Sonntag, 9. Dezember 2001

„Mühsame Arbeit widerspricht der deutschen Volksseele.“

Erich und Mathilde Ludendorff über die Arbeitsethik der heidnisch-germanischen Vorfahren


Ein Aufsatz, der im Jahr 2000 über den Kirchenvater Augustinus, sein Wirken und seine Zeit erschienen ist (1), fand sowohl Anerkennung wie - bezogen auf einzelne Teile desselben - Widerspruch (2). Über die „zumindest im Winter auf Bärenfellen faulenzenden Germanen“, denen die mittelalterliche und die neuzeitlich-protestantische Arbeitsethik gegenübergestellt worden war, wurde in einem Leserbrief geäußert: „Gegen diese Darstellung unserer Vorfahren haben wir uns doch nun oft genug wehren müssen.“ (2) Demgegenüber soll im folgenden dargestellt werden, daß auch in der Abwehr von unberechtigten Beschönigungen von Volkseigenarten unserer Vorfahren und gegebenenfalls unseres heutigen Volkes nicht nachgelassen werden darf. Und es soll dargestellt werden, daß in dieser Abwehr auch solche Autoren wie etwa Erich und Mathilde Ludendorff nicht nachgelassen haben. In diesem Sinne wird im ersten Teil der folgenden Ausführungen dargestellt, daß Mathilde Ludendorff sehr betont die Zuverlässigkeit eines römischen Geschichtsschreibers wie Tacitus herausgestellt hat. Im zweiten Teil wird dann dargestellt, welche Schlußfolgerungen Erich Ludendorff daraus zog, daß eben die Berichte des Tacitus als zuverlässig zu gelten haben.


Vertreibung aus dem Paradies - Fluch der Arbeit
(Michelangelo, Sixtinische Kapelle)

Im Herbst 1954 war das 1949/50 über Mathilde Ludendorff verhängte Schreibverbot aufgehoben worden. Im Jahr 1955 beschäftigte sich Mathilde Ludendorff in ihrem Aufsatz „Aus dem Orient kam das Licht“ (3) mit den Forschungen des Pastors Jürgen Spanuth (1907-1998) (Wiki) zur „Atlantisfrage“. Hierbei behandelte sie auch die Zuverlässigkeit der Berichte antiker Schriftsteller. Sie versuchte zu einer Einschätzung der Zuverlässigkeit des „Atlantisberichtes“ zu gelangen. Der „Atlantisbericht“ ist enthalten in einer Schrift des griechischen Philosophen Platon. Mathilde Ludendorff vergleicht die in dieser Schrift genau angegebene lange Überlieferungsgeschichte dieses „Atlantisberichtes“ mit der Überlieferungsgeschichte jener Berichte, die Tacitus in seiner „Germania“ über die Germanen seiner eigenen Zeit gibt.

Über den Weg der Überlieferung dieses „Atlantisberichtes“, der - nach Platon - von ägyptischen Priestern über den griechischen Gesetzgeber Solon und den Gesprächspartner des Philosophen Sokrates, Kritias, an einen eben solchen Gesprächspartner des Sokrates, nämlich Platon gelangt sei, schreibt Mathilde Ludendorff: „Statt des unmittelbaren Berichtes, den Tacitus über die Germanen gab, liegt hier ein für die Exaktheit an sich gefährlich langer Weg vor.“ (3, S. 1022)

Die „Germania“ des Tacitus


Hier sei ganz von den in diesem Satz angesprochenen Problemen der Atlantisforschung abgesehen. Mit diesem Satz hat Mathilde Ludendorff nämlich auch sonst etwas sehr Wesentliches ausgesagt: Sie hat die ungeheuer große Zuverlässigkeit der Berichte des Tacitus festgestellt und betont.

Eine solche Zuverlässigkeit der Berichte des Tacitus möchten auch solange viele Menschen gerne anerkennen, solange diese Berichte möglichst viel Positives über die Germanen enthalten. Dies ist ja nun auch durchaus in sehr umfangreichem Maße der Fall. Enthalten sie aber - was nun einmal mitunter in dem kleinen Büchlein „Germania“ auch geschieht - aus heutiger Sicht Negatives, so möchte man ihnen sofort keine Zuverlässigkeit mehr unterstellen. Ein solches Vorgehen wäre doch recht arge Widersprüchlichkeit.

Übrigens wird diese Widersprüchlichkeit aus der umgekehrten Position heraus auf genau die gleiche Weise getätigt: Wie oft ist von seiten der Althistoriker die Zuverlässigkeit der Berichte des Tacitus infrage gestellt worden, weil sich hierdurch so leicht seine Schilderungen über den sittlichen Hochstand der Germanen entwerten lassen würden! (Und wie wichtig mag das in früheren oder heutigen Zeiten so manchem Historiker gegenüber derartigen - vielleicht auch für die eigene Lebenshaltung unbequemen - Schilderungen sein.) Die Schilderungen des Tacitus seien nur ein „Idealbild“ gewesen, das Tacitus der verdorbenen römischen Gesellschaft als Spiegel habe vorhalten wollen. Mit der Wirklichkeit hätten sie nichts zu tun gehabt. Usw. usf.. Da fragt man sich aber ganz unwillkürlich: Warum hat er dann auch so abträgliche Dinge über die Germanen in seine Berichte hinein gesetzt? Etwa aus der noch schlechteren Motivierung heraus, hierdurch seinem Lesepublikum die Berichte glaubwürdiger zu machen? Man würde sich auf solchen Wegen in Widersprüche über Widersprüche verstricken.

Alle, die die Zuverlässigkeit des Tacitus - aus der einen oder anderen Richtung und aus zumeist recht vordergründigen und durchsichtigen Motiven heraus - an jeweils nur ihnen selbst wichtigen Stellen infrage stellen möchten, geraten in unlösbare Widersprüche, wenn sie dann erklären müssen, warum Tacitus an anderer Stellen wieder so arg zuverlässig sein soll. Dies mündet doch recht bald in einer endlosen und fruchtlosen Debatte. Wer bereit ist, in Tacitus einen in selbstverständlichster sittlicher, römischer Tradition stehenden Historiker zu sehen, der seine Wahrheitsliebe gerade nicht durch derartige, ihm unterstellte flache Motivierungen hat herabziehen lassen, der kann für sich keinerlei Gewinn aus derartigen Debatten ziehen.

So weiß jeder, der sie kennt, daß hier nicht geschwatzt und geschwindelt wurde!“


Es wird hier letztlich doch ein ganz anderer Ansatz zu verfolgen sein. Die römische Kultur hat in ihren höchsten Vertretern - und Tacitus gehörte zu ihnen - eine kühle, begeisternde Sachlichkeit, unbestechliche Wahrheitsliebe vertreten, die von keinem nachlebenden Historiker auch je ernstlich hat erschüttert werden können. Aber selbst für sehr kleine und feine Details der Schilderungen des Tacitus, die sich ja tatsächlich reichlich finden und ebenfalls einen Anhaltspunkt hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit geben, finden die Archäologen Belege im archäologischen Material. Dies gilt neuerdings sowohl hinsichtlich der Schilderungen des Tacitus (und anderer römischer Historiker) über die Varusschlacht (4), wie hinsichtlich einer Fülle von in der „Germania“ genannten Details (5).

Es muß ja hier auch einmal festgestellt werden, daß zum Beispiel für Historiker des Faches Völkerkunde die „Germania“ des Tacitus völlig unbezweifelt als eine der vollkommensten und gültigsten Darstellungen innerhalb der langen Geschichte dieses Faches gilt. Als solche hat sie über die Jahrhunderte hin immer wieder auf die Menschen gewirkt und ihre begeisterten Nachahmer gefunden (etwa, um nur ein Beispiel zu nennen: Friedrich Ludwig Jahn). Und sie ist doch wohl dennoch niemals wieder in ihrer einzigartigen römischen Knappheit, mit der so viel Wesentliches treffend charakterisiert wurde, erreicht worden.

Eine Erklärung hierfür läßt sich wohl - widerspruchslos - nur in zwei Dingen suchen: Zum einen in dem von Tacitus dargestellten Gegenstand, nämlich den freien germanischen Stämmen in ihrem kulturell geschlossenen, einheitlichen, konturenreichen Sein. Und zum zweiten im Berichterstatter über dieses Sein: einer ebenso in sich geschlossenen, einheitlichen Persönlichkeit, einem kulturell hochstehenden und konturenreichen Vertreter der großen antik-römischen Kultur.

Für Tacitus gilt das gleiche, was Mathilde Ludendorff für den griechischen Gesetzgeber Solon ausspricht: „Für seine Wahrhaftigkeit bürgt seine ganze Lebensleistung.“ Es gilt für ihn genau das gleiche, was sie über Platon sagt: „Dessen Ernst und Wahrheitwille sind uns auch gut verbürgt.“ Und es gilt für ihn, was sie über Sokrates aussagt: „Und was endlich die Dialoge des Sokrates betrifft, so weiß jeder, der sie kennt, daß hier nicht geschwatzt und geschwindelt wurde, sondern mit ernstem Willen die Wahrheit gesucht wurde.“ (3, S. 1022) Jedes all dieser Worte läßt sich sicherlich ohne Einschränkung auf die Lebensleistung des Publius Cornelius Tacitus angewenden.

In dem folgenden Zitat aus einer neueren Untersuchung (6) wird eine Stelle aus der „Germania“ des Tacitus zitiert, die in dem zur Erörterung stehenden Aufsatz (1) noch nicht angeführt worden war, da die Bedeutung derselben noch übersehen worden war. Zudem werden hier die Bemerkungen des Tacitus noch durch eine ähnliche Bemerkung von Caesar ergänzt. Es wird also hier aus der „Germania“ des Tacitus (26. Abschnitt) angeführt:

Die Germanen freuen sich, wenn sie viel Vieh haben, und das ist ihr einziger und der ihnen willkommenste Reichtum. Denn sie ringen nicht in mühevoller Arbeit um die Fruchtbarkeit und den Umfang ihrer Ländereien. Sie verlangen vom Boden nur, daß er die Getreidesaat aufgehen läßt.“ Die genannte Untersuchung fährt nach diesem Tacitus-Zitat fort: „Eine Abneigung der Germanen gegen mühsame Feldarbeit beschreibt auch Caesar in seinem De bello Gallico. Er meint, daß die Germanen ‚agriculturae non student‘. Sie kümmern sich nicht mit Eifer um den Ackerbau.“ (6, S. 32) (Die Arbeit, die diese Belege bringt, stellt die geringeren Bemühungen der Germanen im Ackerbau noch in einen weiteren geschichtlichen Zusammenhang, der aber hier nicht untersucht werden soll. Er braucht auch für die Zwecke des vorliegenden Aufsatzes gar nicht einmal für gültig angesehen werden [6].)

Das Dogma in sechs Worten.“


Es soll hier noch darauf hingewiesen werden, daß Mathilde Ludendorff in dem oben angeführten Aufsatz „das Dogma in sechs Worten“ - nämlich jenes: „Aus dem Osten kam das Licht“ - nur insoweit zu widerlegen versuchte, wie dies zu ihrer Zeit sachlich geboten erschien. Sie ging dabei keinen einzigen Schritt über die ihr vorliegenden sachlichen Grundlagen hinaus. So hat sowohl Mathilde Ludendorff wie auch Erich Ludendorff geurteilt, wie das weiter unten noch gezeigt werden soll. 

Wenn heute aufgrund von tausenden von naturwissenschaftlichen C-14- und anderen Datierungen von Siedlungsfunden und -befunden rund um die ganze Welt festgestellt ist, daß die Stämme und Völker des Vorderen Orient 5000 Jahre früher als die Stämme der norddeutschen Tiefebene und Skandinaviens zur Seßhaftigkeit und zum Ackerbau übergegangen sind und 9000 Jahre früher als die Völker Nordeuropas Städte gegründet haben, dann sind damit Tatsachen genannt, die als heutiger Stand der Wissenschaft eine Deutung finden müssen. Dafür ist es sinnvoll, sich zunächst von diesen Zeiträumen (5000 und 9000 Jahre) so gut es möglich ist, eine Vorstellung zu machen. Eine solche Vorstellung kann letztlich nur an ein Staunen über diese langen Zeiträume grenzen. Ein Staunen auch, aus dem heraus sich dann noch eine ganze Menge weiterer Folgerungen hinsichtlich unseres Geschichtsbildes ergeben, Folgerungen, deren Bedeutung sich die meisten Historiker und Archäologen selbst bis heute noch nicht bewußt gemacht zu haben scheinen. Das scheint auch der Grund zu sein, warum ihre Kenntnisse bisher so wenig innerhalb von „politisch konservativen“ oder „völkischen“ Kreisen Eingang gefunden haben und zum Nach- und Durchdenken angeregt haben.

Auch der Autor Helmut Schröcke ist in seiner sehr beachtenswerten Studie „Germanen - Slawen. Vor- und Frühgeschichte des ostgermanischen Raumes“ (7) ganz selbstverständlich von dem genannten heutigen archäologischen Forschungsstand ausgegangen. Welche Revolutionierung eines sogenannten traditionellen „völkischen“ Geschichtsbildes in diesem Forschungsstand enthalten ist, hat allerdings auch er leider nicht ausreichend herausgestellt. Es ist hier Gelegenheit, sich klar zu machen, daß ohne „Staunen“, ohne die Bereitschaft zu Ergriffenheit gegenüber einem, wenn auch zu Anfang recht „fremden“, „fremdartigen“ Tatsachen-Bestand die Gefahr besteht, sich in der Folgezeit wieder in die Widersprüche längst vergangener Weltbilder (oder jeglicher Abart para-wissenschaftlichen Unsinns) zu verheddern. Es gibt deshalb keinen Grund, sich zu sehr über den „parawissenschaftlichen“ Unsinn aufzuregen, wohl aber, sich tief - und ohne jede weiteren Zweckgedanken - hineinzuknien in den reichen Wissensstand unserer Zeit.

Jedenfalls kann man es für bemerkenswert halten, daß sich Mathilde Ludendorff auch heute noch ihrer Versuche der Widerlegung des „Dogmas in sechs Worten“ in ihrem Aufsatz „Aus dem Orient kam das Licht“ nicht zu schämen hat. Sie ging in ihren Ausführungen nämlich nie weiter, als der Stand des Wissens ihrer Zeit dies zuließ. - Im weiteren soll aber auch noch Erich Ludendorff zu diesen Fragen behandelt werden. Es mag nämlich erstaunlich sein, daß man selbst bei ihm klare und sachgerechte Ausführungen zu der Thematik des vorliegenden Aufsatzes finden kann.

Erich Ludendorff im „Kirchenkampf“ (1935)


Einige Erläuterungen vorweg: Im Jahr 1935 fühlte sich die katholische Kirche in Deutschland - nach wenigstens zwei Jahren „schwärzester pfäffischer Reaktion“ (Erich Ludendorff) - durch eine völlige Wende in der offiziellen Politik und in der religiösen Stimmung des deutschen Volkes sehr plötzlich - in fast jeder Hinsicht - sehr arg in die Enge gedrängt. Die sogenannte „Kirchenkampf“-Situation während des Dritten Reiches stand in ihrer Schärfe dem „Kulturkampf“ Bismarcks gegen die katholische Kirche 60 Jahr zuvor in keiner Weise nach. Wer ist sich dessen eigentlich heute noch bewußt? Dieser „Kirchenkampf“ von 1933 bis 1945 ist auch, soweit absehbar aus nichtchristlicher Sicht bisher noch nicht einmal in Ansätzen aufgearbeitet worden, während die christlichen Kirchen - natürlich gänzlich aus ihrer eigenen Sicht und Bewertung - eine Fülle von Material und Schrifttum hierzu zur Veröffentlichung ausgewählt haben.

In ganz energischen Stellungnahmen ging damals die katholische Kirche (wie auch die „bekennende“ evangelische Kirche Martin Niemöllers) gegen das sich ausbreitende „Neuheidentum“ innerhalb und außerhalb der nationalsozialistischen deutschen Arbeiter-Partei vor. Dabei wurde, um zum Sieg zu kommen, jede nur denkbare Argumentation dankbar entgegengenommen und ins Feld geführt.

In der Zeitschrift „Am Heiligen Quell Deutscher Kraft“ wies General Ludendorff regelmäßig und kraftvoll jede nur denkbare katholische Argumentation auf diesem Gebiet beharrlich zurück. Hier ging es auch zum Beispiel um die Frage, ob der Hexenglaube des Mittelalters und die mit ihm einhergehende Frauenverachtung mehr christlichen oder mehr heidnischen Ursprungs wäre. Damit wird schon sichtbar, auf welchen Gebieten sich die katholische Kirche damals zu verteidigen veranlaßt gesehen hatte.

Im Dritten Reich war mit dem 1. Mai als „Tag der Arbeit“ ein neuer Feiertag eingeführt worden. Der katholischen Kirche, die sich der Bedeutung von Festen und Feiern ja durch ihre ganze Geschichte hindurch immer stark bewußt gewesen ist, mußte sich natürlich auch hierüber ihre Gedanken machen. Es mußte ihr daran gelegen sein, diesen neuem Feiertag, der vom Ansatz her - wie so vieles damals - zunächst ganz unchristlich motiviert war, in der gewohnten Weise (wie alle anderen älteren heidnischen Feste) eine christliche Deutung zu geben.

Der „Tag der Arbeit“ und die katholische Kirche (1935)


In Folge 5 vom 5. Juni 1935 entgegnete Erich Ludendorff auf solche Versuche in der katholischen Presse (S. 189f):

„Die römische Presse in Deutschland ist bekanntlich Meister darin, alles so zurechtzustutzen, wie es für Papst und Christenlehre vorteilhaft ist. Deutsche, die die Bibel nicht kennen, arbeiten ihr Hand in Hand, was natürlich Rom freudig begrüßt. Wir lesen in der“ (katholischen) „‚Märkischen Volkszeitung’ vom 1. 5. 35 in ‚Vom Ethos der Arbeit’:
Wir freuen uns sehr, gerade am heutigen Tage feststellen zu können, daß die Tatsache Anerkennung gefunden hat, daß das Christentum den sittlichen Wert der Arbeit, auch der körperlichen Arbeit, im Gegensatz zur vorausgegangenen Zeit betont und verteidigt hat. Die >Märkische Volkszeitung< hat am 6. April d. J. in Nr. 97 in zustimmender Weise aus dem >Handbuch für den Beamten im nationalsozialistischen Staat< die Schrift von Professor Dr. Laum >Deutsche Wirtschaftsgeschichte< zitiert. Wir wiederholen heute aus dieser Broschüre folgende Sätze: >Nichts zeigt deutlicher als diese Verknüpfung (des Ora et labora), wie hoch die körperliche Arbeit gewertet wurde. Griechen und Römer verachteten die Handarbeit. Nicht anders der freie Germane der Vorzeit. Durch das Christentum wird sie wieder geadelt. Jesus und seine Jünger stammen aus handwerklichem Milieu. Sie verkünden den sittlichen Wert der Arbeit. (...) Kein Zweifel - fährt Laum fort -, daß wir Arbeitsehre und Arbeitsordnung dem Christentum verdanken, daß das Arbeitsethos des deutschen Menschen in seinem Ursprung christlich ist.<‘“

Ludendorff fährt nach diesem Zitat fort: „Wir glauben gern, daß die ‚Märkische Volkszeitung’ mit solchen Auffassungen sehr einverstanden ist. Allerdings sind wir Heiden über den christlichen ‚Ethos der Arbeit’ recht anderer Ansicht, ganz abgesehen davon, daß die Ahnen, die freien Germanen der Vorzeit, Ackerbauern waren und sich durch Arbeit Lebensunterhalt verschafften.“ An Bibelzitaten weist General Ludendorff dann ganz richtig nach: „In der heiligen Schrift der Juden und Christen ist die Arbeit kein Ethos!“

Diese - typischerweise sehr widersprüchlichen - Bibelzitate, die Erich Ludendorff bringt, sollen an dieser Stelle nicht alle aufgeführt werden. Arbeit gilt in ihnen unter anderem als Strafe für den Sündenfall. Das ist katholische Auffassung. Im Protestantismus kann im Gegensatz dazu der Mensch nicht durch „gute Werke“ das Seelenheil erringen. Hier ist ein gewaltiger Schritt vorwärts, weg vom Lohn- und Strafdenken getan, wie dies auch Mathilde Ludendorff in ihrem grundlegenden philosophischen Werk „Triumph des Unsterblichkeitwillens“ anerkannt hat (8, S. 238f). Erich Ludendorff sagt also nicht: Im Christentum ist die Arbeit kein Ethos. Vielmehr sagt er: „Daß im übrigen die Priester Arbeit gern sehen, ist ganz selbstverständlich. Sie leben von dieser Arbeit.“ Natürlich war das auch Polemik.

Gerade weil in der Bibel die Arbeit kein Ethos ist, hatten ja auch Benediktus, Augustinus und so viele andere Kirchenführer zu Anfang so viel Mühe, ihre Mönche zu dem erst sich in ihrer Zeit und durch sie sich herausbildenden „mönchischen Arbeitsethos“ des Abendlandes zu bewegen. Es entstand damals etwas völlig Neues und Einzigartiges in der Menschheitsgeschichte. Mit dieser Tatsache setzen sich die Aussagen Erich Ludendorffs nicht in Widerspruch. Auch von Mönchstum steht ja nichts in der Bibel. Dieses „christliche Arbeitsethos“ ist also entstanden in der Auseinandersetzung des griechischen und des römischen Volkes, sowie der in den Mittelmeerraum zugewanderten germanischen Völker mit vorderasiatisch-orientalischen Glaubenslehren.

Erich Ludendorff über die „auf Bärenfellen faulenzenden Germanen“


Auch Erich Ludendorff weist in seiner Widerlegung nur darauf hin, daß die Germanen so viel arbeiteten, wie zu ihrem Lebensunterhalt - in einem bäuerlichen Volk mit geringer Siedlungsdichte - notwendig war. Er sagt nicht, daß sie sehr viel darüber hinaus taten. Sondern in einem zwei Jahre später niedergelegten Beitrag weist er sogar ganz ausdrücklich auf diesbezügliche Schwächen bei den Germanen hin. Er schreibt dies in einer Zeit, in der man gerade begann, durch die Betonung von Schwächen der heidnisch-germanischen Mentalität (die bei Bevölkerungswachstum fast zwangsläufig zu Imperialismus führen muß), das deutsche Volk in einen neuen Krieg und damit - nach der Meinung Ludendorffs - in den Untergang zu führen. (Stichwort: „Volk ohne Raum“ und anderes.) Zwei Vorbemerkungen sind zu dem folgenden Ludendorff- Zitat notwendig:

1. Wenn in ihm von „deutschem“ Lebenswillen im 4. und 5. Jahrhundert die Rede ist, so nur, um damit die Parallelen zu den Zeitverhältnissen der 1930er Jahre klarer herauszustellen. Im 4. und 5. Jahrhundert gab es natürlich nur germanische Stämme. Der Begriff „deutsch“ und das mit ihm werdende „deutsche Volk“ entstand, wie ja klar festgestellt ist, im 9. Jahrhundert.

2. Es ist darauf hinzuweisen, daß wenn General Ludendorff von „Rasseerbgut“ schreibt, er damit jenes Phänomen meint, das Mathilde Ludendorff in ihren philosophischen Werken die „Volksseele“ genannt hat. Mit diesem Phänomen „Volksseele“ darf man es sich nicht zu einfach machen. Ihr Dasein und ihre Überlebensgesetze können aus Sicht der modernen Altruismus-Forschung recht genau charakterisiert und neu durchdacht werden (etwa anhand der "gruppenevolutionären Strategien" des Kevin MacDonald).

Jedenfalls schreibt Erich Ludendorff in der Quell-Folge vom 20. April 1937, wenige Monate vor seinem Tod öffentlich, wovor er den Staatsführer des Dritten Reiches Adolf Hitler im persönlichen Gespräch am 30. März (also nur ein paar Tage zuvor) vertraulich gewarnt hatte (vgl. den 3. Band seiner Lebenserinnerungen) - nämlich vor Imperialismus mit deutschen Truppen bis vor die Tore Indiens (9, S. 49):

... Wieder trieb in der sogenannten Völkerwanderung im 4. und 5. Jahrhundert deutscher“ (lies: germanischer) „Lebenswille, wieder gepaart mit den Eigenheiten unseres Rasseerbgutes, auch gepaart mit dem Wunsche, Lebensbedingungen zu entgehen, die den Stammesgeschwistern dem Rasseerbgut“ (lies: der Volksseele) „widersprechende, mühsame Arbeit für des Lebens Unterhalt auferlegte, Stämme aus der nordischen Heimat. Sie drangen - wieder über die russischen Steppen und auf anderen Wegen - in die Balkaninsel, nach Italien, weiter nach Gallien (Frankreich) und Spanien hinein, ja nach Nordafrika vor.“ Vor solchen Wegen des Volksunterganges wollte General Ludendorff in dem einzigen Artikel, den er in seinem ganzen Leben aus Anlaß des Geburtstages von Adolf Hitler geschrieben hat, warnen. Er wollte damit also genau vor jenen Gefahren warnen - oder doch zumindest zum Nachdenken über dieselben auffordern -, von denen er wußte, daß sie von dem Mann und der Bewegung ausgingen, zu deren öffentlicher Ehrung alle Publikationsorgane während des Dritten Reiches aufgefordert waren, Artikel erscheinen zu lassen. Diese Warnung konnte unter Diktatur, Zensur und Geisteszwang nur in jener angeführten Art „zurückhaltender Offenheit“ geschehen, mit der sich General Ludendorff in jener Zeit über die ihm wesentlichsten Themen äußerte.

Es ist also nicht anders denkbar: Erich Ludendorff kannte seinen Tacitus und nahm ihn wörtlich. (Siehe oben angeführtes Tacitus-Zitat.) Gerade weil „mühsame Arbeit“ der Mentalität der heidnischen Völker, der Griechen, Römer und Germanen so widersprach, hatten ja auch Augustinus und Benediktinus so viel Mühe, ihr Arbeitsethos in den Klöstern durchzusetzen. Anfangs wollte man dort so leben, wie dies in den gebildeten Schichten der damaligen Zeit im Mittelmeer-Raum üblich war, nämlich mit sehr viel Müßiggang und ohne Handarbeit. - Wie es heute bezüglich des Zusammenhangs von "mühsamer Arbeit" und "Volksseele", bzw. Volkscharakter bestellt ist, darüber muß sich nun jeder Leser zunächst einmal seine eigenen Gedanken machen. Die Deutschen und die anderen Völker der Nordhalbkugel gehören heute zu den fleißigsten Arbeitern des Weltkapitals. Ob sie aber ihre Arbeitskraft ausreichend in den Dienst der Volkserhaltung stellen, darf dahin gestellt bleiben. Hier wird sicher jeder Deutsche immer wieder einmal Anlaß haben, mit sich selbst sehr ernst zu Gericht zu gehen. Und zum Nachdenken darüber wollte auch Erich Ludendorff anregen.

Im weiteren Verlauf seiner Abhandlung weist er dann auf die Vernichtung der jeweiligen - unter anderem wegen ihrer Arbeitsunlust - ausgewanderten germanischen Völker hin. Dieser jeweiligen Vernichtung wird die Aufbauarbeit und der Abwehrkampf der Deutschen in ihrer Heimat in der Auseinandersetzung mit vorderasiatischem Geistesgut, wie sie sich bis zum Jahr 1937 gezeigt hatten, gegenübergestellt (9).

Untergang des gotischen Volkes


Den völlig gleichen Gedankengang hat Hermin Leupold nach dem Tod Werner Preisingers in der von diesem begründeten Zeitschrift „Die Deutsche Volkshochschule“ herausgestellt, als hier auf einer Tagung (des Vereins dieser Zeitschrift) Kulturäußerungen und Lebensgeschichte des Volkes der Goten behandelt worden waren (10, 11). Hier waren die klaren und eindeutigen Ausführungen Mathilde Ludendorffs zu der Thematik des vorliegenden Aufsatzes wiedergegeben worden (11, S. 21- 23; 12, S. 224-227).

Abschließend seien noch einmal die in „Wurzelt unsere Zeit in der vormittelalterlichen Welt?“ angeführten Tacitus-Stellen im Wortlaut gebracht. Im 14. und 15. Abschnitt der „Germania“ heißt es:

„Und nicht so leicht könnte man einen Germanen dazu bringen, das Feld zu bestellen und die Ernte abzuwarten, als den Feind herauszufordern und sich Wunden zu holen; es gilt sogar für träge und schlaff, sich mit Schweiß zu erarbeiten, was man mit Blut erringen kann.
Wenn sie nicht zu Felde ziehen, verbringen sie viel Zeit mit Jagen, mehr noch mit Nichtstun, dem Schlafen und Essen ergeben. Gerade die Tapfersten und Kriegslustigsten rühren sich nicht. Die Sorge für Haus, Hof und Feld bleibt den Frauen, den alten Leuten und allen Schwachen im Hauswesen überlassen; sie selber faulenzen. Ein seltsamer Widerspruch ihres Wesens: dieselben Menschen lieben so sehr das Nichtstun und hassen zugleich die Ruhe.“

Und im 4. Abschnitt heißt es: „Für Strapazen und Mühen bringen sie nicht dieselben Ausdauer auf, und am wenigsten ertragen sie Durst und Hitze; wohl aber sind sie durch Klima oder Bodenbeschaffenheit gegen Kälte und Hunger abgehärtet.“

Die mangelnde Disziplin der Germanen im Gemeinwesen wie im militärischen Bereich kann wohl ebenfalls auf die gleiche Wurzel wie ihre mangelnde Arbeitsdisziplin zurückgeführt werden. So heißt es etwa über ihre Volksversammlungen im 11. Abschnitt (13): „Ihre Ungebundenheit hat eine üble Folge: sie finden sich nie gleichzeitig und nicht wie auf Befehl zur Versammlung ein; vielmehr gehen über dem Säumen der Eintreffenden zwei oder drei Tage verloren.“

Wie "mühsame Arbeit" in Bezug auf Volks- und Gotterhaltung weiter vorangetrieben werden kann, darüber sollte mit großem Nachdruck nachgedacht werden in den Völkern der Nordhalbkugel in der großen Lebenskrise, in der sie heute stehen.

Erich Meinecke

 

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/ hier eingestellt am 27.6.17 in überarbeiteter Form;
erschien zuerst in MuM, 9.12.2001 /

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Schrifttum:
  1. Meinecke, Erich: Wurzelt unsere Zeit in der vormittelalterlichen Welt? Eine Betrachtung und Besinnung. In: Mensch und Maß, Folge 14, 23. 7. 2000, S. 625-638, auch auf: Lulu.com, Sept. 2011
  2. Weiß, Anne: Leserbrief zu "Wurzelt unsere Zeit in der vormittelalterlichen Welt?" Erich und Mathilde Ludendorff über die Arbeitsethik der heidnisch-germanischen Vorfahren. In: Mensch & Maß, Folge 16, 23.8.2000, S. 766-768
  3. Ludendorff, Mathilde: „Aus dem Orient kam das Licht“. In: Der Quell, Folge 22, 23. 11. 1955, S. 1017-1023
  4. Meinecke, Erich: Ein freuriger, germanischer Fürst stoppt das römische Weltreich. Die Varusschlacht des Jahres 9. (2. Teil) In: Mensch und Maß, Folge 17, 9. 9. 2000
  5. Perl, Gerhard: Interpretationen der Germania des Tacitus mit Hilfe römischer Denkmäler. In: Das Altertum, Vol. 39/1993, S. 99-116
  6. Braasch, Dieter: Pharaonen und Sumerer - Megalithiker aus dem Norden. Hinweise aus Biologie und Technik zum Ursprung früher Hochkulturen. Grabert-Verlag, Tübingen 1997
  7. Schröcke, Helmut: Germanen - Slawen. Vor- und Frühgeschichte des ostgermanischen Raumes. Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur. Viöl (2. Aufl.) 1999
  8. Ludendorff, Mathilde: Triumph des Unsterblichkeitwillens. Verlag Hohe Warte, Franz von Bebenburg, Pähl 1959
  9. Ludendorff, Erich: Deutscher Lebenswille in der Weltgeschichte. Eine Betrachtung zum 20. April 1937 In: Am Heiligen Quell Deutscher Kraft. Folge 2, 20. 4. 1937, S. 49-53
  10. ohne Verfasser: Herbsttagung der Deutschen Volkshochschule. In: Die Deutsche Volkshochschule, Folge 53, Januar 1988, S. 20-22
  11. ohne Verfasser: Nachtrag zu Geschichte, Kultur und Weltanschauung der Goten. In: Die Deutsche Volkshochschule, Folge 55, Mai 1988, S. 18-23
  12. Ludendorff, Mathilde: Die Volksseele und ihre Machtgestalter. Eine Philosophie der Geschichte. Verlag Hohe Warte, Franz von Bebenburg, Pähl 1955
  13. Tacitus, P. Cornelius: Germania. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt, erläutert und mit einem Nachwort herausgegeben von Manfred Fuhrmann. Reclam-Verlag, Stuttgart 1985

Freitag, 9. März 2001

Volk, Gott und Erkenntnistheorie aus der Sicht von Naturwissenschaft und Philosophie

Absteckung eines Argumentations-Rahmens


Die vorliegende Abhandlung ist die Zusammenfassung eines Seminars, das auf einer Akademie der bündischen Jugend gehalten wurde. Als eine Zusammenfassung gibt sie nur eine einführende Auswahl von Schrifttums-Nachweisen. Detaillierteres findet sich an anderer Stelle (1).

In einem grundlegenderen Artikel der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (2) wurde vor nunmehr zwei Jahren von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus die Lebenssituation und -einstellung jener Generation recht flott erläutert, die derzeit in die verantwortlichen Positionen von Staat, Gesellschaft und Familie einrückt. „Auf ein ‚Höheres‘,“ so gipfeln die Ausführungen hier, „heiße es Gott, Vaterland oder zukünftige Gesellschaft, ... lassen sich die Leute nicht mehr ein.“ (3) Es gehe, so wird anschaulich erläutert, nur noch um Geld, Geld und nochmals Geld und um die entsprechenden, damit verbundenen Probleme im Wirtschaftsleben.

Die (ehemalige) Kultur-Redakteurin der genannten Zeitung war es, die eine solch krude Bilanz zog, Angelika Willig, promovierte Philosophin, Jahrgang 1963. Man könne, so erläutert sie anhand leidvoller persönlicher Erfahrung, „trotz Philosophiestudium“ nichts „Brauchbares zur politischen Theorie der Rechten“ mehr zu Papier bringen. Deshalb sei es an der Zeit, so die Autorin, auf den Boden der Wirklichkeit zurückzukehren und den „Abschied von Rechts“ zu feiern. Mit jenen Worten ist denn auch ihr Artikel betitelt.


Titelseite der Zeitschrift "Die Deutsche Volkshochschule", Folge 72, März 1991
(Holzschnitt "Kant" von Ernst von Dombrowski)
(In der Folge ist der Aufsatz enthalten
"Wie sind die menschlichen Denk- und Erlebnisfähigkeiten zustande gekommen?")

Verständlicherweise riefen derartige Ansichten, geäußert gerade in dieser Zeitung, lebhafte Leserbrief-Reaktionen hervor. Doch schien kaum einem all derjenigen, die sich so engagiert an die Seite Angelika Willigs stellten oder ihr widersprachen, bewußt zu sein, wie präzise ihre Situationsbeschreibung ins Herz unserer Zeit traf und welch eine Bankrott-Erklärung durch eine solche Charakterisierung damit unter anderem auch jene philosophische Traditionslinie zu verzeichnen hat, die grob gesprochen mit dem Ausdruck „Konservativen Revolution“ gekennzeichnet wird. Auf der anderen Seite aber scheint niemandem der sich an dieser Diskussion Beteiligenden bewußt zu sein, wie wenig Berechtigung es für eine Bankrott-Erklärung der Philosophie gerade in unserer heutigen Zeit gibt.

Dieser Umstand soll in den folgenden Ausführungen erläutert werden - jedoch nur umrißhaft. Fast alle angesprochenen Themengebiete können nur angerissen werden, ohne daß sie ausführlicher erläutert sind. In den vorliegenden Ausführungen kommt es lediglich auf einen Gesamtüberblick, auf die Absteckung eines Argumentationsrahmens an: Findet eine Haltung wie diejenige, sich nicht mehr „auf ein ‚Höheres‘“ einzulassen, eine Entsprechung in dem reichen Wissensstand unserer Zeit?


Die Gesamtheit, Totale der menschlichen Erfahrungsmöglichkeit


Vor allem in den USA und Frankreich hat es in den letzten Jahren Auseinandersetzungen im philosophischen Bereich gegeben, die doch so manche Kratzer auch an dem Ansehen so einiger, früher als „bedeutend“ erachteter, „postmoderner“ (oder auch „existentialistischer“) oder auch politisch „links“ ausgerichteter Philosophen und ihnen folgender Literaten zurückgelassen haben (3-5, vgl. auch: 6).

Diese Eröterungen nahmen ihren Ausgangspunkt unter anderem von Gefühlen, von Gefühlen einer etwas tieferen Erregtheit, einer etwas tieferen Unruhe, die nicht ganz unberechtigt zu sein scheinen, wenn man sie in Sätzen wie dem folgenden formuliert hört: „Während um uns herum eine überbevölkerte Welt aus den Nähten platzt, blutige Kriege toben, fanatischer Terrorismus sich breit macht, wachsende Arbeitslosigkeit und soziale Gegensätze unerträglich werden, lebenswichtige Ressourcen verschmutzen oder versiegen, behaupten nicht wenige Philosophen, daß es diese uns so sehr bedrängende Wirklichkeit, recht besehen, gar nicht gebe.“ (3) - Doch: Beginnen wir anders.

In der klassischen griechischen Antike ist Philosophie einmal definiert worden als „logo di donai“, das heißt, als „sich Rechenschaft geben über“, sich Rechenschaft geben über die allgemeinsten Fragen unseres Seins, unseres Lebens, unserer persönlichen, individuellen Situation und der Situation der Menschheit insgesamt in diesem Weltall und auf dieser Erde.

Von vielen Philosophen - besonders betont aber von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) - ist die These vertreten worden: Die Wahrheit ist das Ganze, kann nur das Ganze sein. Wenn ich nur Teilbereiche all dessen betrachte, worüber ich mir überhaupt Rechenschaft ablegen kann, gerate ich in die Gefahr einseitiger Beurteilung, verzerrter Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Aus diesen beiden Gedanken kann die Schlußfolgerung gezogen oder Forderung aufgestellt werden, daß die Untersuchung der Herkunft, Qualität und Reichweite des menschlichen Erkenntnisvermögens immer und jederzeit parallel gehen muß zu dem, was von diesem Erkenntnisvermögen erkannt werden kann, was Gegenstand dieses Erkenntnisvermögens sein soll, also parallel gehen muß mit der Untersuchung der Gesamtheit, Totale der menschlichen Erfahrungsmöglichkeit.

Verschiedene Arten menschlicher Erkenntnis


In der Regel werden zwei verschiedene Arten der Erkenntnisgewinnung unterschieden, die Erkenntnisgewinnung in den Naturwissenschaften und diejenige in den Geisteswissenschaften. In den Naturwissenschaften steht vor allem die Logik, das Einordnen des Forschungsgegenstandes in die menschlichen Denkformen Raum, Zeit und Ursächlichkeit im Vordergrund des Forschens, der Erkenntnisgewinnung. In den Geisteswissenschaften steht die Methode des „Erlebens“, des „Nacherlebens“, des „Verstehens“ im Vordergrund der Erkenntnisgewinnung. Diesen Unterschied hat vor allem der Philosoph Wilhelm Dilthey (1833-1911) ausführlich umsonnen, um zu einer eigenständigen Begründung der Geisteswissenschaften als Wissenschaften zu gelangen. Tatsächlich reicht ja für die Erforschung der „Ursachen“ von Kunstwerken, politischen Handlungen, von Dichtung und so weiter ein einfaches Einordnen des jeweils erforschten Gegenstandes in Zeit und Raum (wie dies in den Naturwissenschaften geschieht) keineswegs aus.

Erkenntnisgewinnung über die Methode des Erlebens, des Nacherlebens enthält wesentlich mehr subjektive Elemente, als dies für die Erkenntnisgewinnung im Bereich der Naturwissenschaften gesagt werden kann. Als eine Folgerung aus dieser Tatsache hat sich unter Geisteswissenschaftlern auch die Einsicht in die Notwendigkeit von persönlichen Reifungsprozessen für eine adäquate Art des Verstehens (des Nacherlebens) und der Beurteilung von Geisteswerken (Kunstwerken und vieles andere) herausgestellt. Mit dieser Einsicht wird Selbstbescheidung, der Wille zu wissenschaftlicher und persönlich-subjektiver Redlichkeit, auch methodischer Sauberkeit wesentlicher Bestandteil des „Ethos“ des Geisteswissenschaftlers.

Intuition


Der Erlebnischarakter der Erkenntnisgewinnung im Bereich der Geisteswissenschaften wird auf die Spitze getrieben im Bereich der Erkenntnisgewinnung durch Intuition, der plötzlichen und spontanen intuitiven Erfassung von Zusammenhängen, nachdem sich der Forscher lange Zeit intensiv mit einem bestimmten Gegenstand oder Gegenständen der Erkenntnis beschäftigt hat.

Es ist allerdings eine mehr oder weniger vorhandene Selbstverständlichkeit in den Wissenschaften, deren Bedeutung sich die meisten Menschen nur selten wirklich ausreichend klar machen, daß auch in den Naturwissenschaften dem intuitiven Erfassen von Erkenntnis-Zusammenhängen eine sehr wesentliche Bedeutung zuzusprechen ist. Auch in den Naturwissenschaften hat „Erlebnishaftes“ und über das rein Logische Hinausgehendes Anteil an den meisten Erkenntnisprozessen und an der Begeisterung der Forscher für ihren Forschungsgegenstand (vgl. etwa: 7, S. 177).

Dieser Umstand ist ablesbar an der Erfahrung der (natur)wissenschaftlichen Praxis und an vielerlei Erlebnisberichten vor allem der genialeren, bedeutenderen Naturwissenschaftler im 20. Jahrhundert. Viele, vielleicht sogar die Mehrheit der heutigen Nobelpreisträger und Sachbuchautoren geben hierüber Auskunft (zur Einführung sehr geeignet etwa: 8, 9). Umgekehrt ist natürlich darauf hinzuweisen, daß in den Geisteswissenschaften das streng logische Einordnen der Gegenstände der Erkenntnis - wie etwa Kunstwerke - in Raum und Zeit natürlich eine ebenso notwendige Voraussetzung für Erkenntnis ist. Auch wenn dies hier im Forschungsalltag meist nicht so stark vorherrschend ist wie in den Naturwissenschaften.

Das Kernargument der vorliegenden Ausführungen


Es folgt nun das Kernargument der vorliegenden Ausführungen. 150 Jahre lang ist Naturwissenschaft als der strengste „Beweis“ oder doch Hinweis auf das Nichtvorhandensein Gottes in der Welt seitens der breiteren Öffentlichkeit und vieler Naturwissenschaftler aufgefaßt worden. Genau diese Haltung bestimmt auch - als kaum hinterfragte Selbstverständlichkeit - etwa die Ausführungen Angelika Willigs (2). Naturwissenschaft wurde als genauso lebenskalt und lebensfern angesehen wie die Technik. Nicht zuletzt hat sich ja auch die Naturwissenschaft in sehr engem Wechselspiel mit der Entwicklung der Technik emanzipiert.

Doch dieser bisherigen Einschätzung ist nun das folgende entgegen zu halten: Gerade seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vollzieht sich auf fast allen Gebieten der Naturwissenschaften ein kumulativer Prozeß der Wissenserweiterung, der schlußendlich gerade und ausgerechnet die besonders „kalt-mathematisch“, „abstrakt-gefühllos“ denkenden Physiker zu der Einsicht zurückbringt, daß es in der uns umgebenden und naturwissenschaftlich erforschbaren Wirklichkeit Bereiche gibt, die prinzipiell nicht vollständig in die menschlichen Denkformen von Raum, Zeit und Ursächlichkeit einzuordnen sind, daß hier prinzipielle Grenzen des naturwissenschaftlichen Denkens und Forschens erreicht sind.

Hier hat eine Revolution im Bereich der Naturwissenschaften stattgefunden, die das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften bisher nur in flüchtigstem Maße angehaucht, doch kaum tiefergehender erfaßt hat. Zunächst hat dieser Umstand viele Wissenschaftler und auch das „Laien-Publikum“ zutiefst „geärgert“ und ärgert sie auch heute immer noch: daß da plötzlich ganz fremdartige, dem Alltagsverstand so gänzlich unzugängliche, „unanschauliche“ Bereiche der Wirklichkeit vorhanden sein sollen, die sich einer vollständig raum-zeitlichen Erfassung der uns umgebenden Wirklichkeit sperren.

Gott würfelt nicht!“


Als ein berühmtes Beispiel kann etwa Albert Einstein mit seiner heute längst als überholt erkannten Kritik an den quantenphysikalischen Erkenntnissen Werner Heisenbergs angeführt werden. Einstein sagte in einer frühen Reaktion auf diese: „Gott würfelt nicht.“ Heute dagegen ist die Physik über solch „einfache“ Schwierigkeiten beim Verständnis der Natur schon längst hinweg gegangen! Den Stand des heutigen Forschens versuchte der Physiker und Nobelpreisträger Stephen Hawking einmal - im Anschluß an seinen Vorgänger Einstein - mit dem „Bonmont“ gerecht zu werden: „Manchmal wirft Gott die Würfel so, daß man sie nicht einmal sehen kann!“

Zu diesen beiden Aussprüchen ist sicherheitshalber zweierlei anzumerken: Erstens hat man auch schon die - nicht vollständig vorausberechenbaren - Quantensprünge Heisenbergs nicht im trivialen Sinne „sehen“ können. Zweitens sind mit solchen Formulierungen - sowohl Einsteins wie Hawking’s - natürlich keinerlei Vorstellungen von einem persönlichen Schöpfergott mehr verbunden (10, 8).

Dennoch erscheint es interessant, daß viele Physiker in diesem Bereich immer wieder auf jenen naheliegenden „Vorstellungsbereich“, der insgesamt mit dem Wort „Gott“ verbunden ist, zurückgreifen. Und sei es auch nur in halb scherzhafter, halb ernsthafter, aber nie nur ironischer Weise.


Prinzipielle Schwierigkeiten für menschliches Erkennen in den Grenz- und Neugestaltungs-Bereichen von Raum, Zeit und Materie


Diese Zusammenhänge, die an dieser Stelle nur kurz angedeutet werden können, sind vor allem deutlich geworden in dem räumlich allerkleinsten erforschbaren Bereich (Mikrokosmos, Atomtheorie, Quantenphysik) wie auch in dem räumlich allergrößten erforschbaren Bereich (Makrokosmos, Universum, Relativitätstheorie). Und ebenso in dem zeitlich entferntesten Bereich (nämlich dem Urknall vor ungefähr 15 Milliarden Jahren, als das Weltall, der Raum, die Zeit und alle Materie, die Naturkonstanten und Naturgesetze - aus dem Nichts - entstanden!).

In all diesen Forschungsbereichen ist deutlich geworden, daß das naturwissenschaftliche Denken grundsätzlich an - vor allem genau und präzise zu definierende - Grenzen gestoßen ist und daß das Weltall und alles Sein tatsächlich von naturwissenschaftlich Nichterkennbarem überall und fundamental durchdrungen ist. Wer an dieser Stelle sagt, das hätte man immer schon wissen können, beachtet nicht, welche Folgen die Auswirkungen des „Laplace’schen Dämons“ auf die gesamte Kulturentwicklung der beiden letzten Jahrhunderte hatte.

Der französische Naturforscher Pierre Simon Laplace (1749-1827) war der Meinung, alles Wirkliche würde früher oder später auch von der menschlichen Logik durchdrungen werden können. „Sire, der Hypothese ‚Gott‘,“ antwortete er stolz und hochfahrend auf eine ausnahmsweise einmal bescheidenere Anfrage Napoleons hin, „der Hypothese ‚Gott‘ bedürfen meine Theorien nicht.“ Dieser kaltschnäuzigen Haltung ist sicherlich ein Großteil der eindrucksvollen Erfolge der Naturwissenschaften bis in unsere Zeit hinein zu verdanken. Heutige Naturforscher und Sachbuchautoren weisen aber gern auf diese überholten „Selbstverständlichkeiten“ aus dem 19. Jahrhundert hin, um aufzuzeigen, welche Veränderungen sich gegenwärtig in unserem Naturverständnis vollziehen.

Denn inzwischen hat sich auch schon für viele Erkenntnisobjekte unseres „Alltagsverstandes“, also des „Mesokosmos“, die derzeit vor allem von der sogenannten „Chaosforschung“ und ähnlichen Richtungen untersucht werden, der Laplace’sche Übermut als durchaus zu weit gehender Hochmut erwiesen. So können zum Beispiel für den räumlichen und zeitlichen Beginn eines so einfachen Kristallisationsprozesses wie den von Wasser zu Eis Zeit und Ort nicht exakt und präzise vorhergesagt werden - und zwar, was hier wichtig ist: prinzipiell nicht (Physik von „Nicht-Gleichgewichtssystemen“) (1).

Philosophische Weiterentwicklungen seit Kant, die sich weitgehend nahtlos in das moderne naturwissenschaftliche Weltbild einfügen


Diese Erkenntnislage könnte reichste Gelegenheit für die Geisteswissenschaften und die Philosophie (einführend etwa: 11) bieten, ihre uralten Fragen anhand des neu aufgeklärten Tatsachenmaterials völlig neu – und sozusagen „gereift“, in einer zeitgemäßen Weise - und zudem vor allem: konsensbildend zu überprüfen und zu klären.

Alle neuere Philosophie nimmt in der am wenigsten umstrittenen Weise ihren Ausgangspunkt von Immanuel Kant (1724-1804). Von der Grundlage des heutigen naturwissenschaftlichen Weltbildes her können die Erkenntnisfortschritte in der Philosophie seit Kant ungefähr wie folgt erläutert werden.

Zunächst ist festzustellen, daß das Erkennen der grundsätzlichen Grenzen des physikalischen Forschens als eine klare Bestätigung der großen philosophischen Intuition Immanuel Kants angesprochen werden kann, deren Leistung es ist, gerade diese Grenzen der menschlichen Vernunft herausgearbeitet zu haben. Dies leistete Kant noch ganz ohne unser heutiges Wissen um die evolutionäre Herkunft unseres Erkenntnisvermögens und ohne unser heutiges physikalisches Wissen. Hierbei handelt es sich aber um eine Bestätigung, die gerade von vielen eingefleischten „Kantianern“ lange Zeit keineswegs so recht verstanden worden war - wohl im Grunde, weil sie zu einfach und zu schlicht die Kantischen Erkenntnisse bestätigte. Sie war also, dies bleibt festzuhalten, nicht im mindesten vorausgesehen worden und ist auch von niemandem in dieser Weise erwartet worden.

Es haben nun Philosophen wie Nicolai Hartmann (1882-1950), Mathilde Ludendorff (1877-1966) und Konrad Lorenz (1903-1989), sowie Verhaltensbiologen wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt (geb. 1928) die genannte grundlegende Wende in der Entwicklung der Naturwissenschaft, die sich nach 1900 angebahnt und nach 1945 allmählich zur vollen Blüte entfaltet hat, aufgenommen. Sie haben die sich daraus ergebenden Erkenntnisverhältnisse zu dem übrigen menschlichen Wissen und Erleben und den kulturellen Erfahrungen in ein, wie deutlich werden könnte, hinreichend adäquates Verhältnis gesetzt.

Heute gültige Zugänge zum „meta-physischen“ Bereich


Jene Welt, die jenseits der menschlichen, naturwissenschaftlichen Vernunft liegt, ist von Immanuel Kant mit dem Ausdruck „Ding an sich“ benannt worden. Dieser Bereich wird von der Philosophie seit dem griechischen Philosophen Aristoteles auch als der „metaphysische“ Bereich angesprochen. Immanuel Kant siedelte in diesem Bereich die Lösungen über die Fragen nach „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ an, die die Menschheit immer schon umsonnen hat. Kant selbst hat den Zugang zu dieser metaphysischen Welt (die er, wie angedeutet, klar von all dem abgrenzte, was von der Vernunft erkennbar ist) vor allem im Bereich des Moralischen gesucht. Dabei hat Kant unter anderem seinen berühmten „kategorischen Imperativ“ entwickelt.

Der Philosoph Friedrich Schiller (1759-1805) hatte die Philosophie Immanuel Kants begeistert aufgenommen und einige in ihr liegenden „Verrenkungen“ im Bereich der Moral, besonders aber im Bereich der Ästhetik gerade gerückt und vom Standpunkt des selbst schaffenden Künstlers aus nun gültiger geklärt. Schiller, dessen Einfluß auf die deutsche und abendländische Kulturentwicklung ja auch heute noch gar nicht vollständig übersehbar ist (denn das Einflußreichste ist oftmals das Verborgenste), hat vor allem das Schönheitserleben des Menschen (die Ästhetik) als den wesentlichsten Zugang des Menschen zum sogenannten „Ding an sich“, zum „metaphysichen“ Bereich herausgestellt.

Der „hypothetische Realismus“ von Nicolai Hartmann, Konrad Lorenz und Mathilde Ludendorff (7, 12, 13) hat dann auch für den Bereich der Erkenntnis des „Wahren“ anerkannt, daß das „absolut Wahre“ über diese Welt gerade nicht in den Grenzen der rein logisch-naturwissenschaftlich denkenden Vernunft gefunden werden kann. Nach ihm können wir unsere Welt - letztlich - nur „hypothetisch“ als „real“, „wirklich“, „wahr“ erkennen. Jedoch kann - entsprechend eines weiterführenden Gedankenganges - dem hypothetischen Charakter aller Wahrheits- und Wirklichkeitserkenntnis aufgrund aller Begleitumstände eine sehr große Wahrscheinlichkeit zugesprochen werden, tatsächlich „wahr“, „real“ und so weiter zu sein.

Neue Gesamtdeutung der alten platonischen Trias


Die Naturwissenschaft, unter anderem die Soziobiologie, die Evolutionäre Anthropologie und Evolutionäre Psychologie liefern gegenwärtig fortlaufend Neuerkenntnisse über die evolutionären Ursprünge der drei soeben genannten menschlichen Denk- und Erlebnisbereiche, die seit dem griechischen Philosophen Platon mit den Worten „das Wahre, das Gute und das Schöne“ umschrieben werden (Erkenntnistheorie, Moral und Ästhetik).

Damit sind an dieser Stelle nur äußerst knapp die philosophischen Fortschritte nach Immanuel Kant angerissen worden. Sie werden verdeckt durch zahlreiche, heute gut aufzeigbare fehlerhafte Grenzüberschreitungen der Kantischen Vernunftgrenzen durch die philosophische Richtung des „Deutschen Idealismus, die in erster Linie für die tiefe Zerklüftung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften seit mehr als 150 Jahren verantwortlich zu machen sind (13, S. 26-33; 1). Mit den genannten Fortschritten jedoch gelangt man gerade von der Naturwissenschaft her zurück zu einer modern-gereiften, philosophisch überzeugenden, ja fast als allgemein verbindlich anzusprechenden Gesamtdeutung dieser alten (platonischen) Trias vom Wahren, Guten und Schönen als den Urgrundprinzipien allen Seins und aller Wirklichkeit.

In diesem Zusammenhang werden dann auch die aufzeigbaren Wechselbeziehungen, die Einheit zwischen den Bereichen des Wahren, Guten und Schönen wichtig: Ein „schönes“ Kunstwerk, das nicht im vollgültigen Sinne als „wahr“ bezeichnet werden kann, wird allgemein als „Kitsch“ betrachtet. (Intuitiv erfaßte) Schönheit gilt auch für viele Naturwissenschaftler inzwischen in selbstverständlicherer Weise als „Wahrheitskriterium“ (14, S. 68ff). Ihnen ist etwa die „Schönheit“ einer mathematischen Gleichung zugleich auch ein erster Hinweis darauf, ob sie stimmen könnte oder nicht. Und weiterhin: Eine gute Handlung hat auch ästhetische Aspekte. In dem Wort „edel“ schwingen diese zum Beispiel mit. Hierüber hat sich wiederum der Philosoph Friedrich Schiller ausführlich geäußert.

Die Philosophin Mathilde Ludendorff hat das freiwillige Erleben des Wahren, Guten und Schönen - und das Handeln aus diesem Erleben heraus - als den Sinn allen Lebens in den Mittelpunkt der menschlichen Lebensgestaltung gestellt. Sie hat es zudem (scheinbar in überraschendem Einklang mit dem „Anthropischen Prinzip“ der modernen Kosmologie) als Ursprung und Ziel der Weltentstehung gedeutet. Dieses Erleben hat sie zusammen gefaßt mit dem Begriff „Gotterleben“ benannt.

Eine solche philosophische Deutung soll(te) letztlich nur eine nüchterne, zusammenfassende, gültige Deutung all dessen sein, was - sowieso - schon da ist, was sowieso schon - überall - geschieht oder was geschehen ist und von Menschen immer schon so oder in ähnlicher Weise erlebt und als das Wesentliche des Lebens herausgestellt worden ist.

Wie ordnet sich in diesen Argumentationsrahmen das Phänomen „Volk“ ein?


Es sind nun noch zwei Bemerkungen als Ergänzung des Ausgeführten anzufügen:

Erstens: Inwieweit es bei den Menschen und Völkern naturwissenschaftlich nachweisbare, genetisch verankerte, also angeborene, unterschiedliche Haltungen, „Neigungen“ und Herangehensweisen gegenüber „dem Göttlichen“ (dem metaphysischen Bereich) gibt, die dann kulturell durchgestaltet werden; inwieweit weiterhin Verantwortungs-Übernahme für das genetische Überleben der einander (genetisch) ähnlichen (verwandten) Menschen ein Weg zum moralisch „Guten“, zur „Gottverantwortung“ werden kann - von der dann letztlich auch der Philosoph Hans Jonas spricht („Prinzip Verantwortung“) -, all dies ist für die vorliegende Argumentationskette von besonderer Bedeutung, muß jedoch weiteren Beiträgen vorbehalten bleiben.

Zweitens: Der in diesem Aufsatz erläuterte Gedankengang kann abschließend noch einmal gut in Abgrenzung zu den Grundanliegen des auf der Akademie ebenfalls abgehaltenen Seminars „Kunst und anschauliches Denken“ erläutert werden. In dem zuletzt genannten Seminar ist in redlichem Bemühen versucht worden, Beurteilungskriterien für Kunst jenseits des „vernünftig-logischen Denkens“ zu finden. Sie sind hier in einem sogenannten „anschaulichen Denken“ gesucht worden. In dem Verlauf der Ausführungen konnte den Teilnehmern klar werden, daß dieses anschauliche Denken, bei dem vor allem (Ausdruck von) „Bewegung“ im Kunstwerk gesucht wird, sich vornehmlich durch die Einordnung des Gesehenen in raum-zeitliche Begründungszusammenhänge (in denen ja auch „Bewegung“ verläuft) vollzieht.

Prinzipielle Grenzen auch im Bereich der Kunst


Bei dem Diskurs dieses Themas wurde - zumindest im Seminar - eine prinzipielle Grenze hin zu Beurteilungskriterien, die jenseits auch des „anschaulichen“ Denkens liegen könnten, nicht überschritten, bzw. nicht als Ausgangspunkt der Bewertung vorausgesetzt. Ein metaphysischer Bereich als Urgrund und Quelle allen Seins und aller Kunst wurde hier nicht in Rechnung gestellt. - Fehlt ohne tiefer gehende physikalische Kenntnisse heute dazu einfach der Mut?

Andererseits wurden aber dann auch die biologischen Wurzeln des menschlichen Schönheitserlebens, die, wie heute immer deutlicher wird, sehr viel auch mit dem Willlen zur Fortpflanzung und überhaupt zum genetischen Überleben zu tun haben, nicht in Rechnung gestellt.

Man kann zu der Ansicht gelangen, daß erst von diesen beiden genannten Ausgangspunkten her Bewertungskriterien für künstlerisches Schaffen erhältlich sind, die so in allgemeine Argumentationszusammenhänge eingeordnet sind und dann nicht mehr so willkürlich, isoliert und zusammenhanglos zu den übrigen Bereichen menschlichen Wissens und menschlicher Erfahrung stehen, daß schon allein von dieser Positionierung innerhalb des Gesamtbaues des menschlichen Wissens her ihnen auch größere Allgemeingültigkeit zugesprochen werden kann.

Die heutige Erkenntnislage sollte also zu einer Neu- und Aufwertung solcher Kunstphilosophien wie etwa Friedrich Schillers und Mathilde Ludendorffs führen, die die genannte Grenze des raum-zeitlichen Denkens klar anerkannten aber nicht an ihr inne hielten oder umkehrten, sondern sie deutlich herausgestellt als Ausgangspunkt ihrer Kunstphilosophie (und dann natürlich auch politischen Theorie!) wählten. So dichtete Friedrich Schiller zum Beispiel den in diesem Zusammenhang scheinbar widersinnigen („paradoxen“) Satz (aus dem Gedicht „Worte des Wahns“):
Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
ist dennoch das Schöne, das Wahre!

Ergebnis: Angelika Willig liegt falsch!


Aus dem in dem vorliegenden Aufsatz erläuterten Argumentationsrahmen sollte deutlich werden können, daß die eingangs ausgeführte pessimistische Sicht Angelika Willigs (2) nur solange Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen kann, solang ein großer Teil der Bevölkerung und der „aufgewachter“ Denkenden einen der wesentlichsten Erkenntnisbereiche unserer modernen Zeit der Nichtbeachtung anheim fallen lassen.

Von jedem Zeitgenossen kann es anhand der naturwissenschaftlichen Sachbücher einer durchschnittlich bestückten Buchhandlung oder in Gesprächen mit Physikern, bzw. Physikstudenten leicht überprüft werden: Wer sich mit der modernen Physik redlich und mit einem recht ernsthaft-persönlichen Anliegen auseinandersetzt, ist förmlich mehr oder weniger dazu gezwungen, sich (endlich wieder) auf ein „Höheres“ einzulassen.

Um so früher und kenntnisreicher sich diese Ansicht in unserem und in allen anderen Völkern der Welt durchsetzt, um so zuverlässiger sollte dann auch wieder das Überleben der Völker - unseres eigenen wie das vieler anderer - in weite Zukunft hinein gesichert sein. Die Generation Angelika Willigs, zu der sich auch der Autor zählt, sollte dabei als Vorbild vorangehen.

Erich Meinecke



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- zuerst in MuM, 9.3.2001
Philognosie.net, 6.5.2004
- hier eingestellt: 27.6.2017


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  1. Leupold, Hermin: Naturwissenschaftlich-philosophische Aufsatzreihen in: Die Deutsche Volkshochschule 1989-1996
  2. Willig, Angelika: Forum-Artikel: Abschied von Rechts. In: Junge Freiheit, 16. Oktober 1998, S. 16
  3. Sokal, Alan: Experimente eines Physikers mit den Kulturwissenschaften. (Mit Einleitung des Übersetzers Hans-Joachim Niemann: Die verleugnete Wirklichkeit. Ein Bericht über die Sokal-Affäre) Auf: www.sicetnon.cogito.de (Erlangen 1997)
  4. Weinberg, Steven: Sokals Experiment. In: Merkur, Jan. 1997, S. 30-40
  5. Sokal, Alan; Bricmont, Jean: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen. Verlag C.H. Beck, München 1999
  6. Ulmschneider, Peter: Ewige Wahrheiten?, Harte unumstößliche Gesetze. Zwei Leserbriefe in Wissenschafts-Zeitschriften. Wiederabdruck in: Mensch und Maß, Folge 10, 23.5.2000, S. 478-480
  7. Hartmann, Max: Die philosophischen Grundlangen der Naturwissenschaften. Erkenntnistheorie und Methodologie. Gustav Fischer-Verlag (2. Aufl.) Stuttgart 1959
  8. Fritzsch, Harald: Vom Urknall zum Zerfall. Die Welt zwischen Anfang und Ende. Piper-Verlag (4. Aufl.) München 1987
  9. Lorenz, Konrad: Der Abbau des Menschlichen. Piper-Verlag, München 1983
  10. Hawking, Stephen: „Wir alle wollen wissen, woher wir kommen.“ Spiegel-Gespräch mit dem Astrophysiker Stephen Hawking über Gott und das Weltall. In: Der Spiegel (Titel) Nr. 42/1988, S. 246-270
  11. Weischedel, Wilhelm: Die philosophische Hintertreppe. 34 große Philosophen in Alltag und Denken. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1994
  12. Ludendorff, Mathilde: Des Menschen Seele. Ludendorffs Verlag, München 1941 (Erstauflage 1923)
  13. Lorenz, Konrad: Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1977
  14. Davies, Paul: Die Urkraft. Auf der Suche nach der einheitlichen Theorie der Natur. dtv-Sachbuch, München 1990

Freitag, 16. Februar 2001

Die Tuareg - ein Volk wie aus einer anderen Welt (2. Teil)


„Es ist wie ein Traum.“  

Die Tuareg -  

ein Volk wie aus einer anderen Welt

Europäer erleben den Orient (2. Teil)


Dem Kulturbild des Volkes der Tuareg, das im ersten Teil dieses Aufsatzes (s. hier) in groben Umrissen gezeichnet worden ist, sollen nun noch weitere Einzelheiten hinzugefügt werden. Es stimmt hoffnungsfreudig und ermutigend zu erfahren, daß in anderen Erdteilen – hier also in Afrika, genauer in Nordafrika, und noch genauer: in der Zentralsahara – noch Völker leben, die einem zeigen können, so wurde der erste Teil beschlossen „wie man ein wahrhaftiges Leben lebt.“ Aus diesem Grund wird sich der eine oder andere Leser die eine oder andere der folgenden Schilderungen vielleicht doch einigermaßen dankbar entgegenzunehmen bereit finden.

„Die Karawane ist ein Symbol unserer Werte.“


Zu den wichtigsten Kultur- und Wirtschaftselementen der Tuareg gehört natürlich die Karawane. „Der Anblick dieser weiten Fläche schien unsere wilden, an schweifendes Leben gewöhnten Gefährten nur zu begeistern,“ berichtet der Hamburger Afrikaforscher Heinrich Barth. „Mit angespornter Rüstigkeit“ zog er, so berichtet er, mit seinen Tuaregfreunden „über die unbegrenzte Ebene“ dahin (4, S. 128).

Und der junge französische Mönchs-Missionar nimmt sich vor: „Niemals sagen: ‚ich bin müde, ich habe Hunger, ich habe Durst!‘ Es wäre beschämend für einen Mann, sich derart zu ‚beklagen‘.“ (8, S. 88) Dieser Missionar starb noch in jungem Alter bei den Tuareg. Eine Ursache für seinen Tod mag auch gewesen sein, daß er selbst derartige Tuareg-Ideale bei seiner Arbeit für die Tuareg zu sehr überzogen hatte – ohne die gleiche lebenslange Abhärtung zuvor erfahren zu haben, wie seine Freunde, für die er sich einsetzte.

Er hatte nämlich unter den extremen Lebensbedingungen der Sahara eine Wüstenschule gegründet und geleitet. Aber die Entfernung zum nächsten Krankenhaus war zu groß, als daß ihm bei einem ernsteren Unfall oder Krankheitsfall noch geholfen werden konnte. Aus Begeisterung für die Tuareg und in Nachahmung ihrer Vorbildlichkeit opferte sich dieser Missionar für ein ihm fremdes Volk auf. „Das Tuareg-Volk von Air und ich sprechen Ihnen und der Familie Ploussard ihr tief empfundenes Mitleid aus,“ telegrafierte der örtliche Tuareg-Fürst nach Frankreich an die Mutter des verstorbenen Missionars (8, S. 153). Infolge medizinischer Unterversorgung ist der Tod auch schon in jungen Jahren für die Tuareg nicht ein sehr seltenes Ereignis.


Abb. 1: Umschlagbild eines der vielen wertvollen Bücher über die Tuareg


„Die Karawane ist ein Symbol, ein Zeichen unserer Werte: Sie ist die Herausforderung, mit der jeder mutige Mann seiner Umwelt entgegentritt. Der Wüste gegenüber darf der Targi keine Schwächen zeigen. Denn wer würde seine Klagen hören? Wer könnte ihn retten?“ (5, S. 8) Vielleicht wird erst jener Mensch, der für einige Monate oder doch besser Jahre das harte Leben der Tuareg geteilt hat, berechtigt sein, ein Urteil über ein etwaiges „sittenloses Leben“ der Tuareg zu fällen. Ein deutscher Reisejournalist jedenfalls, der 1985 an einer der anstrengendsten Karawanen-Züge der Welt, der jährlichen Salzkarawane durch die Tenere (14), teilnahm, berichtet ganz anderes (10, S. 161): „Es waren traumhafte, unwirkliche Tage, jeweils eine Woche im absoluten Nichts.“ Körperlich war er danach – nach eigener Aussage – vollkommen ruiniert. Doch sowohl seelisch wie körperlich – ebenfalls nach eigener Aussage – weitaus „gesünder“ als jemals zuvor.

Die Targia und die tagtägliche Einsamkeit in der Wüste


Von den Tuaregfrauen ist natürlich zu erfahren, daß sie die Tuareg-Ideale ebenso leben, wie ihre Männer. Es ist für einen modernen Mitteleuropäer kaum glaublich, mit wie wenig, mit welch kargem Besitz und unter welchen kargen Lebensbedingungen die Tuareg-Nomaden ihr Leben lang auszukommen gezwungen sind. Doch nie haben sie dabei das Gefühl, ihnen würde etwas fehlen. Dies gilt nicht nur für die Männer (5, S. 47f):

„Ich war immer beeindruckt von unseren Frauen, einmal wegen ihres Mutes, zum anderen wegen ihrer Ausdauer dem harten Leben gegenüber. Die Targia macht immer willig die aufreibendsten Arbeiten: Hirsekörner für die Mahlzeiten zerstoßen, den ganzen Tag über die Tiere tränken, während der langen Abwesenheit der Männer in der Karawanenzeit die Zelte gegen den Wind verteidigen und bewachen.

Die Targia ist stark. Ich habe alte Frauen gesehen, die ganz allein mit ihren Ziegen mitten in der Wüste leben. Einige wollten es von sich aus, andere taten es mehr gezwungenermaßen. Niemals werde ich eine Alte aus Zaners vergessen, die in ihrem isolierten Wadi gefangen war, weil ihre Ziegen ihn nicht verlassen wollten. Jedes Mal, wenn sie versuchte, zu anderen Nomadenlagern zu gehen, kehrten ihre Tiere zu diesem einsamen Wadi zurück. Dreißig Jahre lang hat sie so in der Einsamkeit gelebt.“

Es gibt hier so vieles, was uns Europäern so schwer vorstellbar ist: Infolge der Kargheit der Vegetation müssen die Kamel-Hirten und die Ziegen-Hirtinnen Tag für Tag aufs Neue von den wenigen Wassserstellen, wo sie gemeinsam übernachten, ganz abgelegene, weit verstreute Weidegründe aufsuchen, wobei sie zumeist den ganzen langen Tag über mit ihren Tieren völlig allein sind.

Übereinstimmend wird von ihnen allen berichtet, daß dies das Schwierigste sei, was man als junger Hirte oder als junge Hirtin zu erlernen hätte: das Ertragen der Einsamkeit. Das fällt ja gerade auch einem jungen Menschen – und hier handelt es sich oft noch um Kinder – besonders schwer. Nur wenn man sich all dies vor Augen führt, wird einem klar, daß bei solchen Erfahrungen auch das Zusammenleben zwischen Menschen kulturell sehr hochwertig sein muß – wenn diese Menschen bereit sein sollen, jeden Tag aufs Neue derartige psychische und physische Strapazen ertragen zu wollen (15).

Freundschaft


Und das, was die Tuareg zu etwas kulturell Hochwertigem ausgestaltet haben, das war der Mensch selbst. Denn sie hatten ja nicht viel anderes. Die Ausbildung einer umfangreicheren materiellen (Sachgüter-)Kultur ist ja in einem Nomadenlager gar nicht möglich. Diesen Dingen wird seitens der Kulturphilosophie große Bedeutung zugesprochen und umfangreich erläutert (16, S. 111-136, 275-277). Ohne dies weiter ausführen zu können, werden im folgenden nur einige Erlebnisschilderungen gebracht, die mit den genannten Erörterungen seitens der Kulturphilosophie in vollstem Einklang zu stehen scheinen.

So ist es doch ganz erstaunlich, daß die persönlichen und menschlichen Eigenschaften der Tuareg ihnen auf der ganzen Welt Freunde gewonnen haben. Da sei zunächst einmal auf den Deutschen Heinrich Barth hingewiesen, der einer der ersten Europäer war, der diesem Volk mit Achtung entgegengekommen war (obwohl ihm die damals noch politisch selbständigen und untereinander zerstrittenenen Tuareg-Stämme – z.T. in islamischer Intoleranz gegenüber dem bekennenden Christen – große Schwierigkeiten auf seiner Reise bereiteten und ihn in mehreren brenzligen Situationen sogar mit dem Tod bedrohten).

Über einen Tuareg heißt es bei Barth (4, S. 211): „Ich mußte hier von meinem besten Kel-owi-Freunde Hamma Abschied nehmen. Er war ein in jeder Hinsicht zuverlässiger Mann, ausgenommen vielleicht in Bezug auf das schöne Geschlecht, und ein aufgeweckter Gefährte, dem unsere ganze Gesellschaft, und ich insbesondere, nicht wenig verpflichtet war. ...

Beide“ (der Genannte und sein Verwandter) „waren froh und munter, ohne Ahnung der Zukunft, aber sie zeigten beim Abschiede große Teilnahme, trösteten sich jedoch, mich gewiß einmal irgendwo wiederzusehen. Die Armen! – Beiden war bestimmt, in dem blutigen Kampfe, der im Jahre 1854 zwischen den Kel-geress und Kel-owi ausbrach, zu fallen.“ Kel heißt „Leute von“ und bezeichnet jeweils eine regionale Untergruppe dieses Volkes (17).

Von einem anderen Targi berichtet Barth: „Emeli, welcher ein sehr feines und einnehmendes Wesen hatte,“ „mochte ich doch seiner anständigen Manieren wegen wohl leiden.“ (4, S. 166, 141) Von dem Tuareg-Fürsten Annur berichtet der Hamburger, „daß er ein gerader, zuverlässiger Mann war. Er gab einfach und ohne Umschweife an, was er verlangte; aber nachdem er dies erhalten, hielt er an seinem Worte mit der größten Gewissenhaftigkeit fest.“ Er könne ihm trotz mancher Auseinandersetzungen, die er mit ihm hatte, seine Achtung „nicht versagen, sowohl als einem großen Diplomaten in seinem merkwürdigen kleinen Reiche als auch als einem Manne, ausgezeichnet durch Aufrichtigkeit und Geradheit.“ (4, S. 171, 213)

Diese Achtung beruhte auf Gegenseitigkeit. Im Gedächtnis der Tuareg lebt Heinrich Barth als der erste europäische Forschungsreisende weiter, der ihrem Volk vorurteilslos, mit Achtung und Liebe, statt Feindschaft, Haß und Verachtung entgegengekommen war (5, S. 13). Einem später reisenden Forscher wurde empfohlen, sich immer als der Sohn von Heinrich Barth auszugeben, dann würde ihm nichts passieren und er überall gern und gut aufgenommen werden!


„Aber es ging nicht anders.“ -


Europäische Freundschaft mit den Tuareg heute


Der schon mehrmals erwähnte und auch zitierte Mano Dayak ist nach 1992 – trotz seiner Ablehnung des Krieges – der militärische (und politische) Führer des Überlebenskampfes seines 1-Millionen-Volkes geworden und hat auch Verhandlungen mit der Regierung des Staates Niger geführt. 1995 verlor er auf einer von ihm selbst – aus militärischen Gründen in dem sehr abgelegenen Air-Gebirge – ausgewählten und eingerichteten, zu kurzen Landepiste an den diese begrenzenden Felsen beim Start des Flugzeuges zusammen mit den Begleitpersonen das Leben. Er sollte gerade zu weiteren Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung geflogen werden.

Der deutsche Journalist Michael Stührenberg von der Zeitschrift Geo und seine Frau Judith hatten Mano Dayak als ihren „besten Freund“ angesehen und waren wie viele andere Freunde Manos innerhalb seines Volkes und in der ganzen Welt über dessen Tod tief erschüttert (18, S. 162). Stührenberg berichtet, wie die europäischen Freunde Manos zuvor richtiggehend eifersüchtig untereinander auf die Freundschaft dieses Mannes gewesen waren. Die Freundschaft zu ihm veranlaßte viele Menschen, sich für den Freiheitskampf seines Volkes einzusetzen (18, S. 178):

„Unsere Hilfe für Mano forderte ihren Preis. Sein ‚Kriegsschatz‘ war aufgebraucht. Oft zahlten wir nun an seiner Stelle. Die Telefonrechnungen ... haben uns regelmäßig ruiniert. Aber es ging nicht anders. Während ich als Reporter unseren Lebensunterhalt verdiente und, wenn es nicht reichte, die Bank um Kredite anbettelte, opferte meine Frau Judith ihre Zeit ausschließlich für die Rebellen. Sie schrieb die Kommuniques, sorgte dafür, daß sie in die Presse kamen, und erledigte, was Mano in seinen täglichen Anrufen aus der Wüste an Bestellungen durchgab. Manchmal ähnelte die Rebellion einem Familienunternehmen.“ 

Mano Dayak verstand es, „durch anhaltende Präsenz in den Medien weiterhin Druck auf“ die ehemalige Kolonialmacht „Frankreich und den Niger auszuüben. Zugegeben, wir halfen ihm dabei. Doch war es sein Verdienst, denn für keinen anderen hätten wir uns derart engagiert. Wir konnten Mano nichts verweigern, weil auch er uns nichts verweigerte. Niemand war großzügiger, niemand selbstloser als er. Er gehörte zu jener seltenen Spezies, von der es oft heißt, der Umgang mit ihnen mache Menschen besser.“ (18, S. 178)

Da wandert ein heutiger Zeitgenosse, gar ein renommierter Geo-Journalist, in das Lager der „heillosen romantischen Verklärer“ ab! Da glaubt einer an Ideale und an das Edle im Menschen, ja setzt sich selbst dafür ein – und das, obwohl es sich um ein angeblich so „sittenloses“ Volk handelt!

„Wir, die Weißen.“


Bei den Tuareg galt und gilt es als vornehm, dunkelhäutig zu sein, da dies als ein Hinweis darauf angesehen wird, wie reich und wie viele schwarze Sklavinnen die eigenen Vorfahren hatten. Es gibt also eine jahrhundertealte Vermischung von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft in diesem Volk. Auch dieser Umstand bedürfte einer tiefestgehenden kulturphilosophischen Ausdeutung, um keinerlei Mißverständnisse hervorzurufen. Aus diesem Grund muß eine solche auch künftigen Beiträgen vorbehalten bleiben.

Weil die adligen (hellhäutigen) Männer mit den schwarzafrikanischen Sklavinnen und den Frauen ihrer (früheren) Vasallen Kinder hatten, können sich heute viele Tuareg auf adlige Herkunft berufen. Trotz der Vermischungen (19) und der daraus folgenden verschiedenartigen Abstufungen an afrikanischer Dunkelhäutigkeit in ihrem Volk fühlen sich die Tuareg, die auch eine Berbersprache sprechen (das sogenannte Tamaschek), sehr selbstbewußt als Weiße.

Dies rief schon bei vielen Europäern Irritationen hervor. So berichtet etwa der französische Dritte-Welt-Politiker Eduard Pisani (5, S. 159): „Ich erinnere mich an eine heftige Diskussion bei Vollmond. Dann ist das Weiß weißer als weiß und das Schwarz schwärzer als schwarz. In der Hitze der Debatte schlug mir mein Gesprächspartner seine ebenholzschwarze Hand auf die Schulter und sagte: ‚Wir, die Weißen ...‘ Er war Tuareg.“ 

Der Franzose war von dem Präsidenten des Staates Mali zur Vermittler-Tätigkeit zwischen der Regierung des Niger und der Minderheit der Tuareg aufgefordert worden. Dies geschah im Anschluß an die Tuareg-Rebellion, die im Jahr 1990, nach einem Massaker der Soldaten des Niger an wehrlosen Frauen und Kindern der Tuareg, hervorgelodert war.

Durch seine Tätigkeit wurde auch Eduard Pisani veranlaßt, sich unter die „hoffnungslosen“ Verklärer des Tuareg-Volkes einzureihen (5, S. 161): „Aber ich kann mit Bestimmtheit schon jetzt sagen, daß ich die interessanteste Zeit in meiner langen politischen Laufbahn durchlebte, als ich an der Analyse der Dialektik von Einheit und Verschiedenheit, der Beziehung zwischen den Ethnien und Rassen mitarbeitete. In meinem Leben waren das die eindrucksvollsten Augenblicke sowohl in menschlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht.“

Kein eigener Staat


Zwischen 1880 und 1904, sowie bei ihrer Rebellion während der deutsch-türkischen Offensive in Palästina in den Jahren 1916/17 haben die Tuareg erbitterte Kämpfe gegen die Kolonialmacht Frankreich geführt. Der Freiheitsheld, der bei ihnen noch heute in großem Ansehen steht, hieß Kaossen ag Kedda (5, S. 17-42; 20, S. 159). Schließlich mußte dennoch ein Arrangement mit der Kolonialmacht Frankreich gefunden werden. Als dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Staaten Niger, Mali, Algerien, Libyien unabhängig wurden, ist die Gelegenheit verpaßt worden, den Tuareg ein eigenes Staatswesen zuzuweisen. Gerade sie hatten vor der Kolonialzeit, wie alte Karten zeigen (4, S. 18f) das größte politische Einflußgebiet im nordafrikanischen Raum innegehabt (rund um die Zentralsahara).

Dieser Lebensraum wurde – wie dies etwa auch bei den Kurden in Südwest-Asien der Fall war – willkürlich auf mehrere afrikanische Staaten aufgeteilt. Und in diesen werden die Tuareg nun von Angehörigen jener Volksstämme regiert, aus denen sie früher ihre (schwarzen) Sklaven rekrutiert hatten, und bei denen deshalb heute immer noch eine traditionelle Abneigung gegen die „snobistischen“ Tuareg vorherrscht.

Entwicklungshilfe-Projekte, die über diese Regierungen laufen, erreichen die Tuareg als allerletzte oder vielmehr gar nicht. Zu solchartigen Benachteiligungen kam die langfristige Klimaverschlechterung, die nun in mehrjährigen Dürrezeiten (Jahrhundertdürre von 1972 – 74) das trotzige Ideal der Tuareg „Lieber frei als satt“ (21, S. 20) bis zur äußersten Grenze des Erträglichen angespannt hat.

„Wo sich früher die Kühe meines Vaters fettgefressen haben, sind heute Sanddünen,“ erläutert ein Tuareg-Führer (22). – Manchmal kommt die Entwicklungshilfe jedoch auch an. – Und schon wieder verwandeln sich Alltagsmenschen in hoffnungslose Verklärer und Träumer (22): „Nirgendwo in Afrika werden die deutschen Helfer so gepriesen, wie hier im Norden Malis.“ „‘Ohne deutsche Hilfe wären wir nicht mehr am Leben.‘ Der Mann, der dies sagt, ist kein untertäniger Almosenempfänger. Aboure Ag Mohammed trägt den Kopf hoch und ist ein Anführer der Tuareg, des stolzen Wüstenvolks.“ Wie schaffen es die Tuareg selbst noch in der größten Armut ihren Mitmenschen Achtung abzugewinnen? Wie bleiben sie noch als Bettler Könige? Sollte dies nicht nachdenklich machen?
 
Abb. 2: Ein Tuareg-Mann aus dem Hoggar in Algeria; Fotograf: Garrondo (Wiki)
 

Die Wüste


Erstaunlich bleibt es allemal, daß auch – oder gerade? – in der Wüste der Zentral-Sahara ein so lebensfrohes Volk existiert, das so viele abgebrühte Europäer zu begeistern und zu faszinieren in der Lage zu sein scheint, wenn es sich nur so gibt, wie es ist. Daß das folgende tatsächlich auch über Menschen (und nicht nur über Pflanzen und Tiere) gesagt werden kann, mag als allergrößtes Wunder erscheinen (23, S. 7f):

„Es ist bewegend und erregend zu beobachten, wie die Erde in unbeirrbarem Drang selbst dort etwas Lebendiges hervorzubringen trachtet, wo scheinbar nichts mehr gedeihen kann. Wer hat nicht schon einmal vor Verwunderung vor einem Felsenriß oder vor einem winzigen Sprung in einem Gemäuer gestanden, aus dem sich ein Strauch oder nur ein Grasbüschel hervorgezwängt hat! ... Dasein, nur dasein ... das ist ihr Gesetz. Eine Stätte kann noch so unwirtlich, leer, tot, verdorrt oder eisig sein, es finden sich dennoch Geschöpfe, die imstande sind, hier ihr Leben zu fristen.  ...


Die Namen, die der Mensch den abgeschiedenen Orten gibt, Namen des Todes, der Verfluchtheit, der Hölle, der Trostlosigkeit, verraten, wie verhaßt ihm diese Landstriche sind und wie sehr er sich vor ihnen fürchtet. Aber das Leben fürchtet sich vor nichts. Es nützt die geringste und allergeringste Gelegenheit gierig aus, um sich zu verkörpern, auch im Tal des Todes, auch auf dem Teufelsfelsen, auch in der Steppe des Grauens, auch in der Sorge-Bucht, auch am Hunger-Kap. Warum? Der Erdball hat doch gedeihliche, üppige, gesegnete Landstriche und Gewässer genug und übergenug. Warum muß gerade hier geblüht und gelebt werden? Das Leben antwortet nicht. Es blüht und lebt.“ 

Die Kinderliebe der Tuareg

Und so sei denn abschließend möglicherweise nur noch auf eine „Nebensächlichkeit“ im Volk der Tuareg hingewiesen. Eine Nebensächlichkeit? Gibt es überhaupt irgendetwas Nebensächliches in dem Leben eines lebendigen Volkes? „Das Verhalten schon der jungen Tuaregfrauen,“ so wird von mehreren Seiten unabhängig voneinander immer wieder bestätigt, „ist von einer großen Liebe zu ihren Kindern geprägt.“ (24, S. 111f; 5, S. 142)  Anläßlich einer zufälligen Szene, in der eine Tuareg-Frau sich um ein Kind sorgt, schreibt ein französischer Fotograph (5, S. 142): „Bei ihnen ist jede Bewegung, selbst die alltäglichste, schön.“ 

Auch diese Aussage könnte wieder in Beziehung gesetzt werden zu wesentlichen Aussagen in der Kulturphilosophie. Der französische Missionar und Mönch, der bei den auch im Islam nicht sehr gesetzesfesten Tuareg mit seinen Missions-Bemühungen keinen großen Erfolg hatte, überzeugte die Eltern davon, daß Schulbildung in der heutigen Welt für ihre Kinder doch etwas recht Wesentliches wäre. Er berichtete (7, S. 137): „Oft verlassen mich die Mütter und sagen mir unter Tränen: ‚Also jetzt ist es entschieden, ich vertraue dir meinen Sohn an, gib gut auf ihn acht, tu, was für ihn getan werden muß.‘ Wenn Ihr sehen würdet, wie schön und intelligent diese Kinder sind. Ich fühle mich sehr geehrt, daß man mir ihre Erziehung anvertraut.“ Auch hier wieder ein – „hoffungsloser“ Verklärer.

Doch auch in dem Bericht der deutschen Motorrad-Reisenden wird die ausgeglichene Erziehung, die die Tuareg-Kinder durch ihre Eltern und ihre Kultur erfahren, deutlich (2, S. 102): „Abends leisten uns einige Kinder Gesellschaft. Anders als die Araberkinder im Norden sind sie weder aufdringlich noch im geringsten daran interessiert, uns etwas zu stibizen. Sie wollen uns ganz einfach nur zusehen, auf eine liebenswerte Art ihr Schul-Französisch üben. Als es dunkel wird, sagen sie höflich zu jedem von uns, auch zu Susanne, ‚Bonne nuit, Monsieur!‘ und gehen nach Hause.“

Ein noch nicht angeführter, bekannter französischer Filmregisseur urteilt (5, S. 135): „Nachdem ich sie ein wenig kennengelernt hatte, schien es mir, als lebten sie in ihrer unglaublichen Würde und in ihrer kulturellen Identität wie in einem wirklichen Reichtum, wovon schon die jüngsten unter ihnen, zwischen zwölf und fünfzehn Jahre alt, ein klares Bewußtsein hatten.“ 

Nach so vielen Lobpreisungen über ein Volk stellt sich natürlich die Frage: Wo sind denn nun die Schattenseiten? Wenn man sie suchen möchte, findet man sie sicherlich. Doch: Warum muß „alles in der Welt immer auch seine dunklen Seiten“ haben? Inwiefern wäre eine solche Sicht nicht wiederum die typisch europäisch-abendländisch-pessimistische?  „Das Leben antwortet nicht. Es blüht und lebt.“ – Und: Lasse man doch den einen oder anderen unter uns seine ihm lieben „Träume“ träumen! Allzulang wird er sich ihnen sowieso nicht zuwenden können. Die harte Realität sieht anders aus. Doch die Verschwiegeneren unter uns wissen es besser, sie wissen: Die Träumer sind es, die an der Zukunft der Menschheit bauen. Sind es so wenige, die das wissen?

Erich Meinecke



Schrifttum

Zu 1. bis 13. siehe den ersten Teil dieses Beitrages. (Abschließendes Gedicht: (1, S. 49))

14. Fuchs, Peter: Das Brot der Wüste. Sozio-Ökonomie der Sahara-Kanuri von Fachi. Franz Steiner-Verlag, Wiesbaden 1983
15. Spittler, Gerd: Hirtenarbeit. Die Welt der Kamelhirten und Ziegenhirtinnen von Timia. Rüdiger Köppe-Verlag, Köln 1998
16. Ludendorff, Mathilde: Das Gottlied der Völker. Eine Philosophie der Kulturen. Ludendorffs‑Verlag, München 1936
17. Bode, Petra: Internet-Seite zu den Tuareg: http://home.t-online.de/home/petra.bode/
18. Stührenberg, Michael: Nachwort. In: siehe 5., S. 162 ‑ 184
19. Spittler, Gerd: Warum sind die Kel Ewey-Tuareg so schwarz? In: G. Göttler (Hrsg.): Die Sahara. Mensch und Natur in der größten Wüste der Erde. DuMont-Buchverlag, Köln (2.‑Aufl.) 1987, S. 308 ‑ 310
20. Gaudio, Attilio: Uoimini blu: Il drama die Tuareg tra sotria e futuro. Editioni Cultura della Pace. Firenze 1993
21. Heinrichs, Hans-Jürgen: Die Tuareg – Nomaden in dürftiger  Zeit. In: Erzählungen und Gedichte der Tuareg. Qumran-Verlag, Frankfurt/M. 1980, S. 19 – 25
22. Michler, Walter: Die Rückkehr der Wüstenritter. Bonn hilft  Nomaden. In: Focus 2/1998, S. 168 – 171
23. Disney, Walt: Die Wüste lebt. Nach dem Film beschrieben von  Manfred Hausmann. Blüchert-Verlag, Stuttgart 1955
24. Sommer, Heike Miethe (Hrsg.): Poesie der Tuareg. Verlag Wendelin Niedlich, Stuttgart 1994





Einsam und verlassen

Kamid, wie erträgst du
das Fehlen der Liebsten?

Sie ist von dir gegangen,
du bist hier geblieben.

Nimm eine Pfeife
und ein Pfund Tabak
mit in die Länder,
in die du jetzt ziehst!