Sonntag, 29. April 2012

Ein lebenszugewandtes Lied wie kaum eines sonst

Das Südtiroler Heimatlied von 1926 und sein Dichter

Wir werden heute im politischen Bereich überschüttet mit Nachrichten negativster Art. Aber das sind doch nicht die einzigen Lebensinhalte, denen man sich zuwenden kann. Es sind wohl auch am wenigsten jene Lebensinhalte, aus denen man neue Kraft schöpfen kann.

Jetzt, wo es Frühling wird, soll hier einmal auf eines der Lieblingslieder des Blog-Inhabers - und sicherlich zahlloser Menschen sonst - aufmerksam gemacht werden. Nämlich auf das "Südtiroler Heimatlied", bzw. das "Bozener Bergsteigerlied", gedichtet von dem Südtiroler Karl Felderer (1895-1989). Und zwar im Jahr 1926, als es in Südtirol sogar verboten war, den Namen Südtirol auszusprechen (Yt). Deshalb wird auch der Name Südtirol im ganzen Lied kein einziges mal genannt.


Um dieses Liedes willen ist Karl Felderer in Südtirol schon seit langer Zeit eine legendäre Figur. Abgesehen von der in diesem Lied impliziten selbstverständlichen Forderung nach Selbstbestimmung für die Südtiroler hat das Lied auch einen weit über seine politischen Implikationen hinausgehenden Gehalt. Das ist wohl auch der Grund, weshalb es heute beliebt ist weit über die Grenzen Südtirols hinaus: Sogar aus Korea, von den Ladinern und aus Osteuropa findet man Video-Aufnahmen dieses Liedes gegenwärtig im Internet.

Das Lied lässt sich nicht kürzen. Es muss in allen sieben Strophen gesungen werden. So findet es sich aber im Internet als Aufnahme nirgendwo (siehe etwa: abcd). Hier deshalb noch einmal der vollständige Text:
(Auch hier oder hier.) Auf alten Kassetten für "Kassettenrekorder" fand sich die folgende Aufnahme: Karl Felderer erzählt selbst, wie er dazu kam, dieses Lied zu dichten und welche Schicksale trauriger und fröhlicher Art die Menschen und er selbst mit diesem Lied bis heute erlebt haben:


Nachträglich (2016) erfahren wir: Karl Felderer hat diese Aufnahme im Eigenverlag veröffentlicht (1)*). Wie man hören kann, spielte das Erleben des Zweiten Weltkrieges in seiner Generation beim Gedenken an dieses Lied für Karl Felderer eine keineswegs geringe Rolle. Sein Lied sei von den deutschen Soldaten "von Narvik bis El Alamein" als Soldatenlied gesungen worden. Dafür war es sicherlich nicht gedichtet worden. Aber das Lied konnte auch bei dieser Gelegenheit die Soldaten in eine friedliche Welt versetzen, in der sie sicherlich in der überwiegenden Mehrheit lieber gewesen wären, als im Krieg. Was ja auch Karl Felderer andeutet, wenn er weiter sagt, dass viele, die dieses Lied während des Krieges gesungen haben, nicht lebend aus ihm zurückgekehrt sind und dass jene, die zurückgekehrt sind, es oft nicht mehr singen konnten.

Man probiere doch einmal selbst, mitzusingen. Es reißt einen mit. So viel Zweifel und Missmut, so viel Zynismus und Kleinmut - - - spült es beiseite.

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*) Wir machen diese Aufnahme sehr gerne im Internet zugänglich. Aber die Rechte dafür werden - vermutungsweise - bei den Erben von Karl Felderer liegen. Dürfen wir sie um Zustimmung zu dieser Veröffentlichung bitten?
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  1. Felderer, Karl: Wohl ist die Welt so groß und weit (Bozener Bergsteigerlied). Nach einer alten Weise von Karl Felderer. Im Eigenverlag o.O., o.J., mit eingelegter Schallplatte, Aufschrift: "Selbstverlag Karl Felderer, Produktion: Hermann Brix, Gestaltung: Fritz Bieler. Vollständiger Liedtext vorgetragen von Herm. Brix, mit musikalischer Untermalung / Entstehungsgeschichte des "Bozener Bergsteigerliedes" vorgetragen vom Autoren Karl Felderer / Schargesang mit Jodler / Forts. der Entstehungsgeschichte mit Soldatenchor, Ausklang Tonbild 150 Jahrfeier (1809-1959) in Innsbruck, Bozener Bergsteiger-Marsch, gespielt von der Wiltener Stamusikkapelle Innsbruck, Ltg. S. Tanzer