieht sich in der Diskussion auf den britischen Physiker und Theologen John Polkinghorne (geb. 1930) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/John_Polkinghorne">Wiki</a>, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/John_Polkinghorne">engl</a>). Polkinghorne hat - laut Wikipedia - unter anderem folgende Fragen gestellt:<br />
<blockquote class="tr_bq">
Naturgesetze erwecken Fragen, welche naturwissenschaftlich nicht mehr zu beantworten sind: Warum ist uns die natürliche Welt so verständlich? Warum sind ihre Gesetze so fein aufeinander abgestimmt, daß sich eine fruchtbare Geschichte entfalten kann? Warum ist Naturwissenschaft möglich? Warum hat das Universum so eine besondere Gestalt? </blockquote>
Und (6):<br />
<blockquote class="tr_bq">
Religion ohne Naturwissenschaft ist begrenzt; ihr mißlingt es, für die Wirklichkeit völlig offen zu sein. Naturwissenschaft ohne Religion ist unvollständig; es mißlingt ihr, das tiefste mögliche Verstehen zu erreichen.</blockquote>
Der Name Polkinghorne ist dem Autor dieser Zeilen im Laufe der Jahre sicher einmal untergekommen. Aber er wundert sich gerade, daß er dessen Denken nicht genauer nachgegangen ist. Erst wenn man solche Leute wie Polkinghorne berücksichtigt, versteht man ja auch, warum der Erzbischof von Wien, Schönborn, im Jahr 2005 seine "Katechesen über Evolution und Schöpfung" halten konnte, die uns damals so auffällig erschienen waren.<br />
<br />
Jedenfalls bewegt sich auch Holm Tetens im Rahmen genau solcher Gedanken in dieser Diskussion. Und auffallenderweise sind diese Gedanken heutigen Physikern immer noch - neu. Der Grund dafür dürfte - unter anderem - sein, daß es für eine vorhergehende Generation von Physikern und Naturwissenschaftlern, insbesondere unter den führenden, selbstverständlicher war, sich mit Philosophie zu beschäftigen, als es das für viele heutige, führende Physiker und Naturwissenschaftler zu sein scheint. Von was für ausführlichen philosophischen Diskussionen mit Nils Bohr und anderen berichtet Werner Heisenberg in seinen Lebenserinnerungen "Der Teil und das Ganze". Das ist - scheinbar - lange her. Und ein solches Selbstverständnis ist in der gegenwärtigen Generation von Physikern bei weitem nicht mehr so deutlich ausgeprägt und sichtbar. Und das dürfte der Grund sein, wehsalb der heutige Impuls zum Nachdenken über die philosophische Deutung des Anthropischen Prinzips und des naturwissenschaftlichen Weltbildes insgesamt deutlich stärker von Seiten der Philosophie her kommt als von Seiten der Naturwissenschaft.<br />
<br />
Also schließen wir eine Bildungslücke: Polkinghorne war bis 1979, bis zu seinem 49. Lebensjahr als Physiker tätig. 1979 legte er seine Professur nieder und durchlief eine theologische Ausbildung (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/John_Polkinghorne">Wiki</a>):<br />
<blockquote class="tr_bq">
In einem Interview sagte er, daß er das Gefühl hatte, daß er nach 25 Jahren seinen Teil zur Wissenschaft beigetragen hätte, und daß er die besten mathematischen Arbeiten, zu denen er fähig war, wahrscheinlich schon geleistet hätte; das Christentum war immer wesentlich für sein Leben gewesen und deshalb eröffnete eine Priesterweihe ihm eine attraktive zweite Karriere. <br />
He said in an interview that he felt he had done his bit for science after 25 years, and that his best mathematical work was probably behind him; Christianity had always been central to his life, so ordination offered an attractive second career. </blockquote>
Und in der Tat machte er dann eine steile Karriere innerhalb der Anglikanischen Kirche. Er gesteht ein, daß er von manchen als "vegetarischer Metzger" wahrgenommen werden könnte (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/John_Polkinghorne">Wiki</a>):<br />
<blockquote class="tr_bq">
Als Theologe mit physikalischem Hintergrund beeindruckt ihn vor allem die formale mathematische Schönheit der Quantenmechanik und Relativitätstheorie, insbesondere die - in den Worten von Eugene Wigner - unerklärbare Effektivität der Mathematik in den Naturwissenschaften. (...) Er sieht darin das Wirken einer höheren, ordnenden Macht. Einen weiteren Hinweis darauf sieht er in den speziellen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit überhaupt intelligentes Leben im Universum entstehen kann (Anthropisches Prinzip). </blockquote>
</div>
<div style="text-align: justify;">
_________________________</div>
<ol style="text-align: justify;">
<li>Physiker und Philosophen diskutieren über den Ursprung des Universums. Podiumsdiskussion beim Workshop "Ursprung des Universums" am 7.-9. Dezember 2018 an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Tagungshaus in Stuttgart-Hohenheim, <b>veröffentlicht</b> auf Video-Kanal "Grenzfragen" <b>am 24.04.2019</b>, <a href="https://youtu.be/dAUJ8IB3N_0">https://youtu.be/dAUJ8IB3N_0</a>. </li>
<li>Tetens, Holm: Materie oder Geist als Ursprung des Universums. Vortrag beim Workshop "Ursprung des Universums" am 7.-9. Dezember 2018 an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Tagungshaus in Stuttgart-Hohenheim, veröffentlicht auf Video-Kanal "Grenzfragen" am 18.12.2018, <a href="https://youtu.be/GWWuVaKNXGI">https://youtu.be/GWWuVaKNXGI</a>.</li>
<li>Halfwassen, Jens: Der absolute Ursprung bei Plotin. Vortrag beim Workshop "Ursprung des Universums" am 7.-9. Dezember 2018
an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Tagungshaus in
Stuttgart-Hohenheim, veröffentlicht auf Video-Kanal "Grenzfragen" am 24.01.2019, <a href="https://youtu.be/jdhNQvi8ac8">https://youtu.be/jdhNQvi8ac8</a>.</li>
<li>Hüfner, Jörg: Georges Lemaîtres Vorstellungen vom Anfang der Welt und vom Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion. Vortrag beim Workshop "Ursprung des Universums" vom 7.-9. Dezember 2018, Tagungszentrum Stuttgart-Hohenheim, veröffentlicht auf Video-Kanal "Grenzfragen" am 20.12.2018, <a href="https://youtu.be/8OW2w1zqHVk">https://youtu.be/8OW2w1zqHVk</a>.</li>
<li>Tetens, Holm: Gott denken. Ein Versuch über Rationale Theologie. Reclam, Stuttgart 2015</li>
<li>Polkinghorne John: Theologie und Naturwissenschaften. Gütersloh 2002 </li>
<li>Ludendorff, Mathilde: Triumph des Unsterblichkeitwillens. 1921 </li>
</ol>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-57894820410187793512020-03-17T08:01:00.002+01:002021-05-28T10:51:54.070+02:00Eine Malerin aus Westpreußen - Clara Siewert<b>Zugehörig der "Berliner Secession" - Erst 2008 wieder entdeckt</b><br />
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-I3cTOdLyskY/Xm8WxES01CI/AAAAAAAAYXc/4qoAzzHHv7ceRwy25X_SiqTE3dFjaavwACLcBGAsYHQ/s1600/Siewert-Witch.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1280" data-original-width="922" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-I3cTOdLyskY/Xm8WxES01CI/AAAAAAAAYXc/4qoAzzHHv7ceRwy25X_SiqTE3dFjaavwACLcBGAsYHQ/s640/Siewert-Witch.jpg" width="460" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span aria-live="polite" class="fbPhotosPhotoCaption" data-ft="{"tn":"K"}" id="fbPhotoSnowliftCaption" tabindex="0"><span class="hasCaption">Die Hexe auf dem Dichterpferd Pegasus, 1910-20 </span></span><br />
<span aria-live="polite" class="fbPhotosPhotoCaption" data-ft="{"tn":"K"}" id="fbPhotoSnowliftCaption" tabindex="0"><span class="hasCaption">(Ostdeutsche Galerie, Regensburg)</span></span></td></tr>
</tbody></table>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="text-align: justify;"><p>
Der Kulturgeschichte Westpreußens (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Westpreu%C3%9Fen">Wiki</a>) wird selten gedacht. So mag man eher nur durch Zufall auf die "Siewert-Schwestern" stoßen. Dabei handelt es sich um eine Schriftstellerin und eine Malerin, die aus Budda im Landkreis Preußisch Stargard in Westpreußen stammen. Budda war ein Landgut, das einsam inmitten von Wäldern 56 Kilometer südlich von Danzig lag.</p>
<p>
Die ältere der beiden Schwestern war Clara Siewert (1862-1945)(<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Siewert">Wiki</a>, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Clara_Siewert">engl</a>). Sie war eine Malerin, die 1900 bis 1912 - zusammen mit Käthe Kollwitz - der Berliner Secession angehört hat und auch sonst an vielen Kunstausstellungen teilgenommen hat.</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-ph4Gt040CqU/XnBlpp88nFI/AAAAAAAAYX0/xlpb-OMd4YUOVzFgZkyOyd16IjhZvU7GwCLcBGAsYHQ/s1600/weiblicher_akt_halbfigur.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="713" data-original-width="1000" height="456" src="https://1.bp.blogspot.com/-ph4Gt040CqU/XnBlpp88nFI/AAAAAAAAYX0/xlpb-OMd4YUOVzFgZkyOyd16IjhZvU7GwCLcBGAsYHQ/s640/weiblicher_akt_halbfigur.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Weiblicher Halbakt</td></tr>
</tbody></table>
<p>
An sie soll im vorliegenden Beitrag erinnert werden, vor allem mit einigen ihrer Werke. Im Oktober 1945 ist Clara Siewert mit 83 Jahren verarmt in Berlin gestorben. Der Berliner Secession hatte sie als eine von wenigen weiblichen Künstlerinnen angehört. Es ist aber nicht klar, warum sie dieser nach 1912, also nach ihrem fünfzigsten Lebensjahr nicht mehr angehört hat. Käthe Kollwitz hat 1916 in ihrem Tagebuch festgehalten (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Siewert">Wiki</a>):</p></div>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
"Den ganzen Tag juriert. Nicht geglückt, Clara Siewert hereinzubringen." </div>
</blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Die jüngere der beiden genannten Schwestern, Elisabeth (1867-1930) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Siewert">Wiki</a>), hat vor dem Ersten Weltkrieg mit ihren Romanen einige Erfolge gehabt (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Siewert">Wiki</a>):</p>
<blockquote class="tr_bq">
Daß die Texte von Elisabeth Siewert bis 1916 eine große Resonanz in frauenbewegten und noch bis 1923 in einer sozialistischen Zeitschrift fanden, liegt darin begründet, daß die Texte, zumindest bis zu dieser Zeit, bei aller Heimatverbundenheit im gesellschaftlichen Kontext und dem Frauenbild der Zeit ausgesprochen modern waren. Immer wieder handelten die Geschichten von verrückten Mädchen/Schwestern aus dem Bildungsbürgertum, die in die große Stadt aufbrachen, um sich künstlerisch selbst zu verwirklichen und auf eigenen Füßen zu stehen. Auch die übrigen Frauengestalten Siewerts waren von der traditionellen Geschlechterrolle in der Regel weit entfernt oder scheiterten an dieser Rolle. Ein weiterer Grund war, daß Siewert ihre Figuren immer wieder betonen ließ, wie wenig ihr Autoritäten, Prediger oder der Glaube an ein höheres Wesen zu geben vermochten.</blockquote>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-DTqQ3wjsxTc/XnBl4DN2vFI/AAAAAAAAYX4/xgZtrIkr_bImmdl0nZMIBPq310kZlCSEwCLcBGAsYHQ/s1600/sitzender_weiblicher_akt_nach.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="728" data-original-width="870" height="534" src="https://1.bp.blogspot.com/-DTqQ3wjsxTc/XnBl4DN2vFI/AAAAAAAAYX4/xgZtrIkr_bImmdl0nZMIBPq310kZlCSEwCLcBGAsYHQ/s640/sitzender_weiblicher_akt_nach.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Sitzender weiblicher Akt</td></tr>
</tbody></table>
<p>
Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 waren sie Schwestern schon 52 und 47
Jahre alt. Sie hatten den Höhepunkt ihrer Lebensbahn bis dahin schon
überschritten. Und beide hatten dabei ja auch schöne Erfolge erzielt. Es mag also
gar nicht so viel Sinn machen, den Umstand gar zu sehr zu gewichten, daß
die beiden Schwestern nach 1914 und nach der Überschreitung ihres
fünfzigsten Lebensjahres nicht mehr an die künstlerischen Erfolge
anknüpfen konnten, die sie bis dahin erreicht hatten.</p>
<p>
Immerhin aber
scheinen beide Schwestern selbst unter diesem Umstand sehr gelitten zu
haben. Von dem Lebensbild beider Schwestern bleibt als Eindruck zurück,
daß sie niemals ganz im Leben angekommen waren und ein Teil ihrer Seele
immer noch einer glücklichen Kinderzeit verhaftet blieb, von der es
ihnen nicht gelang, sie in ein reifes künstlerisches Schaffen hinüber zu
"transponieren". Die beiden Schwestern lebten mit einer dritten Schwester, die ebenfalls Malerin war, zusammen in Berlin in einer Wohnung. Aber keine von ihnen hat jemals geheiratet und Kinder gehabt. Elisabeth, die Schriftstellerin, ist dann schon im Jahr 1930
mit 63 Jahren gestorben.</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-Bgho8wOG3jw/XnBmjho5mDI/AAAAAAAAYYQ/rbcwxkic3z4-9K4RjNQFIDJ-Ore6jVfyQCLcBGAsYHQ/s1600/stehender_weiblicher_akt_davor.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="728" data-original-width="614" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-Bgho8wOG3jw/XnBmjho5mDI/AAAAAAAAYYQ/rbcwxkic3z4-9K4RjNQFIDJ-Ore6jVfyQCLcBGAsYHQ/s640/stehender_weiblicher_akt_davor.jpg" width="538" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Stehender weiblicher Akt</td></tr>
</tbody></table><p>
Frauen wie Gertrud Bäumler oder Lulu von Strauß und Torney haben sich in Rezensionen anerkennend mit den Romanen von Elisabeth Siewert beschäftigt (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Siewert">Wiki</a>):</p></div>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
Im Zentrum von Elisabeths oft autobiographischem Werk stehen Figuren, vielfach Schwestern, die immer wieder der Frage nachgehen, wie es geschehen konnte, daß das glückselige Himmelreich der Kindheit verlorenging. Gleichzeitig läßt sie ihre Figuren ahnen, daß ihre Sehnsucht nach der versunkenen Kinderwelt nur der Boden zur Weiterentwicklung sein kann. Wie sie selbst suchen ihre Figuren nach Wegen, aus der seligen, aber auch einengenden Erinnerung auszubrechen und im Leben zurechtzukommen. Siewerts Sprache ist eher herb und spröde, vornehmlich in den Romanen aber auch humorvoll. Zu Lebzeiten als "protestantische Droste" bezeichnet, war sie mit ihren Novellen bis zum Ende der 1910er-Jahre vor allem in Zeitschriften der Frauenbewegung und in den Sozialistischen Monatsheften vertreten. In diesen Medien wurde sie auch mehrfach ausführlich rezipiert.</div>
</blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Danach geriet Elisabeth in Vergessenheit und ihres Werkes wurde in den 1920er Jahren nur noch in den - freilich nicht unbedeutenden - "Ostdeutschen Monatsheften" gedacht. Beide Schwester haben also ein irgendwie ähnliches Schicksal erlebt was einen Rückgang in der künstlerischen Geltung und Anerkennung in den 1920er Jahren betrifft. Der Novelle "Die Abenteuer der Oijamitza", die 1928 erschienen ist (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Abenteuer_der_Oijamitza">Wiki</a>), ist vielleicht auch zu entnehmen, daß die Autorin und ihre beiden Schwestern in ihrem Leben wenig Erfahrungen im Umgang mit der Männerwelt gesammelt haben, vielmehr dem Zusammensein untereinander verhaftet geblieben sind. Auch in den Werken der Malerin findet sich Männer selten dargestellt.</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-88kQyutJ-6o/XnBmKTm_tvI/AAAAAAAAYYE/UXoYODKAoNEZMs_whLXl0nImkhU5bpgAACLcBGAsYHQ/s1600/zwei_weibliche_akte_einander_z.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="728" data-original-width="613" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-88kQyutJ-6o/XnBmKTm_tvI/AAAAAAAAYYE/UXoYODKAoNEZMs_whLXl0nImkhU5bpgAACLcBGAsYHQ/s640/zwei_weibliche_akte_einander_z.jpg" width="538" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Zwei weibliche Akte</td></tr>
</tbody></table><p>
Elisabeth Siewert konnte immerhin noch viele Jahre von den Verkäufen ihrer Romane leben, die schon vor dem Ersten
Weltkrieg erschienen waren. Und sie konnte damit auch ihre Schwester Clara, die Malerin unterstützen.
Über die Malerin nun ist zu erfahren (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Siewert">Wiki</a>):</p>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
Als
sie 1930 im Begriff war, nach vier aufeinanderfolgenden Beteiligungen
an der Großen Berliner Kunstausstellung wieder Fuß zu fassen, starb die
Schwester Elisabeth. Der Tod ihres "Lebensmenschen" im Juni 1930 stürzte
Clara in eine Depression und erneute materielle Krise.</div>
</blockquote><p>
1930 war Clara nun schon 68 Jahre alt. Es entsteht dennoch der Eindruck, daß sie das Gefühl hatte, künstlerisch nicht das erreicht zu haben, was sie hätte erreichen sollen. Immerhin war sie ja zeitweise mit Käthe Kollwitz befreundet und hatte persönliche Kontakte zu Lovis Corinth, Walter Leistikow, Max Liebermann, Max Slevogt und Alfred Kubin gepflegt.</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-XEiTENOEBII/XnBm3DOb8FI/AAAAAAAAYYY/ipUeGsbKTsgmaIV8Rb-6XPdpczAjGNmLwCLcBGAsYHQ/s1600/1900%2Bstehender_weiblicher_akt_nach.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="727" data-original-width="598" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-XEiTENOEBII/XnBm3DOb8FI/AAAAAAAAYYY/ipUeGsbKTsgmaIV8Rb-6XPdpczAjGNmLwCLcBGAsYHQ/s640/1900%2Bstehender_weiblicher_akt_nach.jpg" width="526" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Stehender weiblicher Akt</td></tr>
</tbody></table><p>
Vermutlich auch aus diesen Gründen hat sie noch in späteren Lebensjahrzehnten mehr von ihrem künstlerischen Erfolg erwartet (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Siewert">Wiki</a>): </p>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
Sie bezeichnete
sich selbst als "Kleinrentnerin" und stellte 1939 beim Reichsministerium
für Volksaufklärung und Propaganda einen Antrag auf Beihilfe. Das
Ersuchen um die sogenannte Spende "Künstlerdank" begründete sie damit,
daß sie "ganz ohne Gelderwerb" sei und "mit etwas Ruhe [ihre] letzten
Arbeiten vollenden" wolle. Sie war zwar Mitglied der Reichskulturkammer,
nie aber der NSDAP. Immerhin war der Berliner
Kunsthändler und Galerist Wolfgang Gurlitt auf die Malerin aufmerksam
geworden. Er organisierte 1936 in seiner Galerie den letzten großen
Auftritt Siewerts. Die bis dahin mit 174 Werken umfangreichste
Ausstellung zu ihrem Schaffen blieb allerdings ohne große Resonanz. Eine
geplante Folgeausstellung verhinderte der Beginn des Zweiten
Weltkrieges.</div>
</blockquote><p>
1944 fiel ihr Haus und Atelier dem Bombenkrieg zum Opfer. Dabei ging auch ein großer Teil ihres Werkes unwiderbringlich verloren. Erst seit dem Jahr 2008 wird das Werk von Clara Siewert - zunächst insbesondere durch die Ostdeutsche Galerie in Regensburg - wiederentdeckt!</p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-axLH5fXFwdw/XnBqA1VrawI/AAAAAAAAYYo/PbC1QBTgYNwtxYBR3zcdmA99DuDljhiEACLcBGAsYHQ/s1600/sitzender_weiblicher_akt.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="728" data-original-width="517" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-axLH5fXFwdw/XnBqA1VrawI/AAAAAAAAYYo/PbC1QBTgYNwtxYBR3zcdmA99DuDljhiEACLcBGAsYHQ/s640/sitzender_weiblicher_akt.jpg" width="454" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Sitzender weiblicher Akt</td></tr>
</tbody></table><p>
Wenn man es recht versteht, kennzeichnete die Siewert-Geschwister von Jugend an ein gewisser übertriebener Unernst, von dem man auch in Schilderungen über ihre Jugend in Westpreußen wieder findet. Dieser findet sich dann auch in manchem weniger gültigen Werk von Clara Siewert wieder.</p>
<p>
Vielleicht hat dieser Unernst dazu geführt, daß ihr künstlerisches Schaffen nach ihrem 50. Lebensjahr nicht mehr so dauerhafte und stetige Erfolge aufweisen konnte wie zuvor. </p>
<p>
Zum Beispiel hat sie sich künstlerisch häufig mit dem Hexen-Thema
auseinander gesetzt. Dabei bleiben diese Werke - bei aller dennoch vorhandenen Gültigkeit der
Aussage - doch oft auch einem gewissen Zug von spielerischem Unernst verhaftet, der
der Gesamtaussage des Werkes dann wieder schadet. Womöglich bewegte sich das künstlerische Leben beider Schwestern in diesem Zwiespalt. </p>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-LwlMQyi0kaI/XnBqMfgEn1I/AAAAAAAAYYs/2C2CJFLYONoFs0rTdyKZO0MQDl1JIMFMgCLcBGAsYHQ/s1600/sitzender_weiblicher_akt_mit_a.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="728" data-original-width="646" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-LwlMQyi0kaI/XnBqMfgEn1I/AAAAAAAAYYs/2C2CJFLYONoFs0rTdyKZO0MQDl1JIMFMgCLcBGAsYHQ/s640/sitzender_weiblicher_akt_mit_a.jpg" width="566" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Sitzender weiblicher Akt</td></tr>
</tbody></table><p>
Diese Uneinheitlichkeit in der Aussage findet sich allerdings in den besten Werken von Clara Siewert keineswegs. Als diese erachten wir insbesondere ihre zahlreichen Akt-Zeichungen. Hier ist künstlerischer Ernst vorherrschend, künstlerische Begeisterung vorherrschend und gar nichts anderers. Hier ist also die künstlerische Aussage gültig und zeitlos. So zumindest will es uns scheinen.</p>
<p>
Ihre Themenwahl ist durchaus sehr berührend. Eine Hexe, die auf dem Dichter-Roß Pegasus reitet,
das ist ein außerordentlich erregendes Thema, ganz ohne Frage. Der Gedanke kann nicht ausbleiben, daß sie bei diesem Thema an ihre Schwester Elisabeth gedacht haben könnte. </p>
<p>
Aber man
wünschte sich nun noch einen Zug mehr Erschütterung in dem Werk über
diesen krassen, dargestellten Gegensatz - den Gegensatz zwischen teuflischen weiblichen Antrieben ("Hexe") und dem Bemühen um reife künstlerische Aussage ("Pegasus"). Diese künstlerisch und menschlich zutiefst aufwühlende Thematik ergreift. Noch heute.<br />
</p></div><div style="text-align: justify;"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-NWXug6W4seU/XnBnDuns8TI/AAAAAAAAYYc/QLqh_sQBxF8gBCoN6LzGa3a4a4-gM_xhACLcBGAsYHQ/s1600/2a47ce3641fb6bda97dfd9a6ad7e4c80.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="729" data-original-width="500" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-NWXug6W4seU/XnBnDuns8TI/AAAAAAAAYYc/QLqh_sQBxF8gBCoN6LzGa3a4a4-gM_xhACLcBGAsYHQ/s640/2a47ce3641fb6bda97dfd9a6ad7e4c80.jpg" width="438" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Hexe</td></tr>
</tbody></table>
<h2>
Abschließend ...</h2>
<p>
Welchen einleitend erwähnten Zufällen kann man es verdanken, auf die Siewert-Schwestern aufmerksam geworden zu sein? </p>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Wenn einer von uns müde wird,</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>der andere für ihn wacht.</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Wenn einer von uns zweifeln will,</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>der andere gläubig lacht.</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Wenn einer von uns fallen sollt',</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>der andere steht für zwei,</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Denn jedem Kämpfer gibt ein Gott</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>den Kameraden bei.</b></span></div>
</blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Dieses Gedicht hatte man irgendwann irgendwo einmal vor Jahren gelesen. Das Gedicht drückt ja einen
sehr allgemeinen Gedanken aus und in einer
so knappen und gelungenen Wortverdichtung, daß damit viel "auf den Punkt" gebracht sein könnte und dies einem deshalb mit guten Gründen in Erinnerung bleiben könnte. Wünscht sich nicht jeder Mensch einen solchen Kameraden, einen solchen Freund? Vermutlich hatten die Siewert-Schwestern aneinander einen solchen Freund und Kameraden, einen solchen "Lebensmenschen". Freilich, mit Kampf und Sterben
haben es die Menschen heute nicht mehr so wie man es noch in früheren Zeiten gehabt haben mag. Fragt man nun jdeoch nach dem
genauen Text dieses Gedichtes, findet man diesen - <i>und</i> auch noch den Namen des Dichters desselben (<a href="http://ingeb.org/Lieder/wenneinv.html">ingeborg</a>):</p></div>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
Herybert Menzel, 1944 (1906-1945)</div>
</blockquote>
<div style="text-align: justify;"><p>
Was für Jahreszahlen - schießt einem sofort durch den Sinn. 1944 ein solches Gedicht gedichtet, 1945 tot. Und der Dichter stammt aus der Provinz Posen und ist auch dort gestorben: Herybert Menzel (geb.
1906 in Obornik bei Posen; † Februar 1945 in Tirschtiegel bei Posen) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Herybert_Menzel">Wiki</a>; weitere Angaben: <a href="https://de.metapedia.org/wiki/Menzel,_Herybert">Metapedia</a>). Sofort ist die Aufmerksamkeit geweckt. Und indem man sich mit Leben und Schaffen von Herybert Menzel beschäftigt - darüber soll demnächst noch ein Beitrag hier auf dem Blog erschienen, wird man darauf gestoßen, daß er befreundet war mit den Siewert-Schwestern und daß er 1930 einen Nachruf auf Elisabeth Siewert geschrieben hat, über den man noch heute vieles über die beiden Schwestern erfahren kann. - Fast alles vergessen heute. Denn es handelt sich um Menschenleben, die in der Heimat des deutschen Weichsellandes wurzelten, des verlorenen. </p></div>
</div>
<div style="text-align: justify;">
_____________________ </div>
<ol style="text-align: justify;">
<li>Werke von Clara Siewert, <a href="https://www.kunstkopie.de/a/siewert.htm">https://www.kunstkopie.de/a/siewert.htm</a>. </li>
<li>Zieglgänsberger, Roman u.a.: Clara Siewert. Zwischen Traum und Wirklichkeit. Ausstellungskatalog. Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, Regensburg 2008 </li>
</ol>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-45190182479321770712020-02-29T11:46:00.001+01:002020-03-14T06:39:15.769+01:00Pablo Picasso - "Die Frau mit der Krähe" (1904)<div style="text-align: justify;">
<b>Eine Bildbetrachtung</b> <br />
<br />
"Blaue Periode" - dies ist die Bezeichnung für jene Phase im Leben des Malers Pablo Picasso
(1881-1973), in der seine großen Frühwerke entstanden. Die Gemälde dieser Frühphase gelten als bedeutend, nicht zu ersetzen. <br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://2.bp.blogspot.com/-w0EKQeiPN7A/WOdMMKTEHPI/AAAAAAAAVgY/7vJ6_-QZyPsr45V8mbwecsJQNvT72hszQCLcB/s1600/1903%2BFrau%2Bmit%2BKr%25C3%25A4he%2BPicasso%2B%25284%2529.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="640" src="https://2.bp.blogspot.com/-w0EKQeiPN7A/WOdMMKTEHPI/AAAAAAAAVgY/7vJ6_-QZyPsr45V8mbwecsJQNvT72hszQCLcB/s640/1903%2BFrau%2Bmit%2BKr%25C3%25A4he%2BPicasso%2B%25284%2529.jpg" width="446" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Pablo Picasso - Frau mit Krähe - 1904</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Diese Werke sind zwischen dem 20. und 24. Lebensjahr geschaffen worden. Der Autor dieser Zeilen hat viele Jahre - aufgrund familiärer Zusammenhänge - eine große Reproduktion des Gemäldes "Frau mit der Krähe" von Pablo Picasso in der Wohnung hängen gehabt (Abb. 1). Immer einmal wieder fiel der Blick auf dieses Gemälde. Viele Jahre hat er das Gemälde als eine Art Fremdkörper in der Wohnung empfunden. <br />
<br />
Irgendwann raffte er sich auf und begann, sich Gedanken um die "Symbolik" dieses Gemäldes zu machen.*) Es kam heraus: Das Gemälde "Femme à la
corneille", "Frau mit Krähe" entstand 1904. Es markiert den vielleicht tiefsten Punkt jener Depression, von der die "Blaue Periode" bei Pablo Picasso
hervorgerufen worden sein wird. Eine blasse Frau. Sie streichelt eine Krähe. <br />
<br />
Auch Anflüge von Haß glaubt man in dem Gesicht der Frau zu lesen. Aber was sonst noch? Sieht man dieses Gemälde
im Zusammenhang mit allen anderen Gemälden aus der Blauen Periode,
tritt der Eindruck wieder zurück, daß auf diesem Gesicht Haß oder gar
Bosheit die dominanten Anteile sein könnten (1). In dem vielleicht
vorausgegangenen Gemälde "Frau mit Helmfrisur" ("Femme au chignon",
1904) (Abb. 2) findet sich ein ähnlich kaltes, ausdrucksloses, desillusioniertes
Frauengesicht (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/File:Pablo_Picasso,_1904,_Woman_with_a_Helmet_of_Hair,_gouache_on_tan_wood_pulp_board,_42.7_x_31.3_cm,_Art_Institute_of_Chicago.jpg">Wiki</a>).<br />
<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td><a href="https://3.bp.blogspot.com/-Q_7Hq1pgCrk/WOdVZbWUGQI/AAAAAAAAVg0/UpzipLeTy1I8r5pDCgDicv459Uwhhu_MACLcB/s1600/Pablo_Picasso%252C_1904%252C_Woman_with_a_Helmet_of_Hair%252C_gouache_on_tan_wood_pulp_board%252C_42.7_x_31.3_cm%252C_Art_Institute_of_Chicago.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="640" src="https://3.bp.blogspot.com/-Q_7Hq1pgCrk/WOdVZbWUGQI/AAAAAAAAVg0/UpzipLeTy1I8r5pDCgDicv459Uwhhu_MACLcB/s640/Pablo_Picasso%252C_1904%252C_Woman_with_a_Helmet_of_Hair%252C_gouache_on_tan_wood_pulp_board%252C_42.7_x_31.3_cm%252C_Art_Institute_of_Chicago.jpg" width="451" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="font-size: 12.8px;"><div style="text-align: center;">
<span style="font-size: 12.8px;">Abb. 2: Pablo Picasso - Frau mit Helmfrisur - 1904</span></div>
</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Es gibt eine Liste der Arbeiten von Pablo Picasso zwischen den Jahren 1901 und 1910 (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Picasso_artworks_1901%E2%80%9310">Wiki</a>). Sie bietet einen Überblick. In der Blauen Periode entstanden Gemälde wie: "Melancholische Frau", "Sitzende Frau", "Die Suppe", "Mutterschaft",
"Der alte Gitarrenspieler" (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/The_Old_Guitarist">Wiki</a>) (Abb. 3) oder "Die Tragödie" (Abb. 4). Es ist zu erfahren (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Picasso%27s_Blue_Period">Wiki</a>):<br />
<blockquote class="tr_bq" style="text-align: justify;">
Diese
Arbeiten (...) gehören heute zu seinen bekanntesten, obwohl er in der
Zeit ihrer Entstehung Schwierigkeiten hatte, sie zu verkaufen.</blockquote>
<h2>
Das Gemälde "Das Leben" (1903)</h2>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Ausgangspunkt dieser langen Reihe von Gemälden der "Blauen Periode" war nun das Gemälde "Das Leben" von 1903 (Abb. 5). "Hört
auf zu gebären, das Leben ist voller Leid" scheint der darauf
abgebildete Freund Picasso's zu der darauf abgebildeten
Mutter Picasso's (der Frau mit dem Kind im Arm) zu sagen.<br />
<br />
Es kann eine sehr konkrete Vorgeschichte zu diesem Gemälde berichtet werden. Bis 1900 lebte Pablo Picasso
in Barcelona. 1901 besuchte er - auf Anregung seines eben
genannten Freundes, Carlos Casagemas (1881-1901) (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Carlos_Casagemas">Wiki</a>)
- und mit diesem zusammen das erste mal Paris. Casagemas war ebenfalls
Maler. Dort in Paris lernten sie die ebenfalls auf dem Gemälde
abgebildete Tänzerin des Moulin Rouge, Germaine Pichot, kennen. In dem
Wikipedia-Artikel zu ihr findet sich etwas wieder von dem - im Grunde
recht komplizierten und dramatischen - Geschehen, das den Hintergrund zu
diesem Gemälde gibt (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Germaine_Pichot">Wiki</a>):<br />
<blockquote class="tr_bq">
Germaine
Pichot (...) heiratete einen Mann namens Florentin. Unter diesem Namen
lernte sie Picasso in Paris kennen, als er im Jahr 1900 mit seinem
Freund Carles Casagemas dort eintraf. Während Picasso eine Affäre mit
Germaines Freundin oder Verwandter Louise Lenoir, die unter dem Namen
Odette bekannt war, begann, verliebte sich Casagemas in Germaine, mußte
aber feststellen, daß er impotent war. Nach einer Reise nach Spanien,
die er zusammen mit Picasso angetreten hatte, kehrte Casagemas 1901 ohne
diesen nach Paris zurück. Bei einer Feier im Restaurant L'Hippodrome am
17. Februar 1901 gab Casagemas einen Schuß auf Germaine ab, der diese
aber nicht, wie wohl beabsichtigt, tötete.</blockquote>
In der
Annahme, er habe sie getötet, richtete er danach seine Waffe auf sich
und rief "So, und jetzt ich". Auf Wikipedia heißt es:<br />
<blockquote class="tr_bq">
Danach richtete Casagemas die Waffe auf sich selbst und brachte sich eine Kopfverletzung bei, an der er wenig später starb.</blockquote>
Nach dem Tod seines Freundes ist auf <span style="background-color: transparent; color: black; display: inline; float: none; font-family: "times new roman"; font-size: 16px; font-style: normal; font-variant: normal; font-weight: 400; letter-spacing: normal; text-align: justify; text-decoration: none; text-indent: 0px; text-transform: none; white-space: normal; word-spacing: 0px;">den Bildern von Picasso dann eben mehrere Jahre </span>so viel Trauer zu sehen.<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-5UJd187VEJM/WOdN4U5Ll0I/AAAAAAAAVgk/vyI5RuodLqATLCeJvqlOfLDSHJz3R-laACLcB/s1600/Old_guitarist_chicago.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-5UJd187VEJM/WOdN4U5Ll0I/AAAAAAAAVgk/vyI5RuodLqATLCeJvqlOfLDSHJz3R-laACLcB/s640/Old_guitarist_chicago.jpg" width="426" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 3: Pablo Picasso - Der alte Gitarrenspieler - 1903/04</td></tr>
</tbody></table>
<br />
Im äußeren Leben ging es bei Picasso - bei großer materieller Armut - folgendermaßen weiter (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Germaine_Pichot">Wiki</a>):<br />
<div style="text-align: justify;">
<div style="text-align: justify;">
<div style="text-align: justify;">
<blockquote class="tr_bq">
Nach seiner Rückkehr nach Paris im Mai 1901 brach Picasso mit Odette und fing eine Beziehung mit Germaine an.</blockquote>
Und weiter:<br />
<blockquote class="tr_bq">
"La
Vie" war ursprünglich anders angelegt als es sich heute präsentiert:
Der junge Mann auf dem Gemälde war zunächst ein Selbstporträt Picassos,
ehe dieser das Bild änderte und dem Mann die Züge Casagemas' und der
zunächststehenden jungen Frau die Germaines gab.</blockquote>
</div>
</div>
Die
Entstehungsgeschichte des Gemäldes "Das Leben" von 1903 ist also von einem dramatischeren
Geschehen bestimmt, als man es ohne dieses Hintergrundwissen ahnen würde.
Die sich hier andeutenden wechselnden Liebesverhältnisse, die man auch
in manchen Biographien der etwa zeitgleich lebenden expressionistischen
Maler des deutschen Sprachraumes findet - etwa in Dresden rund um die
"Brücke", mündeten in jener Zeit bei Picasso auch in verschiedene,
erhalten gebliebene kleinere Werke. So soll Picasso in dieser Zeit auch
das Gemälde "La Doleur" (1902) gemalt haben.</div>
<br />
Picasso selbst hat zu
dem Gemälde "Das Leben" nie eine
Deutung gegeben. In der Kunstwissenschaft gehen die Ansichten über seine
Deutung weit auseinander. Es heißt, daß es dem Betrachter -
womöglich mehr oder weniger bewußt - weite Deutungsspielräume offen
gelassen hätte. Daß ja auch für Picasso selbst die Aussage des Gemäldes
nicht von Anfang an feststand, ist ja schon seiner angedeuteten
Entstehungsgeschichte zu entnehmen: Er wollte eigentlich sich selbst
malen. Aber der Gedanke an den Freund drängte sich in den Vordergrund
und ist dann verarbeitet worden.<br />
<br /></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://2.bp.blogspot.com/-FBR-uYIXQrU/WOSR-5MZ6YI/AAAAAAAAVeg/sm7wV_IMUU8GqhsslBa_1PMNOCUWyeqBgCLcB/s1600/1903%2BThe_Tragedy.JPG" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="640" src="https://2.bp.blogspot.com/-FBR-uYIXQrU/WOSR-5MZ6YI/AAAAAAAAVeg/sm7wV_IMUU8GqhsslBa_1PMNOCUWyeqBgCLcB/s640/1903%2BThe_Tragedy.JPG" width="424" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Pablo Picasso - Die Tragödie - 1903</td></tr>
</tbody></table>
Auffallend ist vor allem die zugleich ein junges Leben grüßende wie abwehrende Geste des Mannes gegenüber der Frau mit dem
Kind. Sie ist eine Geste des Zwiespalts. Einerseits grüßt sie das Leben, andererseits scheinen Blick und Körperhaltung eben zu sagen: Ach, hättest
du mich nie geboren.</div>
<div style="text-align: justify;">
<div style="text-align: justify;">
<br />
Die Blaue Periode wird auf die Jahre 1901
bis 1904 datiert. Ab 1904 begann sich sein Mal-Stil zu ändern. Auf die Blaue Periode folgte die Rosa Periode (1904 bis 1906) (<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Picasso%27s_Rose_Period">Wiki</a>).
In dieser nimmt die Melancholie des Künstlers - wie die Farbe Rosa
schon für sich selbst aussagt - etwas unbeschwertere Züge an. Und ab
1907 wurde die Malweise von Picasso zunehmend abstrakter.<br />
<br />
Es
wird gesagt werden dürfen: Ohne die Bilder der Blauen Periode wäre Picasso
nicht jener Picasso geworden, als der er in die Kunstgeschichte
eingegangen ist. Sie ist sicherlich ein grundlegendes Lebens- und
Kunststadium gewesen, sonst würden die hierbei entstandenen Werke heute nicht als so bedeutend empfunden werden.<br />
<br />
Aber als die ausdrucksstärksten Bilder der "Blauen Periode" darf man die Gemälde "Frau mit der Krähe" und "Frau mit Helmfrisur" empfinden.<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-FscOhxfKCwU/WOSI3P-oI7I/AAAAAAAAVeE/Zt6XJV7_xdMFnOrxNI1zPtUiC1NJvoR1QCLcB/s1600/1903%2BDas%2BLeben%2BPicasso.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-FscOhxfKCwU/WOSI3P-oI7I/AAAAAAAAVeE/Zt6XJV7_xdMFnOrxNI1zPtUiC1NJvoR1QCLcB/s640/1903%2BDas%2BLeben%2BPicasso.jpg" width="416" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 5: Pablo Picasso - Das Leben - 1903</td></tr>
</tbody></table>
<br />
________________________ <br />
*) Eine frühere Fassung des vorliegenden Blogartikels hier: <a href="https://fuerkultur.blogspot.com/2017/04/hort-auf-zu-gebaren-das-leben-ist.html">DVHS 04/2017</a>. (Der vorliegende Blogartikel stellt eine Neufassung des älteren dar. Also dasselbe Thema in neuer "Variation".)</div>
</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
________________________</div>
<ol>
<li style="text-align: justify;">Mit diesem Gemälde befaßte sich 1982 auch das französische Fernsehen anläßlich seiner Versteigerung (<a href="https://www.youtube.com/watch?v=2HwzfHr_Y38">Yt</a>). </li>
<li style="text-align: justify;">Reyes
Jiménez de Garnica, Malén Gual (Hrsg.): Journey through the Blue. La
Vie. (Catalogue of the exhibition celebrated at Museu Picasso,
Barcelona, october 10th 2013 to january 19th 2014). Institut de Cultura
de Barcelona: Museu Picasso, Barcelona 2013</li>
<li style="text-align: justify;">Museu Picasso zur Ausstellung, <a href="http://www.bcn.cat/museupicasso/en/exhibitions/journey-through-the-blue.html">bcn.cat</a>, abgerufen am 05. April 2017</li>
</ol>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3047129220709417716.post-38601596328195271282020-02-29T10:38:00.001+01:002020-02-29T11:00:19.983+01:00Wege zur Versteinerung<b>Eine Buchveröffentlichung des Jahres 1987 </b><br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-ED8kq2d9aC0/XlosIICWWYI/AAAAAAAAYSA/t3gNkAmk9CgJO6CotDlrbsGs5CGxoFl8wCLcBGAsYHQ/s1600/IMG_20200229_095428_9.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1200" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-ED8kq2d9aC0/XlosIICWWYI/AAAAAAAAYSA/t3gNkAmk9CgJO6CotDlrbsGs5CGxoFl8wCLcBGAsYHQ/s640/IMG_20200229_095428_9.jpg" width="480" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 1: Titelseite: Baldachin im Schrein des Creglinger Marienaltars von Tilman Riemenschneider</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<div style="text-align: justify;">
In diesem Beitrag soll einfach einmal eine Folge der Zeitschrift "Die Deutsche Volkshochschule" aus dem Mai 1988 vorgestellt (und dokumentiert) werden. Die Beiträge haben - wie man sehen kann - alle überzeitlichen Gehalt und dürften noch heute als so wesentlich und frisch empfunden werden können wie sie es damals konnten.</div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-bQRagu_0rOw/XlosIfREA3I/AAAAAAAAYSE/7uOQCth081wovK1e1616ul0asCCIUirswCLcBGAsYHQ/s1600/IMG_20200229_095505_7.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1200" data-original-width="1600" height="480" src="https://1.bp.blogspot.com/-bQRagu_0rOw/XlosIfREA3I/AAAAAAAAYSE/7uOQCth081wovK1e1616ul0asCCIUirswCLcBGAsYHQ/s640/IMG_20200229_095505_7.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 2: Eine Doppelseite aus "Die Eigenart der germanischen Kunst"</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Dies mag insbesondere auch gelten für den letzten, kurzen Aufsatz, nach dem auch der vorliegende Blogbeitrag benannt ist: "Wege zur Versteinerung". Aber zuvor sei der übrige Inhalt des Mai-Heftes mit jeweils einer fotografischen Wiedergabe kurz vorgestellt: Der erste Aufsatz lautet <b>"Die Eigenart der germanischen Kunst"</b> (Teil 1). Er stammt von Renate Bretnütz (S. 1-10).</div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-nkke0XljeW0/XlosIdg-O3I/AAAAAAAAYSI/IhdF5GrO8awfdMDMkgq57tFnncw0PHSFwCLcBGAsYHQ/s1600/IMG_20200229_095533_8.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1200" data-original-width="1600" height="480" src="https://1.bp.blogspot.com/-nkke0XljeW0/XlosIdg-O3I/AAAAAAAAYSI/IhdF5GrO8awfdMDMkgq57tFnncw0PHSFwCLcBGAsYHQ/s640/IMG_20200229_095533_8.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 3: Erste Doppelseite des Aufsatzes "Aus Dostojewkis Vorstellung ...."</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Der zweite Aufsatz lautet <b>"Aus Dostojewskis Vorstellung vom Wesen und vom Sinn der menschlichen Seele"</b> (Teil 1). Er stammt von Gertraud Hagner-Freymark (S. 10-18).</div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-z-BuQUlpAOo/XlosJFNSZqI/AAAAAAAAYSM/xmlV40af0kEkuP9hxhZUaVtbjdTPLwmfACLcBGAsYHQ/s1600/IMG_20200229_095617_1.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1200" data-original-width="1600" height="480" src="https://1.bp.blogspot.com/-z-BuQUlpAOo/XlosJFNSZqI/AAAAAAAAYSM/xmlV40af0kEkuP9hxhZUaVtbjdTPLwmfACLcBGAsYHQ/s640/IMG_20200229_095617_1.jpg" width="640" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 4: Erste Doppelseite von "Nachtrag zu Gesichte, Kultur und Weltanschauung der Goten"</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Der dritte Aufsatz lautet <b>"Nachtrag zu Geschichte, Kultur und Weltanschauung der Goten"</b>, wobei kein Verfasser genannt ist (S. 18-23).</div>
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-2A7t_-cx7dA/XlosJTgAT8I/AAAAAAAAYSQ/O_swEPkRxfYWHr-ZNcaZ7Cs0QHBAtH1dACLcBGAsYHQ/s1600/IMG_20200229_095712_9.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1200" height="640" src="https://1.bp.blogspot.com/-2A7t_-cx7dA/XlosJTgAT8I/AAAAAAAAYSQ/O_swEPkRxfYWHr-ZNcaZ7Cs0QHBAtH1dACLcBGAsYHQ/s640/IMG_20200229_095712_9.jpg" width="480" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Abb. 5: Aufsatz "Wege zur Versteinerung"</td></tr>
</tbody></table>
<div style="text-align: justify;">
Und der vierte Aufsatz ist entnommen der Zeitschrift "Die Neue Ärztliche" (10.12.1987) und stammt von Brigitta Mazanec. Er trägt den Titel "Waldorf-Erziehung - Wege zur Versteinerung". Auszug:</div>
<blockquote class="tr_bq">
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Die Waldorf-Erziehung stellt die Kinder in ein Ghetto - und führt zu Problemen, die mittlerweile mit dem Stichwort "Waldorf-Syndrom" bezeichnet werden: die Unfähigkeit der Schüler, ihre eigenen Wünsche, Ängste, Konflikte wahrzunehmen und auszudrücken, und die Schwierigkeiten, den Bruch zwischen dem beschützten Leben der schulischen Unter- und Mittelstufe und der gesellschaftlichen Realität zu verarbeiten. (...)</b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b><br /></b></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<span style="color: #274e13;"><b>Eltern, die sich mit dem Gedanken tragen, dem gewiß nicht befriedigenden öffentlichen Schulsystem die Waldorfschule als Alternative vorzuziehen, sei Charlotte Rudolphs nüchterne und kritische Bilanz dringend empfohlen.</b></span></div>
</blockquote>
<div style="text-align: justify;">
Die Autorin des Buches war selbst "Waldorf-Schülerin". Daß das hier besprochene Buch auch heute noch als aktuell empfunden wird, ist Leser-Rezensionen bis 2018 zu entnehmen (<a href="https://www.amazon.de/Waldorf-Erziehung-Wege-zur-Versteinerung/dp/3630617271">Amazon</a>). Eine solche von 2008 lautet:<span class="cr-widget-FocalReviews" data-hook="cr-widget-FocalReviews"><span class="a-size-base review-text" data-hook="review-body"><span> </span></span></span><br />
<blockquote class="tr_bq">
<span class="cr-widget-FocalReviews" data-hook="cr-widget-FocalReviews"><span class="a-size-base review-text" data-hook="review-body"><span>Lebenslegastheniker? </span></span></span><br />
<span class="cr-widget-FocalReviews" data-hook="cr-widget-FocalReviews"><span class="a-size-base review-text" data-hook="review-body"><span>Die
Waldorfschule gibt Schutz und das Gefühl der Aufgehobenheit, und nicht
nur darin gleicht sie einer Glasglocke. Sie ist auch ein Ort mit
verinnerlichten Verbotsregistern und unsichtbaren, seelischen Gittern -
basierend auf der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners, die Kinder
wie Eltern auf Lebenszeit umfängt. Die Autorin berichtet aus eigener
langjähriger Erfahrung und zieht eine ernüchternde, aufklärende und
kritische Bilanz über einen Erziehungsstil, der - nach Ansicht nicht
weniger - Kinder zu "Lebens-Legasthenikern" machen kann ...</span></span></span></blockquote>
</div>
Ingo Badinghttp://www.blogger.com/profile/03090794366290908769noreply@blogger.com0